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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

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Einleitung.
sahen (auch die vier letztern aber nur bedingungsweise und in be-
stimmten ihrer Formen, wie Infinitiv des Verbums etc.) als Namen
verwendet werden.

Die übrigen, als da sind die Umstandswörter (Adverbia), die Prä-
positionen und die Bindewörter (Konjunktionen) sind dessen unfähig.
Solche Wörter, wie "leider", "zu", "entweder" sind keine Namen, und
dasselbe gilt auch von den Flexionsformen des Substantivs, wie z. B.
der Genitiv "Arthurs" etc. (vergl. Mill). Die Logiker der Aristotelischen
Schule ("Scholastiker") bezeichneten sie als "synkategorematische" Aus-
drücke, weil sie erst "zusammen" mit andern ein Ding bezeichnen
können (etwas "aussagen") -- im Gegensatz zu den Namen oder "kate-
gorematischen
" Ausdrücken.

Diese Wörter können auch in der That nicht als Subjekt eines Satzes
stehen; man kann nicht sagen: "Arthurs war in dem Zimmer" oder: "Leider
ist zu beklagen". Man kann freilich sagen: "Leider ist ein deutsches Ad-
verbium". In diesem Falle aber steht "Leider" für: "Das Wort: leider" --
analog wie, wenn wir sagen: "Pferd ist ein Hauptwort", das Subjekt auch
nur als ein Wort in Betracht fällt und nicht in Hinsicht auf dasjenige, was
es bedeutet. Man könnte solche Verwendung passend als die "suppositio
nominalis"
bezeichnen im Gegensatz zu der "suppositio materialis, sive rea-
lis" (dies zwar zugunsten der Zweckmässigkeit abweichend vom scholastischen
Gebrauche). Wer solchen Unterschied nicht anerkennen wollte, der müsste
auch zugeben, dass ein gewisses Hauptwort vier Hufe hat und zwei Ohren!
Im Deutschen ist dem Missverständniss allerdings einigermassen vorgebeugt
durch den Wegfall des Artikels bei "Das Pferd" oder "Ein Pferd", dessen
Beibehaltung die erstere oder nominelle Auffassung unmöglich machen
würde*) -- nicht so allerdings in den des Artikels entbehrenden Sprachen.
Es erscheint darum hier beinahe als Luxus, zu statuiren, dass wir die Auf-
fassung des Subjektes als eines blossen Namens, Wortes oder Wortgefüges
späterhin stets ausgeschlossen wissen wollen.

o1) Wie ein Zeichen als solches beschaffen ist, auf welche Weise
es eventuell aus einfacheren Zeichen aufgebaut, zusammengesetzt wird,
dies ist (zwar) keineswegs ganz gleichgültig:

Es müssen Zeichen, die für häufigen Gebrauch bestimmt, solchem
ausgesetzt sind, vor allem angemessen kurze sein; es muss Weitläufig-
keit, Komplikation derselben thunlichst vermieden werden. Andern-
falls würde ja ihre Anwendung allemal einen ärgerlichen Aufenthalt
verursachen, und vergegenwärtigt man sich leicht, wie wenig weit wir
mit unserm Denken, mit unsern Erörterungen, Diskussionen kommen

*) Wofern wir nicht sagten: "Das Pferd" ist ein mit dem bestimmten Artikel
verbundenes Hauptwort der deutschen Sprache. Hierbei weisen nur noch die An-
führungszeichen auf die suppositio nominalis hin.

Einleitung.
sahen (auch die vier letztern aber nur bedingungsweise und in be-
stimmten ihrer Formen, wie Infinitiv des Verbums etc.) als Namen
verwendet werden.

Die übrigen, als da sind die Umstandswörter (Adverbia), die Prä-
positionen und die Bindewörter (Konjunktionen) sind dessen unfähig.
Solche Wörter, wie „leider“, „zu“, „entweder“ sind keine Namen, und
dasselbe gilt auch von den Flexionsformen des Substantivs, wie z. B.
der Genitiv „Arthurs“ etc. (vergl. Mill). Die Logiker der Aristotelischen
Schule („Scholastiker“) bezeichneten sie als „synkategorematische“ Aus-
drücke, weil sie erst „zusammen“ mit andern ein Ding bezeichnen
können (etwas „aussagen“) — im Gegensatz zu den Namen oder „kate-
gorematischen
“ Ausdrücken.

Diese Wörter können auch in der That nicht als Subjekt eines Satzes
stehen; man kann nicht sagen: „Arthurs war in dem Zimmer“ oder: „Leider
ist zu beklagen“. Man kann freilich sagen: „Leider ist ein deutsches Ad-
verbium“. In diesem Falle aber steht „Leider“ für: „Das Wort: leider“ —
analog wie, wenn wir sagen: „Pferd ist ein Hauptwort“, das Subjekt auch
nur als ein Wort in Betracht fällt und nicht in Hinsicht auf dasjenige, was
es bedeutet. Man könnte solche Verwendung passend als die „suppositio
nominalis“
bezeichnen im Gegensatz zu der „suppositio materialis, sive rea-
lis“ (dies zwar zugunsten der Zweckmässigkeit abweichend vom scholastischen
Gebrauche). Wer solchen Unterschied nicht anerkennen wollte, der müsste
auch zugeben, dass ein gewisses Hauptwort vier Hufe hat und zwei Ohren!
Im Deutschen ist dem Missverständniss allerdings einigermassen vorgebeugt
durch den Wegfall des Artikels bei „Das Pferd“ oder „Ein Pferd“, dessen
Beibehaltung die erstere oder nominelle Auffassung unmöglich machen
würde*) — nicht so allerdings in den des Artikels entbehrenden Sprachen.
Es erscheint darum hier beinahe als Luxus, zu statuiren, dass wir die Auf-
fassung des Subjektes als eines blossen Namens, Wortes oder Wortgefüges
späterhin stets ausgeschlossen wissen wollen.

