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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 2. Leipzig, 1905.

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§ 56. Über die Modalität der Urteile.

"Apodiktischer Charakter" kommt jedenfalls allen "apriorischen"
oder "analytischen" Wahrheiten ("Truismen") zu, (wie: "schwarze Pferde
sind schwarz", "2 x 2 ist 4"), die wir in § 20 bereits betrachtet haben.
Sie erscheinen in den einfacheren Fällen als "nichtssagend," "selbst-
verständlich", "evident" und sind uns dann unmittelbar mit dem Sinn
der Wörter und der Herrschaft über die Zeichen gegeben, indem sie
weiter nichts zum Ausdruck bringen als Gesetze, die den richtigen Ge-
brauch jener bestimmen und regeln. In den verwickelteren Fällen sind
sie doch in den vorigen und etwa noch weiterhin aufgestellten Definitionen
denknotwendig enthalten, mögen die Schlussreihen, mittelst welcher
dies klargestellt wird, auch noch so mühsame und langwierige sein.

Es gilt nämlich für apodiktische Urteile der bezeichneten Art mit
Denknotwendigkeit der Satz: Jede Konklusion aus lauter analytisch-apo-
diktischen Prämissen hat wiederum apodiktische Geltung

Dieser Satz ist dagegen keineswegs umkehrbar, da man auch aus
problematischen Prämissen nach dem Aussagensatz a b a alle einzelnen,
jederzeit -- stillschweigend oder ausdrücklich -- zugleich mit voraus-
gesetzten analytischen Thatsachen folgerichtig herleiten kann. -- Nicht
immer also richtet sich die Konklusion in ihrer Modalität nach der
"schwächsten" Prämisse!

Zu den apodiktischen Urteilen der hier besprochenen Art gehören
jedenfalls die "Wahrheiten" der Logik und der (dieser eingeordneten)
Arithmetik, -- der beiden einzigen vonhauseaus rein deduktiven Disziplinen, --
dagegen nicht die "geometrischen Wahrheiten"; mögen auch deren Axiome
eine gewisse psychologische Denknotwendigkeit besitzen aufgrund unserer
von uns erworbenen Raum-Anschauung, so ist doch durch die Nicht-Eukli-
dische oder Pangeometrie erwiesen, dass diese Axiome der logischen Denk-
notwendigkeit ermangeln, nämlich ohne Widerspruch auch anders gedacht
werden können. Noch weniger gehören dazu "physikalische Wahrheiten",
die sich auf irgend ein Naturgesetz, z. B. das Gesetz der Schwere, stützen.

Apodiktischen Charakter pflegt man nun aber gemeinhin auch
einem Urteil zuzuschreiben in relativem Sinne, mit Bezugnahme auf
ein bestimmtes System von Voraussetzungen, als Konventionen oder
Festsetzungen, Annahmen, Hypothesen oder Axiomen, denen auch die
anerkannten Prinzipien einer Disziplin, wie Naturgesetze, Rechtsnormen,
u. dergl. zuzuzählen sind.

Solche Voraussetzungen sind dann entweder völlig willkürliche
Annahmen, ad hoc gemacht um zuzusehen, was etwa aus ihnen folgen
würde. Oder sie treten auf mit dem Anspruch auf eine gewisse
Glaubwürdigkeit oder mindestens auf Zulässigkeit, indem sie sich dabei
auf schon vorhandene Erkenntnisselemente berufen, zu deren Zustande-
kommen auch Wahrnehmung und eventuell induktive Schlüsse mit-

§ 56. Über die Modalität der Urteile.

„Apodiktischer Charakter“ kommt jedenfalls allen „apriorischen“
oder „analytischen“ Wahrheiten („Truismen“) zu, (wie: „schwarze Pferde
sind schwarz“, „2 × 2 ist 4“), die wir in § 20 bereits betrachtet haben.
Sie erscheinen in den einfacheren Fällen als „nichtssagend,“ „selbst-
verständlich“, „evident“ und sind uns dann unmittelbar mit dem Sinn
der Wörter und der Herrschaft über die Zeichen gegeben, indem sie
weiter nichts zum Ausdruck bringen als Gesetze, die den richtigen Ge-
brauch jener bestimmen und regeln. In den verwickelteren Fällen sind
sie doch in den vorigen und etwa noch weiterhin aufgestellten Definitionen
denknotwendig enthalten, mögen die Schlussreihen, mittelst welcher
dies klargestellt wird, auch noch so mühsame und langwierige sein.

Es gilt nämlich für apodiktische Urteile der bezeichneten Art mit
Denknotwendigkeit der Satz: Jede Konklusion aus lauter analytisch-apo-
diktischen Prämissen hat wiederum apodiktische Geltung

Dieser Satz ist dagegen keineswegs umkehrbar, da man auch aus
problematischen Prämissen nach dem Aussagensatz a b a alle einzelnen,
jederzeit — stillschweigend oder ausdrücklich — zugleich mit voraus-
gesetzten analytischen Thatsachen folgerichtig herleiten kann. — Nicht
immer also richtet sich die Konklusion in ihrer Modalität nach der
„schwächsten“ Prämisse!

