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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

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§ 15. Negative Urteile als negativ prädizirende anzusehen.
sein. Das Subjekt ist nunmehr ein Individuum, welches die in ihm ent-
haltenen Punktindividuen Kollektiv -- nicht generell -- zusammenfasst, und
hier könnte man den erhobenen Einwand nicht mehr vorbringen, denn einen
Grundsatz der Logik, wonach, was von dem Ganzen behauptet wird, un-
bedingt auch von dessen Teilen einzeln gelten müsste, einen solchen Grund-
satz gibt es nicht.

Die obige Argumentation wird hinfällig, wenn ein Schliessen von
allen oder einigen auf einzelne nicht angeht, weil überhaupt nur ein
Individuum vorliegt.

Logisch ist dies der Fall nur beim singulären Urteil, dem Sprach-
gefühl nach mitunter schon, wenn das Subjekt A im Singular steht.

[So kann man namentlich die Sätze b') und b'') passiren lassen,
auch wenn darin das "ist nicht" in Anführungszeichen gesetzt würde,
um so mehr aber ohne diese Verunstaltung, und zwar weil ihr Subjekt
charakterisirt erscheint als ein Individuum -- allerdings nicht aus
unsrer ursprünglichen, sondern in der aus ihr "abgeleiteten" Mannig-
faltigkeit, der Mn. der Punktgebiete, der Klassen. Jedenfalls ist --
im Gegensatz, wie gezeigt, zu b''') -- bezüglich jener beiden Sätze zu
erklären, dass sie den sprachlich richtigen Ausdruck für die Verneinung
der entsprechenden Sätze d'), d'') vorstellten.]

Durch die Singularform wird in der Regel psychologisch eine Indi-
vidualisirung des Subjektes angeregt. Man mag sich deshalb versucht
fühlen, auch Lotze für sein Beispiel wenigstens zuzustimmen, wenn er das
Urteil: "Der Geist ist nicht Materie" aufgefasst wissen will als die ver-
neinende Antwort auf die Frage, ob der Geist Materie sei?

Das Urteil tritt zwar in der Form eines "unbestimmten" Urteils auf,
beansprucht aber unzweifelhaft ein "universales" in logischer Hinsicht zu sein.

Unrecht muss man Lotze sofort auch für das Beispiel geben, wenn
man -- anstatt "Der Geist" schlechtweg -- einmal sagt: "Alle Geister"
oder auch nur: "Jeder Geist". [Letzteres, obwol in Singularform, bringt
durch das adjektivische Pronomen "Jeder" sofort die generelle Natur des
Urteils, den Charakter des Subjekts als eine Gattung zum Bewusstsein,
und begründet dadurch eine Ausnahme zu der eben nebenher statuirten
psychologischen Regel.] Es könnten ja -- rein logisch betrachtet -- auch
einige Geister Materie sein und andere nicht. Da wäre denn die Frage,
ob allgemein der Geist Materie ist, zu verneinen, und dennoch das Urteil:
"Der Geist ist nicht Materie", mit der gleichen Allgemeinheit hingestellt,
ein ungültiges!

Nun unterscheiden sich aber die beiden Aussagen: "Der Geist ist nicht
Materie" (so, wie diese verstanden werden sollte) und "Jeder Geist ist
nicht Materie" (oder: Kein Geist ist Materie) logisch überhaupt nicht. Sie
unterscheiden sich nur psychologisch, insofern die Mehrdeutigkeit des Sub-
jekts bei der erstern dem Bewusstsein entschwunden ist.

Man erkennt hier überhaupt die psychologische oder subjektive Be-
dingung dafür, dass man Kant's Benennungsweise, Lotze's und Sig-

§ 15. Negative Urteile als negativ prädizirende anzusehen.
sein. Das Subjekt ist nunmehr ein Individuum, welches die in ihm ent-
haltenen Punktindividuen Kollektiv — nicht generell — zusammenfasst, und
hier könnte man den erhobenen Einwand nicht mehr vorbringen, denn einen
Grundsatz der Logik, wonach, was von dem Ganzen behauptet wird, un-
bedingt auch von dessen Teilen einzeln gelten müsste, einen solchen Grund-
satz gibt es nicht.

Die obige Argumentation wird hinfällig, wenn ein Schliessen von
allen oder einigen auf einzelne nicht angeht, weil überhaupt nur ein
Individuum vorliegt.

Logisch ist dies der Fall nur beim singulären Urteil, dem Sprach-
gefühl nach mitunter schon, wenn das Subjekt A im Singular steht.

[So kann man namentlich die Sätze β') und β'') passiren lassen,
auch wenn darin das »ist nicht« in Anführungszeichen gesetzt würde,
um so mehr aber ohne diese Verunstaltung, und zwar weil ihr Subjekt
charakterisirt erscheint als ein Individuum — allerdings nicht aus
unsrer ursprünglichen, sondern in der aus ihr „abgeleiteten“ Mannig-
faltigkeit, der Mn. der Punktgebiete, der Klassen. Jedenfalls ist —
im Gegensatz, wie gezeigt, zu β''') — bezüglich jener beiden Sätze zu
erklären, dass sie den sprachlich richtigen Ausdruck für die Verneinung
der entsprechenden Sätze δ'), δ'') vorstellten.]

