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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 3, Abt. 1. Leipzig, 1895.

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Neunte Vorlesung.
Die Theorie der Ketten.
§ 23. Dedekind's Kettentheorie und der Schluss der vollständigen
Induktion. Vereinfachung jener.

Schon lange fragt sich wol der Leser, was denn mit dem so aus-
gedehnten Kapital unsrer Theorie überhaupt sich Wertvolles leisten lassen
werde? (Wenn ich sage "unsre Theorie", so meine ich die in diesem Buche
vorgetragne Theorie, deren Anfänge auf A. de Morgan zurückgehen und
welche vor allem Herrn Charles S. Peirce zuzuschreiben ist; diesen Autoren
mich zuzugesellen, dazu berechtigt mich wol der Umstand, dass es mir
doch auch zufiel, so Manches an dieser Theorie erst auszugestalten).

Geduld! Das Instrument ist noch in zu unfertigem Zustande. Je mehr
sein Ausbau fortschreitet und in je weiteren Kreisen seine Anwendungen
Platz greifen, um so mächtiger wird es sich erst erweisen.

Um indessen nicht allzuspät eine Probe seiner Leistungsfähigkeit zu
geben, will ich nunmehr an die Aufgabe herantreten, die R. Dedekind'sche
"Theorie der Ketten" in das Lehrgebäude unsrer Disziplin einzugliedern.
Der Gewinn, der dieser Theorie dabei erwachsen wird und den ich hoffe
deutlich hervortreten zu lassen, wird geeignet sein, den Wert unsrer
Disziplin erstmals zu dokumentiren.

Die "Kettentheorie" ist nur ein Teil, obzwar ein fundamentaler, der
epochemachenden Arbeit Dedekind's "Was sind und was sollen die Zahlen?"
-- welche vollends, auch mit ihren andern wesentlichsten Teilen, dem Ge-
bäude der allgemeinen Logik einzufügen mir als eines der vornehmsten
Ziele bei meiner Arbeit vorschwebt.

Ich muss deshalb mit einer Besprechung dieser Schrift beginnen und
werde wiederholt auf dieselbe zurückzukommen haben. Dabei will ich die
167 Sätze und (Begriffs-)Erklärungen Dedekind's kurz mit D 1 bis 167
citiren, die etwa anzuführenden eignen Worte dieses Autors mit Anführungs-
zeichen " " kenntlich machen, mir jedoch vorbehalten, Einzelnes durch
kursiven Druck eigenmächtig hervorzuheben.

Ungeachtet der Anerkennung seitens der mathematischen Welt, welche
unter anderm darin zu erblicken ist, dass die Auflage dieser Schrift als-
bald vergriffen gewesen und inzwischen ein unveränderter Neudruck er-
folgte, ist dieselbe doch vonseiten vereinzelter Mathematiker sowol nach
ihrer Tendenz als nach ihrem Verdienste noch gründlich verkannt worden
-- am unverhohlensten in der ablehnenden Rezension des bekannten Heraus-

Neunte Vorlesung.
Die Theorie der Ketten.
§ 23. Dedekind’s Kettentheorie und der Schluss der vollständigen
Induktion. Vereinfachung jener.

Schon lange fragt sich wol der Leser, was denn mit dem so aus-
gedehnten Kapital unsrer Theorie überhaupt sich Wertvolles leisten lassen
werde? (Wenn ich sage „unsre Theorie“, so meine ich die in diesem Buche
vorgetragne Theorie, deren Anfänge auf A. de Morgan zurückgehen und
welche vor allem Herrn Charles S. Peirce zuzuschreiben ist; diesen Autoren
mich zuzugesellen, dazu berechtigt mich wol der Umstand, dass es mir
doch auch zufiel, so Manches an dieser Theorie erst auszugestalten).

Geduld! Das Instrument ist noch in zu unfertigem Zustande. Je mehr
sein Ausbau fortschreitet und in je weiteren Kreisen seine Anwendungen
Platz greifen, um so mächtiger wird es sich erst erweisen.

Um indessen nicht allzuspät eine Probe seiner Leistungsfähigkeit zu
geben, will ich nunmehr an die Aufgabe herantreten, die R. Dedekind’sche
„Theorie der Ketten“ in das Lehrgebäude unsrer Disziplin einzugliedern.
Der Gewinn, der dieser Theorie dabei erwachsen wird und den ich hoffe
deutlich hervortreten zu lassen, wird geeignet sein, den Wert unsrer
Disziplin erstmals zu dokumentiren.

