tive Aufgaben nicht so leicht zu lösen im Stande sein, wie ein Sehender. Und auf der Gründlichkeit und Sorgfalt, mit der*) Be- obachtungen dieser Art immer ausgeführt werden können, beruht mit die grosse Zuversicht, mit welcher wir die Ergebnisse der Deduktion acceptiren.
Indem unter den Prämissen des deduktiven Schliessens auch solche Sätze figuriren können, welche das Ergebniss einer Wahrnehmung an den Objekten der Untersuchung selbst und ferner auch von auf der- gleichen Wahrnehmungen gegründeten Induktionsschlüssen darstellen, mithin als absolut zuverlässig nicht angesehen werden dürfen, liefert uns die Deduktion namentlich ein Mittel, die Richtigkeit gemachter Induktionen durch das, was denknotwendig aus ihnen folgt, durch ihre Konklusionen oder Konsequenzen zu prüfen. Sobald sich auch nur eine von diesen Konsequenzen mit den Thatsachen oder als zuverlässig anzusehenden, ferneren Wahrnehmungsergebnissen unver- einbar erweist, ist mindestens eine von den nicht denknotwendigen Prämissen zu verwerfen. Solange dagegen auch alle ihre Folgerungen sich empirisch bewahrheiten, können die Induktionsschlüsse aufrecht erhalten und zur Grundlage einer "Theorie" genommen werden, welche die Erscheinungen zusammenfassend zu beschreiben und zu erklären beansprucht.
Auf diese Weise wird die Deduktion zu einem mächtig fördernden Hülfsmittel aller induktiven Wissenschaften. Wogegen sie ihrerseits, wie wir gesehen haben, der Induktion nicht nur entraten kann, son- dern vielmehr dieselbe ausschliesst. Dieser Umstand rechtfertigt auch das Voranstellen der deduktiven vor die induktive Logik.
e) Wenn vorstehend wiederholt von einer "Denknotwendigkeit" ge- sprochen wurde, so ist (mit Sigwart) darauf aufmerksam zu machen, dass sich von einer solchen in zweierlei Sinne reden lässt.
Wir haben eine physikalisch-physiologisch-psychische, die "psycho- logische" oder subjektive Denknotwendigkeit zu unterscheiden von der "logischen" oder objektiven.
Die erstere ist der Grund, weshalb ein Mensch gerade so denkt, wie er eben wirklich denkt. "Psychologisch betrachtet mag man alles, was der Einzelne denkt, für notwendige, d. h. gesetzmässig aus den jeweiligen Voraussetzungen erfolgende Thätigkeit ansehen; dass gerade
*) Zufolge des Verharrens, der Beständigkeit oder Permanenz der Schrift- zeichen -- weil m. a. W. ein x sich nie von selber in ein u verwandelt.
Einleitung.
tive Aufgaben nicht so leicht zu lösen im Stande sein, wie ein Sehender. Und auf der Gründlichkeit und Sorgfalt, mit der*) Be- obachtungen dieser Art immer ausgeführt werden können, beruht mit die grosse Zuversicht, mit welcher wir die Ergebnisse der Deduktion acceptiren.
Indem unter den Prämissen des deduktiven Schliessens auch solche Sätze figuriren können, welche das Ergebniss einer Wahrnehmung an den Objekten der Untersuchung selbst und ferner auch von auf der- gleichen Wahrnehmungen gegründeten Induktionsschlüssen darstellen, mithin als absolut zuverlässig nicht angesehen werden dürfen, liefert uns die Deduktion namentlich ein Mittel, die Richtigkeit gemachter Induktionen durch das, was denknotwendig aus ihnen folgt, durch ihre Konklusionen oder Konsequenzen zu prüfen. Sobald sich auch nur eine von diesen Konsequenzen mit den Thatsachen oder als zuverlässig anzusehenden, ferneren Wahrnehmungsergebnissen unver- einbar erweist, ist mindestens eine von den nicht denknotwendigen Prämissen zu verwerfen. Solange dagegen auch alle ihre Folgerungen sich empirisch bewahrheiten, können die Induktionsschlüsse aufrecht erhalten und zur Grundlage einer „Theorie“ genommen werden, welche die Erscheinungen zusammenfassend zu beschreiben und zu erklären beansprucht.
