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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

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Einleitung.
verbindung Silesia geschaffen, auf die Bemerkung des Landgrafen, der
den Tannhäuser aus der Ferne herankommen sieht:

"Mich däucht, ich kenne diesen Wanderer:
Entweder ist er's, oder s'ist ein anderer",

der Dichter den Adjutanten wohldienernd sagen lässt:

"Wen Euer Gnaden meinen, weiss ich nicht --
Doch hat er ein sehr ähnliches Gesicht",

so beruht der Witz, resp. die Komik, auf der Verwendung eines relativen
Namens, als ob er ein absoluter wäre.

Jene andern Dinge heissen die "Korrelate", ihre Namen die nomina
correlativa zu dem, was das nomen relativum bezeichnet; alle mit-
einander sind die "Beziehungsglieder", membra relationis, und die be-
stimmte Art der zwischen beiderlei Objekten bestehend zu denkenden
Beziehung heisst das "fundamentum relationis".

Das letztere ist oft sehr verwickelter Art, wie bei "Gläubiger", "Schuld-
ner", noch mehr bei "Ankläger" (Kläger), wo das eine Korrelat der "Ver-
klagte" (Beklagte), ein zweites Korrelat das "Delikt", Vergehen, sein würde,
dessen der letztere vom ersten beschuldigt wird (resp. die eingeklagte Schuld-
forderung oder Entschädigungssumme), ein drittes Korrelat der Gerichtshof,
das "Forum", vor welchem die Klage anhängig gemacht wird, und endlich
ein viertes Korrelat -- sofern es nicht durch die vorerwähnten bereits be-
dingt erscheint und dann nicht mitzuzählen wäre -- die Gesetzesbestimmungen,
der "Kodex" und Paragraph, auf die sich die Klage beruft.

Das angeführte Beispiel exemplifizirt ein "mehrfaches Relativum" (multi-
ple oder plural relative) im Gegensatz zu dem häufigsten Falle, dem des
"zweifachen" (dual relative), wie es z. B. "Wirkung" mit ihrem Korrelate,
der "Ursache", darstellen würde.

Auch Abstrakta, wie "Gestalt", "Schönheit" etc. können hienach schon
als duale Relative aufgefasst werden (sofern zu fragen ist: wessen?), wobei
allerdings in Bezug auf "Schönheit", wie üblich, übersehen wäre, dass
eigentlich der Geschmack des Publikums oder desjenigen, der dieselbe be-
urteilt, anerkennt, als ein drittes Glied in die Beziehung eingeht.

Indem wir uns hier mit einer blossen Worterklärung begnügten,
verweisen wir in Bezug auf Weiteres und Genaueres auf die letzten
Vorlesungen in unserm Buche (24. Vorl.).

o2) Mit obigem sind unsre Betrachtungen über Namen vorerst zu
Ende gekommen, und dürfte es sich darnach empfehlen, die Haupt-
ergebnisse übersichtlich zu rekapituliren. Es konnten unterschieden
und einander gegenübergestellt werden:

a) univoke, d. h. einsinnige
(wo nicht unsinnige)
und äquivoke oder doppel- und
mchrsinnige
Namen -- desgleichen auch schon Wörter oder Zeichen überhaupt.

Einleitung.
verbindung Silesia geschaffen, auf die Bemerkung des Landgrafen, der
den Tannhäuser aus der Ferne herankommen sieht:

„Mich däucht, ich kenne diesen Wanderer:
Entweder ist er's, oder s'ist ein anderer“,

der Dichter den Adjutanten wohldienernd sagen lässt:

„Wen Euer Gnaden meinen, weiss ich nicht —
Doch hat er ein sehr ähnliches Gesicht“,

so beruht der Witz, resp. die Komik, auf der Verwendung eines relativen
Namens, als ob er ein absoluter wäre.

Jene andern Dinge heissen die „Korrelate“, ihre Namen die nomina
correlativa zu dem, was das nomen relativum bezeichnet; alle mit-
einander sind die „Beziehungsglieder“, membra relationis, und die be-
stimmte Art der zwischen beiderlei Objekten bestehend zu denkenden
Beziehung heisst das „fundamentum relationis“.

Das letztere ist oft sehr verwickelter Art, wie bei „Gläubiger“, „Schuld-
ner“, noch mehr bei „Ankläger“ (Kläger), wo das eine Korrelat der „Ver-
klagte“ (Beklagte), ein zweites Korrelat das „Delikt“, Vergehen, sein würde,
dessen der letztere vom ersten beschuldigt wird (resp. die eingeklagte Schuld-
forderung oder Entschädigungssumme), ein drittes Korrelat der Gerichtshof,
das „Forum“, vor welchem die Klage anhängig gemacht wird, und endlich
ein viertes Korrelat — sofern es nicht durch die vorerwähnten bereits be-
dingt erscheint und dann nicht mitzuzählen wäre — die Gesetzesbestimmungen,
der „Kodex“ und Paragraph, auf die sich die Klage beruft.

