Dem Anfänger erscheint es vielleicht als befremdend, dass ungeachtet der Äquivalenz der beiden Aussagen
[Formel 1]
und f(x) = x, wie sie 14) konstatirt, die erste zur Charakterisirung des f(u) als der allgemeinen Wurzel von 1) hinreicht, die letztere nicht. Für das gedachte f, welches der Forderung 3) mitsamt der adventiven 4) genügt, treffen in der That beide Aussagen immer gleichzeitig zu, sobald x eine Wurzel der Glei- chung 1) ist, und sie treffen alle beide nicht zu falls x ein andres Re- lativ (keine Wurzel) vorstellt. Sie sind äquivalent. Darum sind sie aber noch nicht äquipollent. Die Sätze, dass 2 x 2 = 4 ist und dass Materie unzerstörbar sei, sind ebenfalls äquivalent. Darum kann aber der erstere doch nicht zur Charakterisirung, Definition der Materie mitverwendet werden, obwol vielleicht der zweite.
Dass der adventiven Forderung 4) neben 3) immer genügt werden kann durch Aufstellung einer geeigneten Funktion f(u) haben wir an der "rigorosen" Lösung gesehen.
Es wird aber der Forderung 3) -- ja beiden Forderungen zu- gleich -- sich noch in unbegrenzt mannigfaltiger Weise genügen lassen. Und dieser Umstand lässt als einen dritten Gesichtspunkt, welcher die Zuziehung der adventiven Forderung motivirt, den hervortreten: dass wir darauf ausgehen müssen unser Problem zu einem bestimm- teren zu gestalten, den Begriff "einer" allgemeinen Lösung so zu prä- zisiren, dass für ein bestimmtes Problem gesprochen werden könne von "der" allgemeinen Lösung desselben, von "seiner" Lösung schlechtweg in einem feststehenden Sinne.
Schon im identischen Kalkul sind Funktionen angebbar, die aller Werte fähig sind. Z. B. cu + cnun ist eine solche, irgendwie gelegen zwischen ccn = 0 und c + cn = 1 -- vergl. Bd. 1, S. 427. Und lassen wir c unbestimmt, so haben wir deren eine unbegrenzte Menge.
Umsomehr wird zuzugeben sein, dass es auch in der Algebra der Relative Funktionen gebe, die, wenn mit ph(u) bezeichnet, je nach dem Werte den man u beilegt fähig sind, den Wert jedes gewünschten Relativs zwischen 0 und 1 (inclusive) anzunehmen. Funktionen ph(u) von dieser Eigenschaft gibt es in der That in unendlicher Fülle: ph(u) = un oder u oder un sind weitere (die einfachsten) Beispiele von solchen ...
Ist ph(u) dergestalt aller Werte fähig ("unbeschränkt variabel") und zwar x = f(u) eine allgemeine Lösung von 1) im früheren, zu- nächst noch "weiteren", blos durch 3) limitirten Sinne, so wird offen- bar auch 15) x = f{ph(u)} wieder "eine allgemeine Lösung" in diesem weitern Sinne sein.
Fünfte Vorlesung.
Dem Anfänger erscheint es vielleicht als befremdend, dass ungeachtet der Äquivalenz der beiden Aussagen
[Formel 1]
und f(x) = x, wie sie 14) konstatirt, die erste zur Charakterisirung des f(u) als der allgemeinen Wurzel von 1) hinreicht, die letztere nicht. Für das gedachte f, welches der Forderung 3) mitsamt der adventiven 4) genügt, treffen in der That beide Aussagen immer gleichzeitig zu, sobald x eine Wurzel der Glei- chung 1) ist, und sie treffen alle beide nicht zu falls x ein andres Re- lativ (keine Wurzel) vorstellt. Sie sind äquivalent. Darum sind sie aber noch nicht äquipollent. Die Sätze, dass 2 × 2 = 4 ist und dass Materie unzerstörbar sei, sind ebenfalls äquivalent. Darum kann aber der erstere doch nicht zur Charakterisirung, Definition der Materie mitverwendet werden, obwol vielleicht der zweite.
Dass der adventiven Forderung 4) neben 3) immer genügt werden kann durch Aufstellung einer geeigneten Funktion f(u) haben wir an der „rigorosen“ Lösung gesehen.
Es wird aber der Forderung 3) — ja beiden Forderungen zu- gleich — sich noch in unbegrenzt mannigfaltiger Weise genügen lassen. Und dieser Umstand lässt als einen dritten Gesichtspunkt, welcher die Zuziehung der adventiven Forderung motivirt, den hervortreten: dass wir darauf ausgehen müssen unser Problem zu einem bestimm- teren zu gestalten, den Begriff „einer“ allgemeinen Lösung so zu prä- zisiren, dass für ein bestimmtes Problem gesprochen werden könne von „der“ allgemeinen Lösung desselben, von „seiner“ Lösung schlechtweg in einem feststehenden Sinne.
