Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 2. Leipzig, 1905.Siebenundzwanzigste Vorlesung. scheint in manchen seiner Formen, wie "A ist wirklich, ist thatsächlichB" solche Denknotwendigkeit noch zuzulassen, sie wenigstens nicht gerade auszuschliessen; in anderen Formen, wie "A ist (nur) zufällig B" stellt es diese Denknotwendigkeit ausdrücklich in Abrede und be- zeichnet die Verneinung des Urteils als denkmöglich, wenn auch als nicht der Wirklichkeit entsprechend. Dieser Unterschied zwischen "apodiktisch" und "assertorisch" in- Dies dürfte unbestritten bleiben in Bezug auf anerkannt apodiktische Ohne dass Denknotwendigkeiten mitspielen, -- mögen dieselben Selbst bei Urteilen wie "ich will dies", welche den eigenen Empfindungs- Gänzlich verfehlt ist es jedenfalls, -- wie die genannten Philosophen Siebenundzwanzigste Vorlesung. scheint in manchen seiner Formen, wie „A ist wirklich, ist thatsächlichB“ solche Denknotwendigkeit noch zuzulassen, sie wenigstens nicht gerade auszuschliessen; in anderen Formen, wie „A ist (nur) zufällig B“ stellt es diese Denknotwendigkeit ausdrücklich in Abrede und be- zeichnet die Verneinung des Urteils als denkmöglich, wenn auch als nicht der Wirklichkeit entsprechend. Dieser Unterschied zwischen „apodiktisch“ und „assertorisch“ in- Dies dürfte unbestritten bleiben in Bezug auf anerkannt apodiktische Ohne dass Denknotwendigkeiten mitspielen, — mögen dieselben Selbst bei Urteilen wie „ich will dies“, welche den eigenen Empfindungs- Gänzlich verfehlt ist es jedenfalls, — wie die genannten Philosophen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0152" n="508"/><fw place="top" type="header">Siebenundzwanzigste Vorlesung.</fw><lb/> scheint in manchen seiner Formen, wie „<hi rendition="#i">A</hi> ist <hi rendition="#i">wirklich</hi>, ist <hi rendition="#i">thatsächlich<lb/> B</hi>“ solche Denknotwendigkeit noch zuzulassen, sie wenigstens nicht<lb/> gerade auszuschliessen; in anderen Formen, wie „<hi rendition="#i">A</hi> ist (nur) <hi rendition="#i">zufällig<lb/> B</hi>“ stellt es diese Denknotwendigkeit ausdrücklich in Abrede und be-<lb/> zeichnet die Verneinung des Urteils als <hi rendition="#i">denk</hi>möglich, wenn auch als<lb/> nicht der Wirklichkeit entsprechend.</p><lb/> <p>Dieser Unterschied zwischen „apodiktisch“ und „assertorisch“ in-<lb/> dessen ist, so gefasst, überhaupt kein logischer, sondern blos ein<lb/> psychologischer; in logischer Beziehung erscheint es subjektivem Be-<lb/> lieben anheimgegeben, ob man das Urteil <hi rendition="#i">A <g ref="subeq"/> B</hi>, nachdem dasselbe<lb/> einmal als gewiss richtig erkannt ist, als assertorisches „<hi rendition="#i">A</hi> ist <hi rendition="#i">B</hi>“ oder<lb/> als das apodiktische „<hi rendition="#i">A</hi> muss <hi rendition="#i">B</hi> sein“ formuliren will.</p><lb/> <p>Dies dürfte unbestritten bleiben in Bezug auf anerkannt apodiktische<lb/> Urteile, wie „2 × 2 ist 4“ oder „muss 4 sein“. 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Siebenundzwanzigste Vorlesung.
scheint in manchen seiner Formen, wie „A ist wirklich, ist thatsächlich
B“ solche Denknotwendigkeit noch zuzulassen, sie wenigstens nicht
gerade auszuschliessen; in anderen Formen, wie „A ist (nur) zufällig
B“ stellt es diese Denknotwendigkeit ausdrücklich in Abrede und be-
zeichnet die Verneinung des Urteils als denkmöglich, wenn auch als
nicht der Wirklichkeit entsprechend.
Dieser Unterschied zwischen „apodiktisch“ und „assertorisch“ in-
dessen ist, so gefasst, überhaupt kein logischer, sondern blos ein
psychologischer; in logischer Beziehung erscheint es subjektivem Be-
lieben anheimgegeben, ob man das Urteil A B, nachdem dasselbe
einmal als gewiss richtig erkannt ist, als assertorisches „A ist B“ oder
als das apodiktische „A muss B sein“ formuliren will.
Dies dürfte unbestritten bleiben in Bezug auf anerkannt apodiktische
Urteile, wie „2 × 2 ist 4“ oder „muss 4 sein“. Aber auch wer z. B. nach
der Uhr sah, mag assertorisch sagen „es ist vier Uhr“, ebensogut aber auch
apodiktisch: „es muss vier Uhr sein;“ (nämlich nachdem bekannt ist, dass
die Uhr richtig geht und richtig abgelesen wurde).
Ohne dass Denknotwendigkeiten mitspielen, — mögen dieselben
psychologisch auch nicht immer zum Bewusstsein gelangen, — kann
überhaupt kein Urteil zustande kommen, auch nicht ein assertorisches.
Immer müssen doch Gründe vorhanden sein, welche zur Aufstellung des
Urteils „A ist B“ veranlassen und berechtigen (Kausalitätsgesetz!);
andernfalls wäre diese Behauptung eine willkürliche Annahme und
überhaupt keiner Gewissheit teilhaftig, also ebensowenig assertorisch,
wie apodiktisch.
Selbst bei Urteilen wie „ich will dies“, welche den eigenen Empfindungs-
oder Willenszustand des Urteilenden statuiren, ist eine Berufung auf die
Denknotwendigkeit möglich, welche von dem Innewerden des eigenen Zu-
standes zur Abgabe des Urteils führt: „ich muss wollen, ich will gewiss“
statt „ich will“!
Gänzlich verfehlt ist es jedenfalls, — wie die genannten Philosophen
ausgeführt haben, — den apodiktischen Urteilen einen höhern Grad
von Gewissheit zuzuschreiben, als den assertorischen, sofern man glaubt,
den letzteren überhaupt Gewissheit zuschreiben zu dürfen. Im Gegen-
teil gibt ein als Ergebniss von Schlüssen in apodiktischer Form auf-
gestelltes Urteil „A muss B sein“ Zweifeln Raum an der Vollständig-
keit der Prämissen sowol als an der Bündigkeit der Schlusskette, die
auf das Urteil führte, und pflegt daher weniger Zutrauen zu finden
und zu verdienen, als das etwa auf Grund unmittelbarer Wahrnehmung
assertorisch abgegebene Urteil „A ist B“, — wie die Genannten durch
eine Reihe schlagender Beispiele erhärten.
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