Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 1. Leipzig, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

Sechzehnte Vorlesung.
einen Sinn hätte, obzwar er dann ungültig wäre, so ist der Gefahr vor-
zubeugen, dass man ihn irrtümlich schon auf Gebiete anwende. Davor
zu warnen ist der oben seiner Chiffre vorgesetzte Stern * bestimmt.

Mit einem solchen wollen wir ähnlich alle Formeln auszeichnen,
denen nur die "engere Geltung" als solchen des Aussagenkalkuls nicht
aber die "weitere" auch im Gebietekalkul zukommt.

Nur da, wo letzteres ohnehin aus der Formel ersichtlich ist, mag
die Beisetzung des Sterns unterbleiben. Jenes spezifische Prinzip des
Aussagenkalkuls: (A = i) = A zum Beispiel kann unmöglich für eine
Formel der Gebieterechnung gehalten werden weil dann rechts in der
Gleichung ein Gebiet stehen würde, während links eine Aussage figu-
rirt (auch dann, wenn A als Gebiet interpretirt wird), und die Gleich-
setzung solcher Aussage mit einer Kreisfläche A keinen Sinn oder
keine Berechtigung haben könnte. Vgl. hiezu noch § 45.

Nunmehr bleibt uns noch die Negation einer Aussage zu erörtern
mitnebst den auf sie bezüglichen Grundsätzen der Logik.

Betrachten wir die Aussage A selbst als ein Objekt des Denkens,
welches einer "gewöhnlichen" Mannigfaltigkeit von denkmöglichen Ob-
jekten angehört, so müsste unter A1 verstanden werden: Alles (aus der
erwähnten Mannigfaltigkeit), was nicht eben diese Aussage A ist --
in Anbetracht, dass ja für jedes Objekt des Denkens bereits der Be-
griff seiner Negation in § 13 aufgestellt worden ist.

Hierbei aber hätten wir die Aussage ohne Rücksicht auf ihren
Sinn oder Gehalt als einen blossen Schall, oder Wortgefüge in Betracht
gezogen, wir wären demnach auch nur dahin gelangt, die Negation der
Aussage A in der suppositio nominalis
zu bilden -- vgl. Bd. 1, S. 44.

Analog würde als Negation von "Pferd" in letzterer Unterstellung zu
bezeichnen sein: alles was nicht das Wort "Pferd" ist, wogegen wir aber
als Negation des Pferdes vielmehr in der suppositio realis anzusehen hatten:
alles, was nicht ein Pferd ist.

Gleichwie nun aber die suppositio nominalis bei unsern Operationen
mit Klassen und Begriffen auszuschliessen war, so wird sie auch stets
auszuschliessen sein bei unsern auf Aussagen bezüglichen Konventionen
und Betrachtungen. Aussagen ziehen wir nach ihrer Geltung in Be-
tracht in Hinsicht dessen, was sie besagen. Es kommt uns darauf an,
den Begriff der Negation in der suppositio realis aufzustellen als einer
Aussagenverneinung in der üblichen landläufigen Bedeutung, und diese
wird als "Negation von A" schlechtweg bezeichnet werden, von dieser
allein soll hier die Rede sein. Zu dem Ende müssen wir uns die im
§ 29 dem Aussagenkalkul gegebene Basis vergegenwärtigen.

Sechzehnte Vorlesung.
einen Sinn hätte, obzwar er dann ungültig wäre, so ist der Gefahr vor-
zubeugen, dass man ihn irrtümlich schon auf Gebiete anwende. Davor
zu warnen ist der oben seiner Chiffre vorgesetzte Stern * bestimmt.

Mit einem solchen wollen wir ähnlich alle Formeln auszeichnen,
denen nur die „engere Geltung“ als solchen des Aussagenkalkuls nicht
aber die „weitere“ auch im Gebietekalkul zukommt.

Nur da, wo letzteres ohnehin aus der Formel ersichtlich ist, mag
die Beisetzung des Sterns unterbleiben. Jenes spezifische Prinzip des
Aussagenkalkuls: (A = i) = A zum Beispiel kann unmöglich für eine
Formel der Gebieterechnung gehalten werden weil dann rechts in der
Gleichung ein Gebiet stehen würde, während links eine Aussage figu-
rirt (auch dann, wenn A als Gebiet interpretirt wird), und die Gleich-
setzung solcher Aussage mit einer Kreisfläche A keinen Sinn oder
keine Berechtigung haben könnte. Vgl. hiezu noch § 45.

Nunmehr bleibt uns noch die Negation einer Aussage zu erörtern
mitnebst den auf sie bezüglichen Grundsätzen der Logik.

Betrachten wir die Aussage A selbst als ein Objekt des Denkens,
welches einer „gewöhnlichen“ Mannigfaltigkeit von denkmöglichen Ob-
jekten angehört, so müsste unter A1 verstanden werden: Alles (aus der
erwähnten Mannigfaltigkeit), was nicht eben diese Aussage A ist
in Anbetracht, dass ja für jedes Objekt des Denkens bereits der Be-
griff seiner Negation in § 13 aufgestellt worden ist.

