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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 2. Leipzig, 1905.

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Vierundzwanzigste Vorlesung.

Die Verallgemeinerung konnte deshalb blos als eine "formelle"
bezeichnet werden. Wesentlich haben wir nur eine Vereinfachung des
Ausdrucks jener Theoreme damit gewonnen.

Diesen reihen sich nun noch ein paar Sätze an, bei denen ich
ebenso wie bei den vorigen -- namentlich im Interesse des dritten
Bandes -- Gewicht darauf legen muss, sie statuirt zu haben. Zunächst:

Zwei Funktionen, welche nach einem System von solch disjunkten
Konstituenten "entwickelt" sind, m. a. W: Zwei homogen lineare Funktionen
von den nämlichen disjunkten Argumenten können nicht anders einander
gleich sein
, als indem die (inbezug auf diese Argumente) gleichnamigen
Glieder für sich jeweils einander gleich sind;
kurz: einander gleiche
Funktionen derart müssen gliedweise übereinstimmen. In Zeichen: ist
a x + b y + c z + ... = a x + b y + g z + ...,
und sind die x, y, z, ... wie oben disjunkt, so muss sein:
a x = a x, b y = b y, c z = g z, ....

Beweis. Multiplikation der ersten Prämisse beiderseits mit x gibt
wegen x y = x z = ... = 0 sofort a x = a x; etc. q. e. d.

Umkehren lässt sich der Satz nur insofern, als die Gleichungen der
"Behauptung" ihrerseits selbstverständlich (durch Überaddiren) die erste
Prämisse garantiren.

Formell mit Beschränkung auf im Boole'schen Sinne entwickelte
Funktionen wurde obigen Satzes schon einmal (Bd. 2, S. 309 f.) beiläufig
Erwähnung gethan.

Aus der Übereinstimmung der gleichnamigen Glieder kann nun
im allgemeinen nicht auf die Gleichheit ihrer Koeffizienten geschlossen
werden; aus a x = a x folgt bekanntlich nicht, dass a = a sein müsse.

Wol aber lässt sich diese Gleichheit beweisen, wenn von den
Koeffizienten a und a etwa noch bekannt sein sollte, dass sie (gleich-
wie Aussagen) lediglich der Werte 0 und 1 fähig seien, und wenn
man ausserdem weiss, dass x 0 ist. Hier würde nämlich die An-
nahme, dass a und a nicht entweder gleichzeitig = 1, oder alle beide
= 0 wären, die Annahme also, dass der eine Koeffizient 1, der andere
dagegen 0 wäre, zu dem Widerspruche x = 0 mit der letztern Voraus-
setzung führen.

Sonach können wir sagen:

Wenn zwei Funktionen der nämlichen unter sich disjunkten und
von
0 verschiedenen Argumente*) einander gleich sein sollen, und wenn
die Koeffizienten ihrer Entwicklung nach diesen Argumenten auf den

*) Solche werden überaus häufig vorkommen; der Fall liegt namentlich allemal
vor, wenn die Argumente "Individuen" sind.
Vierundzwanzigste Vorlesung.

Die Verallgemeinerung konnte deshalb blos als eine „formelle“
bezeichnet werden. Wesentlich haben wir nur eine Vereinfachung des
Ausdrucks jener Theoreme damit gewonnen.

Diesen reihen sich nun noch ein paar Sätze an, bei denen ich
ebenso wie bei den vorigen — namentlich im Interesse des dritten
Bandes — Gewicht darauf legen muss, sie statuirt zu haben. Zunächst:

Zwei Funktionen, welche nach einem System von solch disjunkten
Konstituenten „entwickelt“ sind, m. a. W: Zwei homogen lineare Funktionen
von den nämlichen disjunkten Argumenten können nicht anders einander
gleich sein
, als indem die (inbezug auf diese Argumente) gleichnamigen
Glieder für sich jeweils einander gleich sind;
kurz: einander gleiche
Funktionen derart müssen gliedweise übereinstimmen. In Zeichen: ist
a x + b y + c z + … = α x + β y + γ z + …,
und sind die x, y, z, … wie oben disjunkt, so muss sein:
a x = α x, b y = β y, c z = γ z, ….

Beweis. Multiplikation der ersten Prämisse beiderseits mit x gibt
wegen x y = x z = … = 0 sofort a x = α x; etc. q. e. d.

Umkehren lässt sich der Satz nur insofern, als die Gleichungen der
„Behauptung“ ihrerseits selbstverständlich (durch Überaddiren) die erste
Prämisse garantiren.

