Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

-- Wenn sich bey den Juden, wie Josephus berich-
tet, die Sage erhalten hatte, daß die Patriarchen be-
sonders hohe Kenntnisse der Natur, vornehmlich astro-
nomische besessen hätten, so waren doch diese später
bey diesem Volke wieder ganz zurückgetreten, und wir
finden bey ihm keine Spuren des von uns so genannten
astronomischen Instinkts.

So hatte sich gerade bey jenen Völkern, wo der
höchste Moment der neuen Zeit (das Christenthum) am
vollkommensten vorbereitet war, wo dieser am frühesten
und mächtigsten eintrat, der natürliche Charakter der
alten Zeit (die Abhängigkeit von der Natur) schon am
meisten verlohren.

Schon war im jüngeren Heydenthum der Charak-
ter der neuen Zeit, welchen die Macht des eignen Wil-
lens und das Streben nach der Vollendung desselben
bezeichnet, erwacht, und dieser ist dem Wesen der al-
ten Zeit, das in gänzlicher Hingebung des Einzelnen
in die Einflüsse des Ganzen bestund, geradehin entge-
gengesetzt. Deshalb sehen wir sogar in China die
vieltausendjährige Reihe der astronomischen Beobach-
tungen, und mit ihr den alten Naturcultus, mit dem
Eintritt des berühmten Confucius und seiner neuen Leh-
re auf einmal gänzlich abgebrochen; so daß auch hier
das Erwachen des menschlichen Forschungsgeistes und
des freyen Strebens, zugleich den Untergang des alten
Naturcultus bezeichnet.


— Wenn ſich bey den Juden, wie Joſephus berich-
tet, die Sage erhalten hatte, daß die Patriarchen be-
ſonders hohe Kenntniſſe der Natur, vornehmlich aſtro-
nomiſche beſeſſen haͤtten, ſo waren doch dieſe ſpaͤter
bey dieſem Volke wieder ganz zuruͤckgetreten, und wir
finden bey ihm keine Spuren des von uns ſo genannten
aſtronomiſchen Inſtinkts.

So hatte ſich gerade bey jenen Voͤlkern, wo der
hoͤchſte Moment der neuen Zeit (das Chriſtenthum) am
vollkommenſten vorbereitet war, wo dieſer am fruͤheſten
und maͤchtigſten eintrat, der natuͤrliche Charakter der
alten Zeit (die Abhaͤngigkeit von der Natur) ſchon am
meiſten verlohren.

