Es würde diese allgemeine Grammatik des Vorzugs geniessen, dass in ihr gerade dasjenige ausser Betracht bleiben dürfte und zu bleiben hätte, was beim Erlernen einer fremden Sprache jeweils die grössten Schwierig- keiten zu bereiten pflegt -- als da sind: die verschiedenen Arten von Kon- jugation und Deklination, welche die "spezielle" Grammatik uns oft so er- müdend als erste, zweite, dritte etc. aufzählt und vorführt, dazu die Unregelmässigkeiten der Verba, der Wortstellung und des Satzbaues, nament- lich aber auch die dem Ausländer das Deutsche so sehr erschwerenden drei Genera von den in dieser unsrer Sprache mit "der", "die" oder "das" ganz ohne jeden objektiven Grund zu verknüpfenden (unpersönlichen) Haupt- wörtern und ebenso die Divergenzen zwischen Schrift und Aussprache, wie sie vor allem in der unphonetischen Schreibung des Englischen sich so "bemühend"*) kundgeben, auch anderes mehr.
Für ein engeres Gebiet, nämlich für dasjenige der Zahlenbezeichnung, sehen wir die analoge Aufgabe bereits gelöst vor uns. Hier kann in der That leicht der Nachweis geliefert werden, dass, wofern nicht mehr als zehn Ziffern sollen verwendet werden dürfen, eine systema- tische Darstellung aller natürlichen Zahlen nicht besser erreicht zu werden vermag, als sie durch die jetzt allgemein üblichen Ziffern- zusammenstellungen in unserm aus Indien überkommnen dekadischen Systeme bereits verwirklicht wird; es kann diese Zahldarstellung als eine aus Zweckmässigkeitsgründen auch notwendige gerechtfertigt werden.
Dass ähnliches aber für das ganze Gebiet der sprachlich bezeich- neten oder bezeichenbaren Objekte durchaus nicht gelingt, dürfte seinen Grund vor allem darin haben, dass eben dieses mit der Sprache ge- gebene Bezeichnungssystem sich an Vollkommenheit entfernt nicht messen kann mit dem in der angedeuteten Richtung für die Objekte der Arithmetik bereits verwirklichten Bezeichnungssysteme.
Hat dieses nun seine Richtigkeit, so muss an Stelle jenes oben- erwähnten Ideals einer "allgemeinen" Grammatik ein anderes treten: das rationellste Bezeichnungssystem für die Benennung aller Objekte und den Ausdruck aller Vorgänge des Denkens erst zu entdecken und als ein notwendiges zu rechtfertigen.
Auf dieses Ideal werden wir in der That noch weiter hinarbeiten.
e2) Gehen wir nun von dem eingenommenen Standpunkte auch nur ein Stück weit, auch einen Schritt nur vor, so leuchtet zunächst die Notwendigkeit ein, neben den (bisher besprochenen) Eigennamen, die jeweils ein ganz bestimmtes "Ding" bezeichnen, nur einem solchen
*) Der Ausdruck ist besonders im deutsch - schweizerischen Idiome ein- gebürgert.
Einleitung.
Es würde diese allgemeine Grammatik des Vorzugs geniessen, dass in ihr gerade dasjenige ausser Betracht bleiben dürfte und zu bleiben hätte, was beim Erlernen einer fremden Sprache jeweils die grössten Schwierig- keiten zu bereiten pflegt — als da sind: die verschiedenen Arten von Kon- jugation und Deklination, welche die „spezielle“ Grammatik uns oft so er- müdend als erste, zweite, dritte etc. aufzählt und vorführt, dazu die Unregelmässigkeiten der Verba, der Wortstellung und des Satzbaues, nament- lich aber auch die dem Ausländer das Deutsche so sehr erschwerenden drei Genera von den in dieser unsrer Sprache mit „der“, „die“ oder „das“ ganz ohne jeden objektiven Grund zu verknüpfenden (unpersönlichen) Haupt- wörtern und ebenso die Divergenzen zwischen Schrift und Aussprache, wie sie vor allem in der unphonetischen Schreibung des Englischen sich so „bemühend“*) kundgeben, auch anderes mehr.
Für ein engeres Gebiet, nämlich für dasjenige der Zahlenbezeichnung, sehen wir die analoge Aufgabe bereits gelöst vor uns. Hier kann in der That leicht der Nachweis geliefert werden, dass, wofern nicht mehr als zehn Ziffern sollen verwendet werden dürfen, eine systema- tische Darstellung aller natürlichen Zahlen nicht besser erreicht zu werden vermag, als sie durch die jetzt allgemein üblichen Ziffern- zusammenstellungen in unserm aus Indien überkommnen dekadischen Systeme bereits verwirklicht wird; es kann diese Zahldarstellung als eine aus Zweckmässigkeitsgründen auch notwendige gerechtfertigt werden.