Das angeführte Beispiel exemplifizirt ein „mehrfaches Relativum“ (multi-
ple oder plural relative) im Gegensatz zu dem häufigsten Falle, dem des
„zweifachen“ (dual relative), wie es z. B. „Wirkung“ mit ihrem Korrelate,
der „Ursache“, darstellen würde.

Auch Abstrakta, wie „Gestalt“, „Schönheit“ etc. können hienach schon
als duale Relative aufgefasst werden (sofern zu fragen ist: wessen?), wobei
allerdings in Bezug auf „Schönheit“, wie üblich, übersehen wäre, dass
eigentlich der Geschmack des Publikums oder desjenigen, der dieselbe be-
urteilt, anerkennt, als ein drittes Glied in die Beziehung eingeht.

Indem wir uns hier mit einer blossen Worterklärung begnügten,
verweisen wir in Bezug auf Weiteres und Genaueres auf die letzten
Vorlesungen in unserm Buche (24. Vorl.).

ο2) Mit obigem sind unsre Betrachtungen über Namen vorerst zu
Ende gekommen, und dürfte es sich darnach empfehlen, die Haupt-
ergebnisse übersichtlich zu rekapituliren. Es konnten unterschieden
und einander gegenübergestellt werden:

a) univoke, d. h. einsinnige
(wo nicht unsinnige)
und äquivoke oder doppel- und
mchrsinnige
Namen — desgleichen auch schon Wörter oder Zeichen überhaupt.

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[77/0097] Einleitung. verbindung Silesia geschaffen, auf die Bemerkung des Landgrafen, der den Tannhäuser aus der Ferne herankommen sieht: „Mich däucht, ich kenne diesen Wanderer: Entweder ist er's, oder s'ist ein anderer“, der Dichter den Adjutanten wohldienernd sagen lässt: „Wen Euer Gnaden meinen, weiss ich nicht — Doch hat er ein sehr ähnliches Gesicht“, so beruht der Witz, resp. die Komik, auf der Verwendung eines relativen Namens, als ob er ein absoluter wäre. Jene andern Dinge heissen die „Korrelate“, ihre Namen die nomina correlativa zu dem, was das nomen relativum bezeichnet; alle mit- einander sind die „Beziehungsglieder“, membra relationis, und die be- stimmte Art der zwischen beiderlei Objekten bestehend zu denkenden Beziehung heisst das „fundamentum relationis“. Das letztere ist oft sehr verwickelter Art, wie bei „Gläubiger“, „Schuld- ner“, noch mehr bei „Ankläger“ (Kläger), wo das eine Korrelat der „Ver- klagte“ (Beklagte), ein zweites Korrelat das „Delikt“, Vergehen, sein würde, dessen der letztere vom ersten beschuldigt wird (resp. die eingeklagte Schuld- forderung oder Entschädigungssumme), ein drittes Korrelat der Gerichtshof, das „Forum“, vor welchem die Klage anhängig gemacht wird, und endlich ein viertes Korrelat — sofern es nicht durch die vorerwähnten bereits be- dingt erscheint und dann nicht mitzuzählen wäre — die Gesetzesbestimmungen, der „Kodex“ und Paragraph, auf die sich die Klage beruft. Das angeführte Beispiel exemplifizirt ein „mehrfaches Relativum“ (multi- ple oder plural relative) im Gegensatz zu dem häufigsten Falle, dem des „zweifachen“ (dual relative), wie es z. B. „Wirkung“ mit ihrem Korrelate, der „Ursache“, darstellen würde. Auch Abstrakta, wie „Gestalt“, „Schönheit“ etc. können hienach schon als duale Relative aufgefasst werden (sofern zu fragen ist: wessen?), wobei allerdings in Bezug auf „Schönheit“, wie üblich, übersehen wäre, dass eigentlich der Geschmack des Publikums oder desjenigen, der dieselbe be- urteilt, anerkennt, als ein drittes Glied in die Beziehung eingeht. Indem wir uns hier mit einer blossen Worterklärung begnügten, verweisen wir in Bezug auf Weiteres und Genaueres auf die letzten Vorlesungen in unserm Buche (24. Vorl.). ο2) Mit obigem sind unsre Betrachtungen über Namen vorerst zu Ende gekommen, und dürfte es sich darnach empfehlen, die Haupt- ergebnisse übersichtlich zu rekapituliren. Es konnten unterschieden und einander gegenübergestellt werden: a) univoke, d. h. einsinnige (wo nicht unsinnige) und äquivoke oder doppel- und mchrsinnige Namen — desgleichen auch schon Wörter oder Zeichen überhaupt.

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/97>, abgerufen am 29.11.2024.