Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 1. Leipzig, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweiundzwanzigste Voriesung.
Bahn eines sich bewegenden Punktes; die Fläche als Bahn einer Linie,
wenn bei der Bewegung der letzteren jedoch auch gestaltliche Änderungen,
Deformationen zugelassen werden, bei welchen sie nur ihren Charakter als
Linie zu wahren hat, etc. Und wie umgekehrt die Bahn einer Linie ent-
weder selbst wieder nur eine Linie (z. B. bei dem sich in sich herum-
schwingenden Kreise) oder aber eine Fläche ist, ebenso die Bahn einer
Fläche selbst wieder nur eine Fläche (wie bei der auf der Kugelfläche
gleitenden Haube derselben) oder aber ein Körper, so würde endlich darauf
hinzuweisen sein, wie in der Thatsache, dass die Bahn eines Körpers stets
wieder nur ein Körper ist, wiederum die Dreidimensionalität des Raumes
zutage tritt (ein Faktum, dem man später auch noch einen schärferen Aus-
druck wird zu geben vermögen). --

Ich schliesse hiermit die begonnene Skizze, bei der ich lediglich den
Zweck verfolgte die vier Arten der geometrischen Gebilde auf eine mit
der (über allem Zweifel erhabenen) wissenschaftlichen Punktdefinition har-
monirende Weise in die Elementargeometrie einzuführen.

Ob es mir vorstehend gelungen, wenigstens anzudeuten, wie dies in
einer haltbaren Weise geschehen könnte, wage ich keineswegs zu ent-
scheiden, vielmehr würde ich es begrüssen, wenn durch Kritik und Ver-
besserungsvorschläge etwaige Schwächen, Inkonsequenzen oder Lücken in
diesen Überlegungen an den Tag gebracht und behoben werden sollten.

Möglich auch, dass alle derartigen Versuche ein blosser Notbehelf
(auf Kosten der Wissenschaftlichkeit zugunsten der Didaktik) bleiben, und
dass wir eben erst nach (und vermittelst) Schöpfung des Reiches der
Zahlen -- gemäss Dedekind 1 -- in den Stand gelangen, die Natur
unsrer Raumanschauung zu untersuchen, dieselbe völlig zu verstehen, an-
gemessen zu beschreiben und aus den mit ihr so enge verwachsenen Axiomen
streng logisch zu konstruiren. --

Es muss als wünschenswert erscheinen, dass wir über ein ange-
messen kurzes Symbol verfügen, welches ausdrückt, dass ein Gebiet a
ein Punkt sei, resp. dass die Klasse a eine singuläre, nämlich a ein
Individuum bedeute. Wählen wir als solches etwa das Symbol:
Ja
so wird nach (l) diesem der Wert der nachstehend rechts ihm gleich-
gesetzten Aussage zukommen:
(o) Ja = (a 0) [Formel 1] {(a x) + (a x1)}.
Dasselbe wird = i sein, falls a wirklich ein Punkt ist, und = 0 in
jedem andern Falle. Und zugleich damit ist dann auch
J1a
erklärt als die Verneinung von Ja, besagend, dass a nicht singulär

Zweiundzwanzigste Voriesung.
Bahn eines sich bewegenden Punktes; die Fläche als Bahn einer Linie,
wenn bei der Bewegung der letzteren jedoch auch gestaltliche Änderungen,
Deformationen zugelassen werden, bei welchen sie nur ihren Charakter als
Linie zu wahren hat, etc. Und wie umgekehrt die Bahn einer Linie ent-
weder selbst wieder nur eine Linie (z. B. bei dem sich in sich herum-
schwingenden Kreise) oder aber eine Fläche ist, ebenso die Bahn einer
Fläche selbst wieder nur eine Fläche (wie bei der auf der Kugelfläche
gleitenden Haube derselben) oder aber ein Körper, so würde endlich darauf
hinzuweisen sein, wie in der Thatsache, dass die Bahn eines Körpers stets
wieder nur ein Körper ist, wiederum die Dreidimensionalität des Raumes
zutage tritt (ein Faktum, dem man später auch noch einen schärferen Aus-
druck wird zu geben vermögen). —

Ich schliesse hiermit die begonnene Skizze, bei der ich lediglich den
Zweck verfolgte die vier Arten der geometrischen Gebilde auf eine mit
der (über allem Zweifel erhabenen) wissenschaftlichen Punktdefinition har-
monirende Weise in die Elementargeometrie einzuführen.

Ob es mir vorstehend gelungen, wenigstens anzudeuten, wie dies in
einer haltbaren Weise geschehen könnte, wage ich keineswegs zu ent-
scheiden, vielmehr würde ich es begrüssen, wenn durch Kritik und Ver-
besserungsvorschläge etwaige Schwächen, Inkonsequenzen oder Lücken in
diesen Überlegungen an den Tag gebracht und behoben werden sollten.

