Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 3, Abt. 1. Leipzig, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

Zwölfte Vorlesung.
Funktionscharakter haben; ja man spricht auch von mehrdeutigen, mehr-
wertigen Funktionen.

Eine fernre Einschränkung des über die Koinzidenz der beiden Funktions-
begriffe (des Funktionsbegriffes in der Mathematik mit demjenigen in der
Logik oder Algebra der Relative) Gesagten scheint nun doch darin zu liegen,
dass wir konstatiren müssen:

Es ist nur der mathematische Begriff der "Funktion" in seiner
strengsten Fassung
, dieselbe nämlich als eine durchaus eindeutige ver-
standen, der mit dem Begriff eines Relativs vom Typus A1A2 sich
decken wird.

Von unsrer Funktionskurve haben wir also noch vorauszusetzen, dass
dieselbe von jeder Ordinatenlinie (d. i. Parallelen zur y-Axe) in einem, und
nur in einem Punkte geschnitten wird,
also dass zu jedem Argumentwerte,
zu jeder Abszisse x, wirklich immer eine Ordinate als Funktionswert "gehört".

Die mit dieser Voraussetzung gegebne Einschränkung ist nur eine schein-
bare zu nennen insofern: als allerdings auch in ihrem weitesten Sinne ge-
nommen die mathematische Funktion (eines Argumentes) begrifflich zu-
sammenfallen wird mit einem (binären) Relative. Nur müssen wir in
solchem Falle dem letzteren in unsrer Theorie den Namen und die Bezeich-
nung als eine "Funktion" (schlechtweg) versagen -- indem wir hier den
Begriff mit absoluter Konsequenz in seinem strengen Sinne festhalten.

Geometrisch im Hinblick auf 9) formulirt sollte in unsrer Theorie
definirt sein:

als Funktion ein binäres Relativ, das lauter einbesetzte Kolonnen hat,

als Argument ein Relativ mit lauter einbesetzten Zeilen,

als Substitution ein Relativ von beiden Eigenschaften zugleich, das
also in jeder Kolonne sowol als wie in jeder Zeile ein (und nur ein)
Auge (als "Kreuzreiter") aufweist.

Peirce sagt 5p. 49: Ein (totally unlimited*) Relativ, in welches
(d. i. in dessen Ausdruck als eine effektive Summe von Elementepaaren)
jeder Elementbuchstabe nur einmal als Relat und nur einmal als Kor-
relat eingeht, heisst Substitution. --

Ich wiederhole: Geometrisch ausgedrückt ist "Funktion" jedes binäre
Relativ zu nennen
, welches aus lauter einbesetzten Kolonnen besteht.

Die Matrix einer Funktion (d. i. die Funktionskurve) trägt in jeder
Kolonne (d. i. auf jeder Ordinatenlinie) ein und nur ein Auge. Ein in
seiner Kolonne vereinzelt (isolirt) stehendes Auge nannte ich einen

* Der Zusatz -- vergl. S. 565 -- ist überflüssig, nämlich wohl als ein prä-
dikativer zulässig, nicht aber als ein determinativer erforderlich. So wenigstens,
wofern man die beiden Partikeln "nur" des Textes als rhetorische Dreingabe auf-
fasst, resp. sie unterdrückt, oder besser noch, sie durch das Adverbium "gerade"
ersetzt.

Zwölfte Vorlesung.
Funktionscharakter haben; ja man spricht auch von mehrdeutigen, mehr-
wertigen Funktionen.

Eine fernre Einschränkung des über die Koinzidenz der beiden Funktions-
begriffe (des Funktionsbegriffes in der Mathematik mit demjenigen in der
Logik oder Algebra der Relative) Gesagten scheint nun doch darin zu liegen,
dass wir konstatiren müssen:

Es ist nur der mathematische Begriff der „Funktion“ in seiner
strengsten Fassung
, dieselbe nämlich als eine durchaus eindeutige ver-
standen, der mit dem Begriff eines Relativs vom Typus A1A2 sich
decken wird.

Von unsrer Funktionskurve haben wir also noch vorauszusetzen, dass
dieselbe von jeder Ordinatenlinie (d. i. Parallelen zur y-Axe) in einem, und
nur in einem Punkte geschnitten wird,
also dass zu jedem Argumentwerte,
zu jeder Abszisse x, wirklich immer eine Ordinate als Funktionswert „gehört“.

Die mit dieser Voraussetzung gegebne Einschränkung ist nur eine schein-
bare zu nennen insofern: als allerdings auch in ihrem weitesten Sinne ge-
nommen die mathematische Funktion (eines Argumentes) begrifflich zu-
sammenfallen wird mit einem (binären) Relative. Nur müssen wir in
solchem Falle dem letzteren in unsrer Theorie den Namen und die Bezeich-
nung als eine „Funktion“ (schlechtweg) versagen — indem wir hier den
Begriff mit absoluter Konsequenz in seinem strengen Sinne festhalten.