ο1) Wie ein Zeichen als solches beschaffen ist, auf welche Weise
es eventuell aus einfacheren Zeichen aufgebaut, zusammengesetzt wird,
dies ist (zwar) keineswegs ganz gleichgültig:

Es müssen Zeichen, die für häufigen Gebrauch bestimmt, solchem
ausgesetzt sind, vor allem angemessen kurze sein; es muss Weitläufig-
keit, Komplikation derselben thunlichst vermieden werden. Andern-
falls würde ja ihre Anwendung allemal einen ärgerlichen Aufenthalt
verursachen, und vergegenwärtigt man sich leicht, wie wenig weit wir
mit unserm Denken, mit unsern Erörterungen, Diskussionen kommen

*) Wofern wir nicht sagten: „Das Pferd“ ist ein mit dem bestimmten Artikel
verbundenes Hauptwort der deutschen Sprache. Hierbei weisen nur noch die An-
führungszeichen auf die suppositio nominalis hin.
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[44/0064] Einleitung. sahen (auch die vier letztern aber nur bedingungsweise und in be- stimmten ihrer Formen, wie Infinitiv des Verbums etc.) als Namen verwendet werden. Die übrigen, als da sind die Umstandswörter (Adverbia), die Prä- positionen und die Bindewörter (Konjunktionen) sind dessen unfähig. Solche Wörter, wie „leider“, „zu“, „entweder“ sind keine Namen, und dasselbe gilt auch von den Flexionsformen des Substantivs, wie z. B. der Genitiv „Arthurs“ etc. (vergl. Mill). Die Logiker der Aristotelischen Schule („Scholastiker“) bezeichneten sie als „synkategorematische“ Aus- drücke, weil sie erst „zusammen“ mit andern ein Ding bezeichnen können (etwas „aussagen“) — im Gegensatz zu den Namen oder „kate- gorematischen“ Ausdrücken. Diese Wörter können auch in der That nicht als Subjekt eines Satzes stehen; man kann nicht sagen: „Arthurs war in dem Zimmer“ oder: „Leider ist zu beklagen“. Man kann freilich sagen: „Leider ist ein deutsches Ad- verbium“. In diesem Falle aber steht „Leider“ für: „Das Wort: leider“ — analog wie, wenn wir sagen: „Pferd ist ein Hauptwort“, das Subjekt auch nur als ein Wort in Betracht fällt und nicht in Hinsicht auf dasjenige, was es bedeutet. Man könnte solche Verwendung passend als die „suppositio nominalis“ bezeichnen im Gegensatz zu der „suppositio materialis, sive rea- lis“ (dies zwar zugunsten der Zweckmässigkeit abweichend vom scholastischen Gebrauche). Wer solchen Unterschied nicht anerkennen wollte, der müsste auch zugeben, dass ein gewisses Hauptwort vier Hufe hat und zwei Ohren! Im Deutschen ist dem Missverständniss allerdings einigermassen vorgebeugt durch den Wegfall des Artikels bei „Das Pferd“ oder „Ein Pferd“, dessen Beibehaltung die erstere oder nominelle Auffassung unmöglich machen würde *) — nicht so allerdings in den des Artikels entbehrenden Sprachen. Es erscheint darum hier beinahe als Luxus, zu statuiren, dass wir die Auf- fassung des Subjektes als eines blossen Namens, Wortes oder Wortgefüges späterhin stets ausgeschlossen wissen wollen. ο1) Wie ein Zeichen als solches beschaffen ist, auf welche Weise es eventuell aus einfacheren Zeichen aufgebaut, zusammengesetzt wird, dies ist (zwar) keineswegs ganz gleichgültig: Es müssen Zeichen, die für häufigen Gebrauch bestimmt, solchem ausgesetzt sind, vor allem angemessen kurze sein; es muss Weitläufig- keit, Komplikation derselben thunlichst vermieden werden. Andern- falls würde ja ihre Anwendung allemal einen ärgerlichen Aufenthalt verursachen, und vergegenwärtigt man sich leicht, wie wenig weit wir mit unserm Denken, mit unsern Erörterungen, Diskussionen kommen *) Wofern wir nicht sagten: „Das Pferd“ ist ein mit dem bestimmten Artikel verbundenes Hauptwort der deutschen Sprache. Hierbei weisen nur noch die An- führungszeichen auf die suppositio nominalis hin.

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/64>, abgerufen am 11.05.2024.