Die „Kettentheorie“ ist nur ein Teil, obzwar ein fundamentaler, der
epochemachenden Arbeit Dedekind’s „Was sind und was sollen die Zahlen?
— welche vollends, auch mit ihren andern wesentlichsten Teilen, dem Ge-
bäude der allgemeinen Logik einzufügen mir als eines der vornehmsten
Ziele bei meiner Arbeit vorschwebt.

Ich muss deshalb mit einer Besprechung dieser Schrift beginnen und
werde wiederholt auf dieselbe zurückzukommen haben. Dabei will ich die
167 Sätze und (Begriffs-)Erklärungen Dedekind’s kurz mit D 1 bis 167
citiren, die etwa anzuführenden eignen Worte dieses Autors mit Anführungs-
zeichen » « kenntlich machen, mir jedoch vorbehalten, Einzelnes durch
kursiven Druck eigenmächtig hervorzuheben.

Ungeachtet der Anerkennung seitens der mathematischen Welt, welche
unter anderm darin zu erblicken ist, dass die Auflage dieser Schrift als-
bald vergriffen gewesen und inzwischen ein unveränderter Neudruck er-
folgte, ist dieselbe doch vonseiten vereinzelter Mathematiker sowol nach
ihrer Tendenz als nach ihrem Verdienste noch gründlich verkannt worden
— am unverhohlensten in der ablehnenden Rezension des bekannten Heraus-

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[[346]/0360] Neunte Vorlesung. Die Theorie der Ketten. § 23. Dedekind’s Kettentheorie und der Schluss der vollständigen Induktion. Vereinfachung jener. Schon lange fragt sich wol der Leser, was denn mit dem so aus- gedehnten Kapital unsrer Theorie überhaupt sich Wertvolles leisten lassen werde? (Wenn ich sage „unsre Theorie“, so meine ich die in diesem Buche vorgetragne Theorie, deren Anfänge auf A. de Morgan zurückgehen und welche vor allem Herrn Charles S. Peirce zuzuschreiben ist; diesen Autoren mich zuzugesellen, dazu berechtigt mich wol der Umstand, dass es mir doch auch zufiel, so Manches an dieser Theorie erst auszugestalten). Geduld! Das Instrument ist noch in zu unfertigem Zustande. Je mehr sein Ausbau fortschreitet und in je weiteren Kreisen seine Anwendungen Platz greifen, um so mächtiger wird es sich erst erweisen. Um indessen nicht allzuspät eine Probe seiner Leistungsfähigkeit zu geben, will ich nunmehr an die Aufgabe herantreten, die R. Dedekind’sche „Theorie der Ketten“ in das Lehrgebäude unsrer Disziplin einzugliedern. Der Gewinn, der dieser Theorie dabei erwachsen wird und den ich hoffe deutlich hervortreten zu lassen, wird geeignet sein, den Wert unsrer Disziplin erstmals zu dokumentiren. Die „Kettentheorie“ ist nur ein Teil, obzwar ein fundamentaler, der epochemachenden Arbeit Dedekind’s „Was sind und was sollen die Zahlen?“ — welche vollends, auch mit ihren andern wesentlichsten Teilen, dem Ge- bäude der allgemeinen Logik einzufügen mir als eines der vornehmsten Ziele bei meiner Arbeit vorschwebt. Ich muss deshalb mit einer Besprechung dieser Schrift beginnen und werde wiederholt auf dieselbe zurückzukommen haben. Dabei will ich die 167 Sätze und (Begriffs-)Erklärungen Dedekind’s kurz mit D 1 bis 167 citiren, die etwa anzuführenden eignen Worte dieses Autors mit Anführungs- zeichen » « kenntlich machen, mir jedoch vorbehalten, Einzelnes durch kursiven Druck eigenmächtig hervorzuheben. Ungeachtet der Anerkennung seitens der mathematischen Welt, welche unter anderm darin zu erblicken ist, dass die Auflage dieser Schrift als- bald vergriffen gewesen und inzwischen ein unveränderter Neudruck er- folgte, ist dieselbe doch vonseiten vereinzelter Mathematiker sowol nach ihrer Tendenz als nach ihrem Verdienste noch gründlich verkannt worden — am unverhohlensten in der ablehnenden Rezension des bekannten Heraus-

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 3, Abt. 1. Leipzig, 1895, S. [346]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik03_1895/360>, abgerufen am 23.11.2024.