Hierbei aber hätten wir die Aussage ohne Rücksicht auf ihren
Sinn oder Gehalt als einen blossen Schall, oder Wortgefüge in Betracht
gezogen, wir wären demnach auch nur dahin gelangt, die Negation der
Aussage A in der suppositio nominalis
zu bilden — vgl. Bd. 1, S. 44.

Analog würde als Negation von „Pferd“ in letzterer Unterstellung zu
bezeichnen sein: alles was nicht das Wort „Pferd“ ist, wogegen wir aber
als Negation des Pferdes vielmehr in der suppositio realis anzusehen hatten:
alles, was nicht ein Pferd ist.

Gleichwie nun aber die suppositio nominalis bei unsern Operationen
mit Klassen und Begriffen auszuschliessen war, so wird sie auch stets
auszuschliessen sein bei unsern auf Aussagen bezüglichen Konventionen
und Betrachtungen. Aussagen ziehen wir nach ihrer Geltung in Be-
tracht in Hinsicht dessen, was sie besagen. Es kommt uns darauf an,
den Begriff der Negation in der suppositio realis aufzustellen als einer
Aussagenverneinung in der üblichen landläufigen Bedeutung, und diese
wird als „Negation von A“ schlechtweg bezeichnet werden, von dieser
allein soll hier die Rede sein. Zu dem Ende müssen wir uns die im
§ 29 dem Aussagenkalkul gegebene Basis vergegenwärtigen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0082" n="58"/><fw place="top" type="header">Sechzehnte Vorlesung.</fw><lb/>
einen Sinn hätte, obzwar er dann ungültig wäre, so ist der Gefahr vor-<lb/>
zubeugen, dass man ihn irrtümlich schon auf Gebiete anwende. Davor<lb/>
zu warnen ist der oben seiner Chiffre vorgesetzte <hi rendition="#i">Stern</hi> * bestimmt.</p><lb/>
            <p>Mit einem solchen wollen wir ähnlich alle Formeln auszeichnen,<lb/>
denen nur die &#x201E;<hi rendition="#i">engere Geltung</hi>&#x201C; als solchen des Aussagenkalkuls <hi rendition="#i">nicht</hi><lb/>
aber die &#x201E;<hi rendition="#i">weitere</hi>&#x201C; auch im Gebietekalkul zukommt.</p><lb/>
            <p>Nur da, wo letzteres ohnehin aus der Formel ersichtlich ist, mag<lb/>
die Beisetzung des Sterns unterbleiben. Jenes spezifische Prinzip des<lb/>
Aussagenkalkuls: (<hi rendition="#i">A</hi> = i) = <hi rendition="#i">A</hi> zum Beispiel kann unmöglich für eine<lb/>
Formel der Gebieterechnung gehalten werden weil dann rechts in der<lb/>
Gleichung ein Gebiet stehen würde, während links eine Aussage figu-<lb/>
rirt (auch dann, wenn <hi rendition="#i">A</hi> als Gebiet interpretirt wird), und die Gleich-<lb/>
setzung solcher Aussage mit einer Kreisfläche <hi rendition="#i">A</hi> keinen Sinn oder<lb/>
keine Berechtigung haben könnte. Vgl. hiezu noch § 45.</p><lb/>
            <p>Nunmehr bleibt uns noch die <hi rendition="#i">Negation einer Aussage</hi> zu erörtern<lb/>
mitnebst den auf sie bezüglichen Grundsätzen der Logik.</p><lb/>
            <p>Betrachten wir die Aussage <hi rendition="#i">A</hi> selbst als ein Objekt des Denkens,<lb/>
welches einer &#x201E;gewöhnlichen&#x201C; Mannigfaltigkeit von denkmöglichen Ob-<lb/>
jekten angehört, so müsste unter <hi rendition="#i">A</hi><hi rendition="#sub">1</hi> verstanden werden: Alles (aus der<lb/>
erwähnten Mannigfaltigkeit), was <hi rendition="#i">nicht</hi> eben diese Aussage <hi rendition="#i">A ist</hi> &#x2014;<lb/>
in Anbetracht, dass ja für jedes Objekt des Denkens bereits der Be-<lb/>
griff seiner Negation in § 13 aufgestellt worden ist.</p><lb/>
            <p>Hierbei aber hätten wir die Aussage ohne Rücksicht auf ihren<lb/>
Sinn oder Gehalt als einen blossen Schall, oder Wortgefüge in Betracht<lb/>
gezogen, wir wären demnach auch nur dahin gelangt, die <hi rendition="#i">Negation der<lb/>
Aussage A in der suppositio nominalis</hi> zu bilden &#x2014; vgl. Bd. 1, S. 44.</p><lb/>
            <p>Analog würde als Negation von &#x201E;Pferd&#x201C; in letzterer Unterstellung zu<lb/>
bezeichnen sein: alles was nicht das Wort &#x201E;Pferd&#x201C; ist, wogegen wir aber<lb/>
als Negation des Pferdes vielmehr in der suppositio realis anzusehen hatten:<lb/>