Zu den apodiktischen Urteilen der hier besprochenen Art gehören
jedenfalls die „Wahrheiten“ der Logik und der (dieser eingeordneten)
Arithmetik, — der beiden einzigen vonhauseaus rein deduktiven Disziplinen, —
dagegen nicht die „geometrischen Wahrheiten“; mögen auch deren Axiome
eine gewisse psychologische Denknotwendigkeit besitzen aufgrund unserer
von uns erworbenen Raum-Anschauung, so ist doch durch die Nicht-Eukli-
dische oder Pangeometrie erwiesen, dass diese Axiome der logischen Denk-
notwendigkeit ermangeln, nämlich ohne Widerspruch auch anders gedacht
werden können. Noch weniger gehören dazu „physikalische Wahrheiten“,
die sich auf irgend ein Naturgesetz, z. B. das Gesetz der Schwere, stützen.

Apodiktischen Charakter pflegt man nun aber gemeinhin auch
einem Urteil zuzuschreiben in relativem Sinne, mit Bezugnahme auf
ein bestimmtes System von Voraussetzungen, als Konventionen oder
Festsetzungen, Annahmen, Hypothesen oder Axiomen, denen auch die
anerkannten Prinzipien einer Disziplin, wie Naturgesetze, Rechtsnormen,
u. dergl. zuzuzählen sind.

Solche Voraussetzungen sind dann entweder völlig willkürliche
Annahmen, ad hoc gemacht um zuzusehen, was etwa aus ihnen folgen
würde. Oder sie treten auf mit dem Anspruch auf eine gewisse
Glaubwürdigkeit oder mindestens auf Zulässigkeit, indem sie sich dabei
auf schon vorhandene Erkenntnisselemente berufen, zu deren Zustande-
kommen auch Wahrnehmung und eventuell induktive Schlüsse mit-

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[509/0153] § 56. Über die Modalität der Urteile. „Apodiktischer Charakter“ kommt jedenfalls allen „apriorischen“ oder „analytischen“ Wahrheiten („Truismen“) zu, (wie: „schwarze Pferde sind schwarz“, „2 × 2 ist 4“), die wir in § 20 bereits betrachtet haben. Sie erscheinen in den einfacheren Fällen als „nichtssagend,“ „selbst- verständlich“, „evident“ und sind uns dann unmittelbar mit dem Sinn der Wörter und der Herrschaft über die Zeichen gegeben, indem sie weiter nichts zum Ausdruck bringen als Gesetze, die den richtigen Ge- brauch jener bestimmen und regeln. In den verwickelteren Fällen sind sie doch in den vorigen und etwa noch weiterhin aufgestellten Definitionen denknotwendig enthalten, mögen die Schlussreihen, mittelst welcher dies klargestellt wird, auch noch so mühsame und langwierige sein. Es gilt nämlich für apodiktische Urteile der bezeichneten Art mit Denknotwendigkeit der Satz: Jede Konklusion aus lauter analytisch-apo- diktischen Prämissen hat wiederum apodiktische Geltung Dieser Satz ist dagegen keineswegs umkehrbar, da man auch aus problematischen Prämissen nach dem Aussagensatz a b a alle einzelnen, jederzeit — stillschweigend oder ausdrücklich — zugleich mit voraus- gesetzten analytischen Thatsachen folgerichtig herleiten kann. — Nicht immer also richtet sich die Konklusion in ihrer Modalität nach der „schwächsten“ Prämisse! Zu den apodiktischen Urteilen der hier besprochenen Art gehören jedenfalls die „Wahrheiten“ der Logik und der (dieser eingeordneten) Arithmetik, — der beiden einzigen vonhauseaus rein deduktiven Disziplinen, — dagegen nicht die „geometrischen Wahrheiten“; mögen auch deren Axiome eine gewisse psychologische Denknotwendigkeit besitzen aufgrund unserer von uns erworbenen Raum-Anschauung, so ist doch durch die Nicht-Eukli- dische oder Pangeometrie erwiesen, dass diese Axiome der logischen Denk- notwendigkeit ermangeln, nämlich ohne Widerspruch auch anders gedacht werden können. Noch weniger gehören dazu „physikalische Wahrheiten“, die sich auf irgend ein Naturgesetz, z. B. das Gesetz der Schwere, stützen. Apodiktischen Charakter pflegt man nun aber gemeinhin auch einem Urteil zuzuschreiben in relativem Sinne, mit Bezugnahme auf ein bestimmtes System von Voraussetzungen, als Konventionen oder Festsetzungen, Annahmen, Hypothesen oder Axiomen, denen auch die anerkannten Prinzipien einer Disziplin, wie Naturgesetze, Rechtsnormen, u. dergl. zuzuzählen sind. Solche Voraussetzungen sind dann entweder völlig willkürliche Annahmen, ad hoc gemacht um zuzusehen, was etwa aus ihnen folgen würde. Oder sie treten auf mit dem Anspruch auf eine gewisse Glaubwürdigkeit oder mindestens auf Zulässigkeit, indem sie sich dabei auf schon vorhandene Erkenntnisselemente berufen, zu deren Zustande- kommen auch Wahrnehmung und eventuell induktive Schlüsse mit-

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 2. Leipzig, 1905, S. 509. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik0202_1905/153>, abgerufen am 24.11.2024.