Geometrisch im Hinblick auf 9) formulirt sollte in unsrer Theorie
definirt sein:

als Funktion ein binäres Relativ, das lauter einbesetzte Kolonnen hat,

als Argument ein Relativ mit lauter einbesetzten Zeilen,

als Substitution ein Relativ von beiden Eigenschaften zugleich, das
also in jeder Kolonne sowol als wie in jeder Zeile ein (und nur ein)
Auge (als „Kreuzreiter“) aufweist.

Peirce sagt 5p. 49: Ein (totally unlimited*) Relativ, in welches
(d. i. in dessen Ausdruck als eine effektive Summe von Elementepaaren)
jeder Elementbuchstabe nur einmal als Relat und nur einmal als Kor-
relat eingeht, heisst Substitution. —

Ich wiederhole: Geometrisch ausgedrückt ist „Funktionjedes binäre
Relativ zu nennen
, welches aus lauter einbesetzten Kolonnen besteht.

Die Matrix einer Funktion (d. i. die Funktionskurve) trägt in jeder
Kolonne (d. i. auf jeder Ordinatenlinie) ein und nur ein Auge. Ein in
seiner Kolonne vereinzelt (isolirt) stehendes Auge nannte ich einen

* Der Zusatz — vergl. S. 565 — ist überflüssig, nämlich wohl als ein prä-
dikativer zulässig, nicht aber als ein determinativer erforderlich. So wenigstens,
wofern man die beiden Partikeln „nur“ des Textes als rhetorische Dreingabe auf-
fasst, resp. sie unterdrückt, oder besser noch, sie durch das Adverbium „gerade“
ersetzt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0586" n="572"/><fw place="top" type="header">Zwölfte Vorlesung.</fw><lb/>
Funktionscharakter haben; ja man spricht auch von mehrdeutigen, mehr-<lb/>
wertigen Funktionen.</p><lb/>
          <p>Eine fernre Einschränkung des über die Koinzidenz der beiden Funktions-<lb/>
begriffe (des Funktionsbegriffes in der Mathematik mit demjenigen in der<lb/>
Logik oder Algebra der Relative) Gesagten <hi rendition="#i">scheint</hi> nun doch darin zu liegen,<lb/>
dass wir konstatiren müssen:</p><lb/>
          <p>Es ist nur der mathematische Begriff der &#x201E;Funktion&#x201C; <hi rendition="#i">in seiner<lb/>
strengsten Fassung</hi>, dieselbe nämlich als eine <hi rendition="#i">durchaus eindeutige</hi> ver-<lb/>
standen, der mit dem Begriff eines Relativs vom Typus <hi rendition="#i">A</hi><hi rendition="#sub">1</hi><hi rendition="#i">A</hi><hi rendition="#sub">2</hi> sich<lb/>
decken wird.</p><lb/>
          <p>Von unsrer Funktionskurve haben wir also noch vorauszusetzen, dass<lb/>
dieselbe <hi rendition="#i">von jeder Ordinatenlinie</hi> (d. i. Parallelen zur <hi rendition="#i">y</hi>-Axe) <hi rendition="#i">in einem, und<lb/>
nur in einem Punkte geschnitten wird,</hi> also dass zu jedem Argumentwerte,<lb/>
zu jeder Abszisse <hi rendition="#i">x</hi>, wirklich immer <hi rendition="#i">eine</hi> Ordinate als Funktionswert &#x201E;<hi rendition="#i">gehört</hi>&#x201C;.</p><lb/>
          <p>Die mit dieser Voraussetzung gegebne Einschränkung ist nur eine schein-<lb/>
bare zu nennen insofern: als allerdings auch in ihrem weitesten Sinne ge-<lb/>
nommen die mathematische Funktion (<hi rendition="#i">eines</hi> Argumentes) begrifflich zu-<lb/>
sammenfallen wird mit einem (binären) Relative. Nur müssen wir in<lb/>
solchem Falle dem letzteren <hi rendition="#i">in unsrer Theorie</hi> den Namen und die Bezeich-<lb/>
nung als eine &#x201E;Funktion&#x201C; (schlechtweg) <hi rendition="#i">versagen</hi> &#x2014; indem wir hier den<lb/>
Begriff mit absoluter Konsequenz in seinem strengen Sinne festhalten.</p><lb/>
          <p>Geometrisch im Hinblick auf 9) formulirt sollte in unsrer Theorie<lb/>
definirt sein:</p><lb/>
          <p>als <hi rendition="#i">Funktion</hi> ein binäres Relativ, das lauter <hi rendition="#i">einbesetzte Kolonnen</hi> hat,</p><lb/>
          <p>als <hi rendition="#i">Argument</hi> ein Relativ mit lauter <hi rendition="#i">einbesetzten Zeilen</hi>,</p><lb/>
          <p>als <hi rendition="#i">Substitution</hi> ein Relativ von beiden Eigenschaften zugleich, das<lb/>
also in jeder Kolonne sowol als wie in jeder Zeile <hi rendition="#i">ein</hi> (und nur ein)<lb/>
Auge (als &#x201E;Kreuzreiter&#x201C;) aufweist.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Peirce</hi> sagt <hi rendition="#sup">5</hi>p. 49: Ein (totally unlimited<note place="foot" n="*">Der Zusatz &#x2014; vergl. S. 565 &#x2014; ist überflüssig, nämlich wohl als ein prä-<lb/>