Schon im identischen Kalkul sind Funktionen angebbar, die aller Werte fähig sind. Z. B. cu + c̄ū ist eine solche, irgendwie gelegen zwischen cc̄ = 0 und c + c̄ = 1 — vergl. Bd. 1, S. 427. Und lassen wir c unbestimmt, so haben wir deren eine unbegrenzte Menge.
Umsomehr wird zuzugeben sein, dass es auch in der Algebra der Relative Funktionen gebe, die, wenn mit φ(u) bezeichnet, je nach dem Werte den man u beilegt fähig sind, den Wert jedes gewünschten Relativs zwischen 0 und 1 (inclusive) anzunehmen. Funktionen φ(u) von dieser Eigenschaft gibt es in der That in unendlicher Fülle: φ(u) = ū oder ŭ oder ū̆ sind weitere (die einfachsten) Beispiele von solchen …
Ist φ(u) dergestalt aller Werte fähig („unbeschränkt variabel“) und zwar x = f(u) eine allgemeine Lösung von 1) im früheren, zu- nächst noch „weiteren“, blos durch 3) limitirten Sinne, so wird offen- bar auch 15) x = f{φ(u)} wieder „eine allgemeine Lösung“ in diesem weitern Sinne sein.
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Fünfte Vorlesung.
Dem Anfänger erscheint es vielleicht als befremdend, dass ungeachtet
der Äquivalenz der beiden Aussagen [FORMEL] und f(x) = x, wie sie
14) konstatirt, die erste zur Charakterisirung des f(u) als der allgemeinen
Wurzel von 1) hinreicht, die letztere nicht. Für das gedachte f, welches
der Forderung 3) mitsamt der adventiven 4) genügt, treffen in der That
beide Aussagen immer gleichzeitig zu, sobald x eine Wurzel der Glei-
chung 1) ist, und sie treffen alle beide nicht zu falls x ein andres Re-
lativ (keine Wurzel) vorstellt. Sie sind äquivalent. Darum sind sie aber
noch nicht äquipollent. Die Sätze, dass 2 × 2 = 4 ist und dass Materie
unzerstörbar sei, sind ebenfalls äquivalent. Darum kann aber der erstere
doch nicht zur Charakterisirung, Definition der Materie mitverwendet werden,
obwol vielleicht der zweite.
Dass der adventiven Forderung 4) neben 3) immer genügt werden
kann durch Aufstellung einer geeigneten Funktion f(u) haben wir an
der „rigorosen“ Lösung gesehen.
Es wird aber der Forderung 3) — ja beiden Forderungen zu-
gleich — sich noch in unbegrenzt mannigfaltiger Weise genügen lassen.
Und dieser Umstand lässt als einen dritten Gesichtspunkt, welcher
die Zuziehung der adventiven Forderung motivirt, den hervortreten:
dass wir darauf ausgehen müssen unser Problem zu einem bestimm-
teren zu gestalten, den Begriff „einer“ allgemeinen Lösung so zu prä-
zisiren, dass für ein bestimmtes Problem gesprochen werden könne von
„der“ allgemeinen Lösung desselben, von „seiner“ Lösung schlechtweg
in einem feststehenden Sinne.
Schon im identischen Kalkul sind Funktionen angebbar, die aller
Werte fähig sind. Z. B. cu + c̄ū ist eine solche, irgendwie gelegen
zwischen cc̄ = 0 und c + c̄ = 1 — vergl. Bd. 1, S. 427. Und lassen
wir c unbestimmt, so haben wir deren eine unbegrenzte Menge.
Umsomehr wird zuzugeben sein, dass es auch in der Algebra der
Relative Funktionen gebe, die, wenn mit φ(u) bezeichnet, je nach dem
Werte den man u beilegt fähig sind, den Wert jedes gewünschten
Relativs zwischen 0 und 1 (inclusive) anzunehmen. Funktionen φ(u)
von dieser Eigenschaft gibt es in der That in unendlicher Fülle:
φ(u) = ū oder ŭ oder ū̆ sind weitere (die einfachsten) Beispiele von
solchen …
Ist φ(u) dergestalt aller Werte fähig („unbeschränkt variabel“)
und zwar x = f(u) eine allgemeine Lösung von 1) im früheren, zu-
nächst noch „weiteren“, blos durch 3) limitirten Sinne, so wird offen-
bar auch
15) x = f{φ(u)}
wieder „eine allgemeine Lösung“ in diesem weitern Sinne sein.
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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 3, Abt. 1. Leipzig, 1895, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik03_1895/186>, abgerufen am 23.11.2024.
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