Eine derartige Einteilung heisst zweileilig oder dichotomisch (im weitern Sinne). Die Gattung verzweigt sich dabei in Arten und Unter- arten so wie mancher Baum sich in Äste und Zweige gabelt. Es ist aber nicht erforderlich, dass jede Unterart gleichmässig weiter ein- geteilt werde und jedenfalls wird man bei gewissen Spezies als letzten Einteilungsgliedern stehen bleiben.
Gewöhnlich setzt man sogleich eines von diesen endgültigen Ein- teilungsgliedern jeweils als erste Art resp. Unterart an, dessen Nega- tion dann also die übrigen unter die betreffende Gattung resp. Art fallenden Einteilungsglieder in sich vereinigen wird. Hier braucht nur diese letztere, mithin immer nur das eine der beiden Einteilungs- glieder noch weiter eingeteilt zu werden -- Dichotomie im engeren Sinne. Auch diese ist zuverlässig eine erschöpfende (exhaustive) Ein- teilungsweise.
Werden z. B. mit Max Müller1 die menschlichen Sprachen unter dem Gesichtspunkt ihrer genealogischen Verwandtschaft oder nach- weislichen Abstammung von einer gemeinschaftlichen Muttersprache eingeteilt in die arischen (oder indogermanischen), die semitischen und die turanischen, so erhalten wir dichotomisch zuwerkegehend die Einteilung:
[Tabelle]
und ist nun ersichtlich, dass wenn etwa bei der oben erwähnten Ein- teilung eine Sprache übersehen worden sein sollte, die sich in keine der drei Abteilungen einfügt, oder wenn vielleicht bei einem wilden Volksstamme eine solche Sprache noch neu entdeckt werden sollte, diese notwendig zu unsrer letzten Gruppe gehören wird -- d. i. zur Gruppe der weder arisch- noch semitisch- noch turanischen Sprachen.
Vergl. hiezu Jevons6 p. 98 .. 111, insbesondre auch bezüglich des "Baum des Porphyrius" (Malchos).
Solange dergleichen nicht bekannt, mögen wir diese vierte Unter- abteilung allerdings gleich 0 annehmen.
Ähnlich aber, wie in diesem Beispiele, bewahrt uns auf den weniger sicheren Gebieten des Wissens allein das dichotomische Ver- fahren vor dem Begehen einer Auslassung beim einteilen. Um hier- gegen die erforderliche Garantie zu gewinnen, genügt es indess, wie man sieht, sich nur die letzte Unterklasse allemal zum Bewusstsein
§ 16. Dichotomie.
Eine derartige Einteilung heisst zweileilig oder dichotomisch (im weitern Sinne). Die Gattung verzweigt sich dabei in Arten und Unter- arten so wie mancher Baum sich in Äste und Zweige gabelt. Es ist aber nicht erforderlich, dass jede Unterart gleichmässig weiter ein- geteilt werde und jedenfalls wird man bei gewissen Spezies als letzten Einteilungsgliedern stehen bleiben.
Gewöhnlich setzt man sogleich eines von diesen endgültigen Ein- teilungsgliedern jeweils als erste Art resp. Unterart an, dessen Nega- tion dann also die übrigen unter die betreffende Gattung resp. Art fallenden Einteilungsglieder in sich vereinigen wird. Hier braucht nur diese letztere, mithin immer nur das eine der beiden Einteilungs- glieder noch weiter eingeteilt zu werden — Dichotomie im engeren Sinne. Auch diese ist zuverlässig eine erschöpfende (exhaustive) Ein- teilungsweise.
Werden z. B. mit Max Müller1 die menschlichen Sprachen unter dem Gesichtspunkt ihrer genealogischen Verwandtschaft oder nach- weislichen Abstammung von einer gemeinschaftlichen Muttersprache eingeteilt in die arischen (oder indogermanischen), die semitischen und die turanischen, so erhalten wir dichotomisch zuwerkegehend die Einteilung:
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und ist nun ersichtlich, dass wenn etwa bei der oben erwähnten Ein- teilung eine Sprache übersehen worden sein sollte, die sich in keine der drei Abteilungen einfügt, oder wenn vielleicht bei einem wilden Volksstamme eine solche Sprache noch neu entdeckt werden sollte, diese notwendig zu unsrer letzten Gruppe gehören wird — d. i. zur Gruppe der weder arisch- noch semitisch- noch turanischen Sprachen.
Vergl. hiezu Jevons6 p. 98 ‥ 111, insbesondre auch bezüglich des „Baum des Porphyrius“ (Malchos).
Solange dergleichen nicht bekannt, mögen wir diese vierte Unter- abteilung allerdings gleich 0 annehmen.
Ähnlich aber, wie in diesem Beispiele, bewahrt uns auf den weniger sicheren Gebieten des Wissens allein das dichotomische Ver- fahren vor dem Begehen einer Auslassung beim einteilen. Um hier- gegen die erforderliche Garantie zu gewinnen, genügt es indess, wie man sieht, sich nur die letzte Unterklasse allemal zum Bewusstsein
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§ 16. Dichotomie.
Eine derartige Einteilung heisst zweileilig oder dichotomisch (im
weitern Sinne). Die Gattung verzweigt sich dabei in Arten und Unter-
arten so wie mancher Baum sich in Äste und Zweige gabelt. Es ist
aber nicht erforderlich, dass jede Unterart gleichmässig weiter ein-
geteilt werde und jedenfalls wird man bei gewissen Spezies als letzten
Einteilungsgliedern stehen bleiben.
Gewöhnlich setzt man sogleich eines von diesen endgültigen Ein-
teilungsgliedern jeweils als erste Art resp. Unterart an, dessen Nega-
tion dann also die übrigen unter die betreffende Gattung resp. Art
fallenden Einteilungsglieder in sich vereinigen wird. Hier braucht
nur diese letztere, mithin immer nur das eine der beiden Einteilungs-
glieder noch weiter eingeteilt zu werden — Dichotomie im engeren
Sinne. Auch diese ist zuverlässig eine erschöpfende (exhaustive) Ein-
teilungsweise.
Werden z. B. mit Max Müller1 die menschlichen Sprachen unter
dem Gesichtspunkt ihrer genealogischen Verwandtschaft oder nach-
weislichen Abstammung von einer gemeinschaftlichen Muttersprache
eingeteilt in die arischen (oder indogermanischen), die semitischen und
die turanischen, so erhalten wir dichotomisch zuwerkegehend die
Einteilung:
und ist nun ersichtlich, dass wenn etwa bei der oben erwähnten Ein-
teilung eine Sprache übersehen worden sein sollte, die sich in keine
der drei Abteilungen einfügt, oder wenn vielleicht bei einem wilden
Volksstamme eine solche Sprache noch neu entdeckt werden sollte,
diese notwendig zu unsrer letzten Gruppe gehören wird — d. i. zur
Gruppe der weder arisch- noch semitisch- noch turanischen Sprachen.
Vergl. hiezu Jevons6 p. 98 ‥ 111, insbesondre auch bezüglich des
„Baum des Porphyrius“ (Malchos).
Solange dergleichen nicht bekannt, mögen wir diese vierte Unter-
abteilung allerdings gleich 0 annehmen.
Ähnlich aber, wie in diesem Beispiele, bewahrt uns auf den
weniger sicheren Gebieten des Wissens allein das dichotomische Ver-
fahren vor dem Begehen einer Auslassung beim einteilen. Um hier-
gegen die erforderliche Garantie zu gewinnen, genügt es indess, wie
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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/369>, abgerufen am 22.11.2024.
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