Schon war im juͤngeren Heydenthum der Charak-
ter der neuen Zeit, welchen die Macht des eignen Wil-
lens und das Streben nach der Vollendung deſſelben
bezeichnet, erwacht, und dieſer iſt dem Weſen der al-
ten Zeit, das in gaͤnzlicher Hingebung des Einzelnen
in die Einfluͤſſe des Ganzen beſtund, geradehin entge-
gengeſetzt. Deshalb ſehen wir ſogar in China die
vieltauſendjaͤhrige Reihe der aſtronomiſchen Beobach-
tungen, und mit ihr den alten Naturcultus, mit dem
Eintritt des beruͤhmten Confucius und ſeiner neuen Leh-
re auf einmal gaͤnzlich abgebrochen; ſo daß auch hier
das Erwachen des menſchlichen Forſchungsgeiſtes und
des freyen Strebens, zugleich den Untergang des alten
Naturcultus bezeichnet.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0103" n="89"/>
&#x2014; Wenn &#x017F;ich bey den Juden, wie Jo&#x017F;ephus berich-<lb/>
tet, die Sage erhalten hatte, daß die Patriarchen be-<lb/>
&#x017F;onders hohe Kenntni&#x017F;&#x017F;e der Natur, vornehmlich a&#x017F;tro-<lb/>
nomi&#x017F;che be&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en ha&#x0364;tten, &#x017F;o waren doch die&#x017F;e &#x017F;pa&#x0364;ter<lb/>
bey die&#x017F;em Volke wieder ganz zuru&#x0364;ckgetreten, und wir<lb/>
finden bey ihm keine Spuren des von uns &#x017F;o genannten<lb/>
a&#x017F;tronomi&#x017F;chen In&#x017F;tinkts.</p><lb/>
        <p>So hatte &#x017F;ich gerade bey jenen Vo&#x0364;lkern, wo der<lb/>
ho&#x0364;ch&#x017F;te Moment der neuen Zeit (das Chri&#x017F;tenthum) am<lb/>
vollkommen&#x017F;ten vorbereitet war, wo die&#x017F;er am fru&#x0364;he&#x017F;ten<lb/>
und ma&#x0364;chtig&#x017F;ten eintrat, der natu&#x0364;rliche Charakter der<lb/>
alten Zeit (die Abha&#x0364;ngigkeit von der Natur) &#x017F;chon am<lb/>
mei&#x017F;ten verlohren.</p><lb/>
        <p>Schon war im ju&#x0364;ngeren Heydenthum der Charak-<lb/>
ter der neuen Zeit, welchen die Macht des eignen Wil-<lb/>
lens und das Streben nach der Vollendung de&#x017F;&#x017F;elben<lb/>
bezeichnet, erwacht, und die&#x017F;er i&#x017F;t dem We&#x017F;en der al-<lb/>
ten Zeit, das in ga&#x0364;nzlicher Hingebung des Einzelnen<lb/>
in die Einflu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e des Ganzen be&#x017F;tund, geradehin entge-<lb/>
genge&#x017F;etzt. Deshalb &#x017F;ehen wir &#x017F;ogar in China die<lb/>
vieltau&#x017F;endja&#x0364;hrige Reihe der a&#x017F;tronomi&#x017F;chen Beobach-<lb/>
tungen, und mit ihr den alten Naturcultus, mit dem<lb/>
Eintritt des beru&#x0364;hmten Confucius und &#x017F;einer neuen Leh-<lb/>
re auf einmal ga&#x0364;nzlich abgebrochen; &#x017F;o daß auch hier<lb/>
das Erwachen des men&#x017F;chlichen For&#x017F;chungsgei&#x017F;tes und<lb/>
des freyen Strebens, zugleich den Untergang des alten<lb/>
Naturcultus bezeichnet.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[89/0103] — Wenn ſich bey den Juden, wie Joſephus berich- tet, die Sage erhalten hatte, daß die Patriarchen be- ſonders hohe Kenntniſſe der Natur, vornehmlich aſtro- nomiſche beſeſſen haͤtten, ſo waren doch dieſe ſpaͤter bey dieſem Volke wieder ganz zuruͤckgetreten, und wir finden bey ihm keine Spuren des von uns ſo genannten aſtronomiſchen Inſtinkts. So hatte ſich gerade bey jenen Voͤlkern, wo der hoͤchſte Moment der neuen Zeit (das Chriſtenthum) am vollkommenſten vorbereitet war, wo dieſer am fruͤheſten und maͤchtigſten eintrat, der natuͤrliche Charakter der alten Zeit (die Abhaͤngigkeit von der Natur) ſchon am meiſten verlohren. Schon war im juͤngeren Heydenthum der Charak- ter der neuen Zeit, welchen die Macht des eignen Wil- lens und das Streben nach der Vollendung deſſelben bezeichnet, erwacht, und dieſer iſt dem Weſen der al- ten Zeit, das in gaͤnzlicher Hingebung des Einzelnen in die Einfluͤſſe des Ganzen beſtund, geradehin entge- gengeſetzt. Deshalb ſehen wir ſogar in China die vieltauſendjaͤhrige Reihe der aſtronomiſchen Beobach- tungen, und mit ihr den alten Naturcultus, mit dem Eintritt des beruͤhmten Confucius und ſeiner neuen Leh- re auf einmal gaͤnzlich abgebrochen; ſo daß auch hier das Erwachen des menſchlichen Forſchungsgeiſtes und des freyen Strebens, zugleich den Untergang des alten Naturcultus bezeichnet.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/103
Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/103>, abgerufen am 23.11.2024.