Möglich auch, dass alle derartigen Versuche ein blosser Notbehelf
(auf Kosten der Wissenschaftlichkeit zugunsten der Didaktik) bleiben, und
dass wir eben erst nach (und vermittelst) Schöpfung des Reiches der
Zahlen — gemäss Dedekind 1 — in den Stand gelangen, die Natur
unsrer Raumanschauung zu untersuchen, dieselbe völlig zu verstehen, an-
gemessen zu beschreiben und aus den mit ihr so enge verwachsenen Axiomen
streng logisch zu konstruiren. —

Es muss als wünschenswert erscheinen, dass wir über ein ange-
messen kurzes Symbol verfügen, welches ausdrückt, dass ein Gebiet a
ein Punkt sei, resp. dass die Klasse a eine singuläre, nämlich a ein
Individuum bedeute. Wählen wir als solches etwa das Symbol:
Ja
so wird nach (λ) diesem der Wert der nachstehend rechts ihm gleich-
gesetzten Aussage zukommen:
(ω) Ja = (a ≠ 0) [Formel 1] {(a x) + (a x1)}.
Dasselbe wird = i sein, falls a wirklich ein Punkt ist, und = 0 in
jedem andern Falle. Und zugleich damit ist dann auch
J1a
erklärt als die Verneinung von Ja, besagend, dass a nicht singulär