Auf diese Weise wird die Deduktion zu einem mächtig fördernden Hülfsmittel aller induktiven Wissenschaften. Wogegen sie ihrerseits, wie wir gesehen haben, der Induktion nicht nur entraten kann, son- dern vielmehr dieselbe ausschlieſst. Dieser Umstand rechtfertigt auch das Voranstellen der deduktiven vor die induktive Logik.
η) Wenn vorstehend wiederholt von einer „Denknotwendigkeit“ ge- sprochen wurde, so ist (mit Sigwart) darauf aufmerksam zu machen, dass sich von einer solchen in zweierlei Sinne reden lässt.
Wir haben eine physikalisch-physiologisch-psychische, die „psycho- logische“ oder subjektive Denknotwendigkeit zu unterscheiden von der „logischen“ oder objektiven.
Die erstere ist der Grund, weshalb ein Mensch gerade so denkt, wie er eben wirklich denkt. „Psychologisch betrachtet mag man alles, was der Einzelne denkt, für notwendige, d. h. gesetzmässig aus den jeweiligen Voraussetzungen erfolgende Thätigkeit ansehen; dass gerade
*) Zufolge des Verharrens, der Beständigkeit oder Permanenz der Schrift- zeichen — weil m. a. W. ein x sich nie von selber in ein u verwandelt.
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[11/0031]
Einleitung.
tive Aufgaben nicht so leicht zu lösen im Stande sein, wie ein
Sehender. Und auf der Gründlichkeit und Sorgfalt, mit der *) Be-
obachtungen dieser Art immer ausgeführt werden können, beruht mit
die grosse Zuversicht, mit welcher wir die Ergebnisse der Deduktion
acceptiren.
Indem unter den Prämissen des deduktiven Schliessens auch solche
Sätze figuriren können, welche das Ergebniss einer Wahrnehmung an
den Objekten der Untersuchung selbst und ferner auch von auf der-
gleichen Wahrnehmungen gegründeten Induktionsschlüssen darstellen,
mithin als absolut zuverlässig nicht angesehen werden dürfen, liefert
uns die Deduktion namentlich ein Mittel, die Richtigkeit gemachter
Induktionen durch das, was denknotwendig aus ihnen folgt, durch
ihre Konklusionen oder Konsequenzen zu prüfen. Sobald sich auch
nur eine von diesen Konsequenzen mit den Thatsachen oder als
zuverlässig anzusehenden, ferneren Wahrnehmungsergebnissen unver-
einbar erweist, ist mindestens eine von den nicht denknotwendigen
Prämissen zu verwerfen. Solange dagegen auch alle ihre Folgerungen
sich empirisch bewahrheiten, können die Induktionsschlüsse aufrecht
erhalten und zur Grundlage einer „Theorie“ genommen werden, welche
die Erscheinungen zusammenfassend zu beschreiben und zu erklären
beansprucht.
Auf diese Weise wird die Deduktion zu einem mächtig fördernden
Hülfsmittel aller induktiven Wissenschaften. Wogegen sie ihrerseits,
wie wir gesehen haben, der Induktion nicht nur entraten kann, son-
dern vielmehr dieselbe ausschlieſst. Dieser Umstand rechtfertigt auch
das Voranstellen der deduktiven vor die induktive Logik.
η) Wenn vorstehend wiederholt von einer „Denknotwendigkeit“ ge-
sprochen wurde, so ist (mit Sigwart) darauf aufmerksam zu machen,
dass sich von einer solchen in zweierlei Sinne reden lässt.
Wir haben eine physikalisch-physiologisch-psychische, die „psycho-
logische“ oder subjektive Denknotwendigkeit zu unterscheiden von der
„logischen“ oder objektiven.
Die erstere ist der Grund, weshalb ein Mensch gerade so denkt,
wie er eben wirklich denkt. „Psychologisch betrachtet mag man alles,
was der Einzelne denkt, für notwendige, d. h. gesetzmässig aus den
jeweiligen Voraussetzungen erfolgende Thätigkeit ansehen; dass gerade
*) Zufolge des Verharrens, der Beständigkeit oder Permanenz der Schrift-
zeichen — weil m. a. W. ein x sich nie von selber in ein u verwandelt.
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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/31>, abgerufen am 21.11.2024.
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