Durch die Singularform wird in der Regel psychologisch eine Indi-
vidualisirung des Subjektes angeregt. Man mag sich deshalb versucht
fühlen, auch Lotze für sein Beispiel wenigstens zuzustimmen, wenn er das
Urteil: „Der Geist ist nicht Materie“ aufgefasst wissen will als die ver-
neinende Antwort auf die Frage, ob der Geist Materie sei?

Das Urteil tritt zwar in der Form eines „unbestimmten“ Urteils auf,
beansprucht aber unzweifelhaft ein „universales“ in logischer Hinsicht zu sein.

Unrecht muss man Lotze sofort auch für das Beispiel geben, wenn
man — anstatt „Der Geist“ schlechtweg — einmal sagt: „Alle Geister“
oder auch nur: „Jeder Geist“. [Letzteres, obwol in Singularform, bringt
durch das adjektivische Pronomen „Jeder“ sofort die generelle Natur des
Urteils, den Charakter des Subjekts als eine Gattung zum Bewusstsein,
und begründet dadurch eine Ausnahme zu der eben nebenher statuirten
psychologischen Regel.] Es könnten ja — rein logisch betrachtet — auch
einige Geister Materie sein und andere nicht. Da wäre denn die Frage,
ob allgemein der Geist Materie ist, zu verneinen, und dennoch das Urteil:
„Der Geist ist nicht Materie“, mit der gleichen Allgemeinheit hingestellt,
ein ungültiges!

Nun unterscheiden sich aber die beiden Aussagen: „Der Geist ist nicht
Materie“ (so, wie diese verstanden werden sollte) und „Jeder Geist ist
nicht Materie“ (oder: Kein Geist ist Materie) logisch überhaupt nicht. Sie
unterscheiden sich nur psychologisch, insofern die Mehrdeutigkeit des Sub-
jekts bei der erstern dem Bewusstsein entschwunden ist.

Man erkennt hier überhaupt die psychologische oder subjektive Be-
dingung dafür, dass man Kant's Benennungsweise, Lotze's und Sig-

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[333/0353] § 15. Negative Urteile als negativ prädizirende anzusehen. sein. Das Subjekt ist nunmehr ein Individuum, welches die in ihm ent- haltenen Punktindividuen Kollektiv — nicht generell — zusammenfasst, und hier könnte man den erhobenen Einwand nicht mehr vorbringen, denn einen Grundsatz der Logik, wonach, was von dem Ganzen behauptet wird, un- bedingt auch von dessen Teilen einzeln gelten müsste, einen solchen Grund- satz gibt es nicht. Die obige Argumentation wird hinfällig, wenn ein Schliessen von allen oder einigen auf einzelne nicht angeht, weil überhaupt nur ein Individuum vorliegt. Logisch ist dies der Fall nur beim singulären Urteil, dem Sprach- gefühl nach mitunter schon, wenn das Subjekt A im Singular steht. [So kann man namentlich die Sätze β') und β'') passiren lassen, auch wenn darin das »ist nicht« in Anführungszeichen gesetzt würde, um so mehr aber ohne diese Verunstaltung, und zwar weil ihr Subjekt charakterisirt erscheint als ein Individuum — allerdings nicht aus unsrer ursprünglichen, sondern in der aus ihr „abgeleiteten“ Mannig- faltigkeit, der Mn. der Punktgebiete, der Klassen. Jedenfalls ist — im Gegensatz, wie gezeigt, zu β''') — bezüglich jener beiden Sätze zu erklären, dass sie den sprachlich richtigen Ausdruck für die Verneinung der entsprechenden Sätze δ'), δ'') vorstellten.] Durch die Singularform wird in der Regel psychologisch eine Indi- vidualisirung des Subjektes angeregt. Man mag sich deshalb versucht fühlen, auch Lotze für sein Beispiel wenigstens zuzustimmen, wenn er das Urteil: „Der Geist ist nicht Materie“ aufgefasst wissen will als die ver- neinende Antwort auf die Frage, ob der Geist Materie sei? Das Urteil tritt zwar in der Form eines „unbestimmten“ Urteils auf, beansprucht aber unzweifelhaft ein „universales“ in logischer Hinsicht zu sein. Unrecht muss man Lotze sofort auch für das Beispiel geben, wenn man — anstatt „Der Geist“ schlechtweg — einmal sagt: „Alle Geister“ oder auch nur: „Jeder Geist“. [Letzteres, obwol in Singularform, bringt durch das adjektivische Pronomen „Jeder“ sofort die generelle Natur des Urteils, den Charakter des Subjekts als eine Gattung zum Bewusstsein, und begründet dadurch eine Ausnahme zu der eben nebenher statuirten psychologischen Regel.] Es könnten ja — rein logisch betrachtet — auch einige Geister Materie sein und andere nicht. Da wäre denn die Frage, ob allgemein der Geist Materie ist, zu verneinen, und dennoch das Urteil: „Der Geist ist nicht Materie“, mit der gleichen Allgemeinheit hingestellt, ein ungültiges! Nun unterscheiden sich aber die beiden Aussagen: „Der Geist ist nicht Materie“ (so, wie diese verstanden werden sollte) und „Jeder Geist ist nicht Materie“ (oder: Kein Geist ist Materie) logisch überhaupt nicht. Sie unterscheiden sich nur psychologisch, insofern die Mehrdeutigkeit des Sub- jekts bei der erstern dem Bewusstsein entschwunden ist. Man erkennt hier überhaupt die psychologische oder subjektive Be- dingung dafür, dass man Kant's Benennungsweise, Lotze's und Sig-

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/353>, abgerufen am 22.11.2024.