dikativer zulässig, nicht aber als ein determinativer erforderlich. So wenigstens,<lb/>
wofern man die beiden Partikeln &#x201E;nur&#x201C; des Textes als rhetorische Dreingabe auf-<lb/>
fasst, resp. sie unterdrückt, oder besser noch, sie durch das Adverbium &#x201E;gerade&#x201C;<lb/>
ersetzt.</note>) Relativ, in welches<lb/>
(d. i. in dessen Ausdruck als eine effektive Summe von Elementepaaren)<lb/>
jeder Elementbuchstabe nur <hi rendition="#i">ein</hi>mal als Relat und nur <hi rendition="#i">ein</hi>mal als Kor-<lb/>
relat eingeht, heisst Substitution. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Ich wiederhole: Geometrisch ausgedrückt ist &#x201E;<hi rendition="#i">Funktion</hi>&#x201C; <hi rendition="#i">jedes binäre<lb/>
Relativ zu nennen</hi>, <hi rendition="#i">welches aus lauter einbesetzten Kolonnen besteht</hi>.</p><lb/>
          <p>Die <hi rendition="#i">Matrix einer Funktion</hi> (d. i. die Funktionskurve) trägt in jeder<lb/>
Kolonne (d. i. auf jeder Ordinatenlinie) ein und nur ein Auge. Ein in<lb/>
seiner Kolonne vereinzelt (isolirt) stehendes Auge nannte ich einen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[572/0586] Zwölfte Vorlesung. Funktionscharakter haben; ja man spricht auch von mehrdeutigen, mehr- wertigen Funktionen. Eine fernre Einschränkung des über die Koinzidenz der beiden Funktions- begriffe (des Funktionsbegriffes in der Mathematik mit demjenigen in der Logik oder Algebra der Relative) Gesagten scheint nun doch darin zu liegen, dass wir konstatiren müssen: Es ist nur der mathematische Begriff der „Funktion“ in seiner strengsten Fassung, dieselbe nämlich als eine durchaus eindeutige ver- standen, der mit dem Begriff eines Relativs vom Typus A1A2 sich decken wird. Von unsrer Funktionskurve haben wir also noch vorauszusetzen, dass dieselbe von jeder Ordinatenlinie (d. i. Parallelen zur y-Axe) in einem, und nur in einem Punkte geschnitten wird, also dass zu jedem Argumentwerte, zu jeder Abszisse x, wirklich immer eine Ordinate als Funktionswert „gehört“. Die mit dieser Voraussetzung gegebne Einschränkung ist nur eine schein- bare zu nennen insofern: als allerdings auch in ihrem weitesten Sinne ge- nommen die mathematische Funktion (eines Argumentes) begrifflich zu- sammenfallen wird mit einem (binären) Relative. Nur müssen wir in solchem Falle dem letzteren in unsrer Theorie den Namen und die Bezeich- nung als eine „Funktion“ (schlechtweg) versagen — indem wir hier den Begriff mit absoluter Konsequenz in seinem strengen Sinne festhalten. Geometrisch im Hinblick auf 9) formulirt sollte in unsrer Theorie definirt sein: als Funktion ein binäres Relativ, das lauter einbesetzte Kolonnen hat, als Argument ein Relativ mit lauter einbesetzten Zeilen, als Substitution ein Relativ von beiden Eigenschaften zugleich, das also in jeder Kolonne sowol als wie in jeder Zeile ein (und nur ein) Auge (als „Kreuzreiter“) aufweist. Peirce sagt 5p. 49: Ein (totally unlimited *) Relativ, in welches (d. i. in dessen Ausdruck als eine effektive Summe von Elementepaaren) jeder Elementbuchstabe nur einmal als Relat und nur einmal als Kor- relat eingeht, heisst Substitution. — Ich wiederhole: Geometrisch ausgedrückt ist „Funktion“ jedes binäre Relativ zu nennen, welches aus lauter einbesetzten Kolonnen besteht. Die Matrix einer Funktion (d. i. die Funktionskurve) trägt in jeder Kolonne (d. i. auf jeder Ordinatenlinie) ein und nur ein Auge. Ein in seiner Kolonne vereinzelt (isolirt) stehendes Auge nannte ich einen * Der Zusatz — vergl. S. 565 — ist überflüssig, nämlich wohl als ein prä- dikativer zulässig, nicht aber als ein determinativer erforderlich. So wenigstens, wofern man die beiden Partikeln „nur“ des Textes als rhetorische Dreingabe auf- fasst, resp. sie unterdrückt, oder besser noch, sie durch das Adverbium „gerade“ ersetzt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik03_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik03_1895/586
Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 3, Abt. 1. Leipzig, 1895, S. 572. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik03_1895/586>, abgerufen am 23.11.2024.