alles, was nicht ein Pferd ist.</p><lb/>
            <p>Gleichwie nun aber die suppositio nominalis bei unsern Operationen<lb/>
mit Klassen und Begriffen auszuschliessen war, so wird sie auch stets<lb/><hi rendition="#i">auszuschliessen</hi> sein bei unsern auf Aussagen bezüglichen Konventionen<lb/>
und Betrachtungen. Aussagen ziehen wir nach ihrer <hi rendition="#i">Geltung</hi> in Be-<lb/>
tracht in Hinsicht dessen, was sie besagen. Es kommt uns darauf an,<lb/>
den Begriff der <hi rendition="#i">Negation in der suppositio realis</hi> aufzustellen als einer<lb/><hi rendition="#i">Aussagenverneinung</hi> in der üblichen landläufigen Bedeutung, und diese<lb/>
wird als &#x201E;Negation von <hi rendition="#i">A</hi>&#x201C; schlechtweg bezeichnet werden, von dieser<lb/>
allein soll hier die Rede sein. Zu dem Ende müssen wir uns die im<lb/>
§ 29 dem Aussagenkalkul gegebene Basis vergegenwärtigen.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[58/0082] Sechzehnte Vorlesung. einen Sinn hätte, obzwar er dann ungültig wäre, so ist der Gefahr vor- zubeugen, dass man ihn irrtümlich schon auf Gebiete anwende. Davor zu warnen ist der oben seiner Chiffre vorgesetzte Stern * bestimmt. Mit einem solchen wollen wir ähnlich alle Formeln auszeichnen, denen nur die „engere Geltung“ als solchen des Aussagenkalkuls nicht aber die „weitere“ auch im Gebietekalkul zukommt. Nur da, wo letzteres ohnehin aus der Formel ersichtlich ist, mag die Beisetzung des Sterns unterbleiben. Jenes spezifische Prinzip des Aussagenkalkuls: (A = i) = A zum Beispiel kann unmöglich für eine Formel der Gebieterechnung gehalten werden weil dann rechts in der Gleichung ein Gebiet stehen würde, während links eine Aussage figu- rirt (auch dann, wenn A als Gebiet interpretirt wird), und die Gleich- setzung solcher Aussage mit einer Kreisfläche A keinen Sinn oder keine Berechtigung haben könnte. Vgl. hiezu noch § 45. Nunmehr bleibt uns noch die Negation einer Aussage zu erörtern mitnebst den auf sie bezüglichen Grundsätzen der Logik. Betrachten wir die Aussage A selbst als ein Objekt des Denkens, welches einer „gewöhnlichen“ Mannigfaltigkeit von denkmöglichen Ob- jekten angehört, so müsste unter A1 verstanden werden: Alles (aus der erwähnten Mannigfaltigkeit), was nicht eben diese Aussage A ist — in Anbetracht, dass ja für jedes Objekt des Denkens bereits der Be- griff seiner Negation in § 13 aufgestellt worden ist. Hierbei aber hätten wir die Aussage ohne Rücksicht auf ihren Sinn oder Gehalt als einen blossen Schall, oder Wortgefüge in Betracht gezogen, wir wären demnach auch nur dahin gelangt, die Negation der Aussage A in der suppositio nominalis zu bilden — vgl. Bd. 1, S. 44. Analog würde als Negation von „Pferd“ in letzterer Unterstellung zu bezeichnen sein: alles was nicht das Wort „Pferd“ ist, wogegen wir aber als Negation des Pferdes vielmehr in der suppositio realis anzusehen hatten: alles, was nicht ein Pferd ist. Gleichwie nun aber die suppositio nominalis bei unsern Operationen mit Klassen und Begriffen auszuschliessen war, so wird sie auch stets auszuschliessen sein bei unsern auf Aussagen bezüglichen Konventionen und Betrachtungen. Aussagen ziehen wir nach ihrer Geltung in Be- tracht in Hinsicht dessen, was sie besagen. Es kommt uns darauf an, den Begriff der Negation in der suppositio realis aufzustellen als einer Aussagenverneinung in der üblichen landläufigen Bedeutung, und diese wird als „Negation von A“ schlechtweg bezeichnet werden, von dieser allein soll hier die Rede sein. Zu dem Ende müssen wir uns die im § 29 dem Aussagenkalkul gegebene Basis vergegenwärtigen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik0201_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik0201_1891/82
Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 1. Leipzig, 1891, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik0201_1891/82>, abgerufen am 25.11.2024.