Dass ähnliches aber für das ganze Gebiet der sprachlich bezeich- neten oder bezeichenbaren Objekte durchaus nicht gelingt, dürfte seinen Grund vor allem darin haben, dass eben dieses mit der Sprache ge- gebene Bezeichnungssystem sich an Vollkommenheit entfernt nicht messen kann mit dem in der angedeuteten Richtung für die Objekte der Arithmetik bereits verwirklichten Bezeichnungssysteme.
Hat dieses nun seine Richtigkeit, so muss an Stelle jenes oben- erwähnten Ideals einer „allgemeinen“ Grammatik ein anderes treten: das rationellste Bezeichnungssystem für die Benennung aller Objekte und den Ausdruck aller Vorgänge des Denkens erst zu entdecken und als ein notwendiges zu rechtfertigen.
Auf dieses Ideal werden wir in der That noch weiter hinarbeiten.
η2) Gehen wir nun von dem eingenommenen Standpunkte auch nur ein Stück weit, auch einen Schritt nur vor, so leuchtet zunächst die Notwendigkeit ein, neben den (bisher besprochenen) Eigennamen, die jeweils ein ganz bestimmtes „Ding“ bezeichnen, nur einem solchen
*) Der Ausdruck ist besonders im deutsch - schweizerischen Idiome ein- gebürgert.
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Einleitung.
Es würde diese allgemeine Grammatik des Vorzugs geniessen, dass in
ihr gerade dasjenige ausser Betracht bleiben dürfte und zu bleiben hätte,
was beim Erlernen einer fremden Sprache jeweils die grössten Schwierig-
keiten zu bereiten pflegt — als da sind: die verschiedenen Arten von Kon-
jugation und Deklination, welche die „spezielle“ Grammatik uns oft so er-
müdend als erste, zweite, dritte etc. aufzählt und vorführt, dazu die
Unregelmässigkeiten der Verba, der Wortstellung und des Satzbaues, nament-
lich aber auch die dem Ausländer das Deutsche so sehr erschwerenden drei
Genera von den in dieser unsrer Sprache mit „der“, „die“ oder „das“ ganz
ohne jeden objektiven Grund zu verknüpfenden (unpersönlichen) Haupt-
wörtern und ebenso die Divergenzen zwischen Schrift und Aussprache, wie
sie vor allem in der unphonetischen Schreibung des Englischen sich so
„bemühend“ *) kundgeben, auch anderes mehr.
Für ein engeres Gebiet, nämlich für dasjenige der Zahlenbezeichnung,
sehen wir die analoge Aufgabe bereits gelöst vor uns. Hier kann in
der That leicht der Nachweis geliefert werden, dass, wofern nicht
mehr als zehn Ziffern sollen verwendet werden dürfen, eine systema-
tische Darstellung aller natürlichen Zahlen nicht besser erreicht zu
werden vermag, als sie durch die jetzt allgemein üblichen Ziffern-
zusammenstellungen in unserm aus Indien überkommnen dekadischen
Systeme bereits verwirklicht wird; es kann diese Zahldarstellung als eine
aus Zweckmässigkeitsgründen auch notwendige gerechtfertigt werden.
Dass ähnliches aber für das ganze Gebiet der sprachlich bezeich-
neten oder bezeichenbaren Objekte durchaus nicht gelingt, dürfte seinen
Grund vor allem darin haben, dass eben dieses mit der Sprache ge-
gebene Bezeichnungssystem sich an Vollkommenheit entfernt nicht
messen kann mit dem in der angedeuteten Richtung für die Objekte
der Arithmetik bereits verwirklichten Bezeichnungssysteme.
Hat dieses nun seine Richtigkeit, so muss an Stelle jenes oben-
erwähnten Ideals einer „allgemeinen“ Grammatik ein anderes treten:
das rationellste Bezeichnungssystem für die Benennung aller Objekte
und den Ausdruck aller Vorgänge des Denkens erst zu entdecken und
als ein notwendiges zu rechtfertigen.
Auf dieses Ideal werden wir in der That noch weiter hinarbeiten.
η2) Gehen wir nun von dem eingenommenen Standpunkte auch
nur ein Stück weit, auch einen Schritt nur vor, so leuchtet zunächst
die Notwendigkeit ein, neben den (bisher besprochenen) Eigennamen,
die jeweils ein ganz bestimmtes „Ding“ bezeichnen, nur einem solchen
*) Der Ausdruck ist besonders im deutsch - schweizerischen Idiome ein-
gebürgert.
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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/84>, abgerufen am 04.12.2024.
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