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0368" n="344"/><fw place="top" type="header">Zweiundzwanzigste Voriesung.</fw><lb/>
Bahn eines sich bewegenden Punktes; die Fläche als Bahn einer Linie,<lb/>
wenn bei der Bewegung der letzteren jedoch auch gestaltliche Änderungen,<lb/>
Deformationen zugelassen werden, bei welchen sie nur ihren Charakter als<lb/>
Linie zu wahren hat, etc. Und wie umgekehrt die Bahn einer Linie ent-<lb/>
weder selbst wieder nur eine Linie (z. B. bei dem sich in sich herum-<lb/>
schwingenden Kreise) oder aber eine Fläche ist, ebenso die Bahn einer<lb/>
Fläche selbst wieder nur eine Fläche (wie bei der auf der Kugelfläche<lb/>
gleitenden Haube derselben) oder aber ein Körper, so würde endlich darauf<lb/>
hinzuweisen sein, wie in der Thatsache, dass die Bahn eines Körpers stets<lb/>
wieder nur ein Körper ist, wiederum die Dreidimensionalität des Raumes<lb/>
zutage tritt (ein Faktum, dem man später auch noch einen schärferen Aus-<lb/>
druck wird zu geben vermögen). &#x2014;</p><lb/>
            <p>Ich schliesse hiermit die begonnene Skizze, bei der ich lediglich den<lb/>
Zweck verfolgte die vier Arten der geometrischen Gebilde auf eine mit<lb/>
der (über allem Zweifel erhabenen) wissenschaftlichen Punktdefinition har-<lb/>
monirende Weise in die Elementargeometrie einzuführen.</p><lb/>
            <p>Ob es mir vorstehend gelungen, wenigstens anzudeuten, wie dies in<lb/>
einer <hi rendition="#i">haltbaren</hi> Weise geschehen könnte, wage ich keineswegs zu ent-<lb/>
scheiden, vielmehr würde ich es begrüssen, wenn durch Kritik und Ver-<lb/>
besserungsvorschläge etwaige Schwächen, Inkonsequenzen oder Lücken in<lb/>
diesen Überlegungen an den Tag gebracht und behoben werden sollten.</p><lb/>
            <p>Möglich auch, dass alle derartigen Versuche ein blosser Notbehelf<lb/>
(auf Kosten der Wissenschaftlichkeit zugunsten der Didaktik) bleiben, und<lb/>
dass wir eben erst nach (und vermittelst) Schöpfung des Reiches der<lb/><hi rendition="#i">Zahlen</hi> &#x2014; gemäss <hi rendition="#g">Dedekind</hi> <hi rendition="#sup">1</hi> &#x2014; in den Stand gelangen, die Natur<lb/>
unsrer Raumanschauung zu untersuchen, dieselbe völlig zu verstehen, an-<lb/>
gemessen zu beschreiben und aus den mit ihr so enge verwachsenen Axiomen<lb/>
streng logisch zu konstruiren. &#x2014;</p><lb/>
            <p>Es muss als wünschenswert erscheinen, dass wir über ein ange-<lb/>
messen kurzes Symbol verfügen, welches ausdrückt, dass ein Gebiet <hi rendition="#i">a</hi><lb/>
ein Punkt sei, resp. dass die Klasse <hi rendition="#i">a</hi> eine singuläre, nämlich <hi rendition="#i">a</hi> ein<lb/>
Individuum bedeute. Wählen wir als solches etwa das Symbol:<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#i">J<hi rendition="#sup">a</hi></hi></hi><lb/>
so wird nach (<hi rendition="#i">&#x03BB;</hi>) diesem der Wert der nachstehend rechts ihm gleich-<lb/>
gesetzten Aussage zukommen:<lb/>
(<hi rendition="#i">&#x03C9;</hi>) <hi rendition="#et"><hi rendition="#i">J<hi rendition="#sup">a</hi></hi> = (<hi rendition="#i">a</hi> &#x2260; 0) <formula/> {(<hi rendition="#i">a</hi> <choice><orig>&#xFFFC;</orig><reg>&#x2286;</reg></choice> <hi rendition="#i">x</hi>) + (<hi rendition="#i">a</hi> <choice><orig>&#xFFFC;</orig><reg>&#x2286;</reg></choice> <hi rendition="#i">x</hi><hi rendition="#sub">1</hi>)}.</hi><lb/>
Dasselbe wird = i sein, falls <hi rendition="#i">a</hi> wirklich ein Punkt ist, und = 0 in<lb/>
jedem andern Falle. Und zugleich damit ist dann auch<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#i">J</hi><hi rendition="#sub">1</hi><hi rendition="#i"><hi rendition="#sup">a</hi></hi></hi><lb/>
erklärt als die Verneinung von <hi rendition="#i">J<hi rendition="#sup">a</hi></hi>, besagend, dass <hi rendition="#i">a</hi> nicht singulär<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[344/0368] Zweiundzwanzigste Voriesung. Bahn eines sich bewegenden Punktes; die Fläche als Bahn einer Linie, wenn bei der Bewegung der letzteren jedoch auch gestaltliche Änderungen, Deformationen zugelassen werden, bei welchen sie nur ihren Charakter als Linie zu wahren hat, etc. Und wie umgekehrt die Bahn einer Linie ent- weder selbst wieder nur eine Linie (z. B. bei dem sich in sich herum- schwingenden Kreise) oder aber eine Fläche ist, ebenso die Bahn einer Fläche selbst wieder nur eine Fläche (wie bei der auf der Kugelfläche gleitenden Haube derselben) oder aber ein Körper, so würde endlich darauf hinzuweisen sein, wie in der Thatsache, dass die Bahn eines Körpers stets wieder nur ein Körper ist, wiederum die Dreidimensionalität des Raumes zutage tritt (ein Faktum, dem man später auch noch einen schärferen Aus- druck wird zu geben vermögen). — Ich schliesse hiermit die begonnene Skizze, bei der ich lediglich den Zweck verfolgte die vier Arten der geometrischen Gebilde auf eine mit der (über allem Zweifel erhabenen) wissenschaftlichen Punktdefinition har- monirende Weise in die Elementargeometrie einzuführen. Ob es mir vorstehend gelungen, wenigstens anzudeuten, wie dies in einer haltbaren Weise geschehen könnte, wage ich keineswegs zu ent- scheiden, vielmehr würde ich es begrüssen, wenn durch Kritik und Ver- besserungsvorschläge etwaige Schwächen, Inkonsequenzen oder Lücken in diesen Überlegungen an den Tag gebracht und behoben werden sollten. Möglich auch, dass alle derartigen Versuche ein blosser Notbehelf (auf Kosten der Wissenschaftlichkeit zugunsten der Didaktik) bleiben, und dass wir eben erst nach (und vermittelst) Schöpfung des Reiches der Zahlen — gemäss Dedekind 1 — in den Stand gelangen, die Natur unsrer Raumanschauung zu untersuchen, dieselbe völlig zu verstehen, an- gemessen zu beschreiben und aus den mit ihr so enge verwachsenen Axiomen streng logisch zu konstruiren. — Es muss als wünschenswert erscheinen, dass wir über ein ange- messen kurzes Symbol verfügen, welches ausdrückt, dass ein Gebiet a ein Punkt sei, resp. dass die Klasse a eine singuläre, nämlich a ein Individuum bedeute. Wählen wir als solches etwa das Symbol: Ja so wird nach (λ) diesem der Wert der nachstehend rechts ihm gleich- gesetzten Aussage zukommen: (ω) Ja = (a ≠ 0) [FORMEL] {(a  x) + (a  x1)}. Dasselbe wird = i sein, falls a wirklich ein Punkt ist, und = 0 in jedem andern Falle. Und zugleich damit ist dann auch J1a erklärt als die Verneinung von Ja, besagend, dass a nicht singulär

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik0201_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik0201_1891/368
Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 1. Leipzig, 1891, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik0201_1891/368>, abgerufen am 02.06.2024.