Formell mit Beschränkung auf im Boole’schen Sinne entwickelte
Funktionen wurde obigen Satzes schon einmal (Bd. 2, S. 309 f.) beiläufig
Erwähnung gethan.

Aus der Übereinstimmung der gleichnamigen Glieder kann nun
im allgemeinen nicht auf die Gleichheit ihrer Koeffizienten geschlossen
werden; aus a x = α x folgt bekanntlich nicht, dass a = α sein müsse.

Wol aber lässt sich diese Gleichheit beweisen, wenn von den
Koeffizienten a und α etwa noch bekannt sein sollte, dass sie (gleich-
wie Aussagen) lediglich der Werte 0 und 1 fähig seien, und wenn
man ausserdem weiss, dass x ≠ 0 ist. Hier würde nämlich die An-
nahme, dass a und α nicht entweder gleichzeitig = 1, oder alle beide
= 0 wären, die Annahme also, dass der eine Koeffizient 1, der andere
dagegen 0 wäre, zu dem Widerspruche x = 0 mit der letztern Voraus-
setzung führen.

Sonach können wir sagen:

Wenn zwei Funktionen der nämlichen unter sich disjunkten und
von
0 verschiedenen Argumente*) einander gleich sein sollen, und wenn
die Koeffizienten ihrer Entwicklung nach diesen Argumenten auf den

*) Solche werden überaus häufig vorkommen; der Fall liegt namentlich allemal
vor, wenn die Argumente „Individuen“ sind.
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[408/0052] Vierundzwanzigste Vorlesung. Die Verallgemeinerung konnte deshalb blos als eine „formelle“ bezeichnet werden. Wesentlich haben wir nur eine Vereinfachung des Ausdrucks jener Theoreme damit gewonnen. Diesen reihen sich nun noch ein paar Sätze an, bei denen ich ebenso wie bei den vorigen — namentlich im Interesse des dritten Bandes — Gewicht darauf legen muss, sie statuirt zu haben. Zunächst: Zwei Funktionen, welche nach einem System von solch disjunkten Konstituenten „entwickelt“ sind, m. a. W: Zwei homogen lineare Funktionen von den nämlichen disjunkten Argumenten können nicht anders einander gleich sein, als indem die (inbezug auf diese Argumente) gleichnamigen Glieder für sich jeweils einander gleich sind; kurz: einander gleiche Funktionen derart müssen gliedweise übereinstimmen. In Zeichen: ist a x + b y + c z + … = α x + β y + γ z + …, und sind die x, y, z, … wie oben disjunkt, so muss sein: a x = α x, b y = β y, c z = γ z, …. Beweis. Multiplikation der ersten Prämisse beiderseits mit x gibt wegen x y = x z = … = 0 sofort a x = α x; etc. q. e. d. Umkehren lässt sich der Satz nur insofern, als die Gleichungen der „Behauptung“ ihrerseits selbstverständlich (durch Überaddiren) die erste Prämisse garantiren. Formell mit Beschränkung auf im Boole’schen Sinne entwickelte Funktionen wurde obigen Satzes schon einmal (Bd. 2, S. 309 f.) beiläufig Erwähnung gethan. Aus der Übereinstimmung der gleichnamigen Glieder kann nun im allgemeinen nicht auf die Gleichheit ihrer Koeffizienten geschlossen werden; aus a x = α x folgt bekanntlich nicht, dass a = α sein müsse. Wol aber lässt sich diese Gleichheit beweisen, wenn von den Koeffizienten a und α etwa noch bekannt sein sollte, dass sie (gleich- wie Aussagen) lediglich der Werte 0 und 1 fähig seien, und wenn man ausserdem weiss, dass x ≠ 0 ist. Hier würde nämlich die An- nahme, dass a und α nicht entweder gleichzeitig = 1, oder alle beide = 0 wären, die Annahme also, dass der eine Koeffizient 1, der andere dagegen 0 wäre, zu dem Widerspruche x = 0 mit der letztern Voraus- setzung führen. Sonach können wir sagen: Wenn zwei Funktionen der nämlichen unter sich disjunkten und von 0 verschiedenen Argumente *) einander gleich sein sollen, und wenn die Koeffizienten ihrer Entwicklung nach diesen Argumenten auf den *) Solche werden überaus häufig vorkommen; der Fall liegt namentlich allemal vor, wenn die Argumente „Individuen“ sind.

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 2. Leipzig, 1905, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik0202_1905/52>, abgerufen am 21.11.2024.