rauschende Quellen hervorgerufen wurde. In dem all- mäligen Aufhören jener Ausflüsse der Erde, wurde auch von den Alten der Grund des Verfalls der Orakel in späterer Zeit gefunden. "Vor Zeiten sagt ein spä- terer Ausspruch eines Orakels selber, *) entquollen der Erde eine Menge von Orakeln, Quellen und Däm- pfen, welche mit göttlichem Wahnsinn erfüllten. Die Erde aber, vermöge jener Veränderungen, welche die Zeit herbeyführt, hat jene Quellen, Dämpfe und Orakel wieder in sich aufgenommen. Nur noch die zu Micale, in den Gefilden von Didime, jene von Cla- ros und das Orakel des Parnaß sind geblieben." Die- se und ähnliche Ansichten von dem Entstehen und end- lichen Aufhören der Orakel, wird man häufig im Alter- thum finden.
Wenn auch bey einigen Orakeln, wo sich dem Fra- genden die Zukunft unmittelbar in sich selber (durch Träume oder Visionen) offenbarte, die Vorbereitung durch Fasten und Enthaltsamkeit geschahe, **) wurde doch auch diese Nüchternheit zuletzt durch Einwirkun- gen von berauschender Natur unterbrochen. So fin- den wir überall den Zustand jener wilden Begeisterung, welchem sich die Zukunft in trüben Lichte öffnet, durch ge- waltsame Mittel herbeygeführt, unter denen wohl das
*) Bey Porphirius.
**) Wie bey dem des Amphiaraus in Attica und bey dem des Trophonius.
G
rauſchende Quellen hervorgerufen wurde. In dem all- maͤligen Aufhoͤren jener Ausfluͤſſe der Erde, wurde auch von den Alten der Grund des Verfalls der Orakel in ſpaͤterer Zeit gefunden. „Vor Zeiten ſagt ein ſpaͤ- terer Ausſpruch eines Orakels ſelber, *) entquollen der Erde eine Menge von Orakeln, Quellen und Daͤm- pfen, welche mit goͤttlichem Wahnſinn erfuͤllten. Die Erde aber, vermoͤge jener Veraͤnderungen, welche die Zeit herbeyfuͤhrt, hat jene Quellen, Daͤmpfe und Orakel wieder in ſich aufgenommen. Nur noch die zu Micale, in den Gefilden von Didime, jene von Cla- ros und das Orakel des Parnaß ſind geblieben.“ Die- ſe und aͤhnliche Anſichten von dem Entſtehen und end- lichen Aufhoͤren der Orakel, wird man haͤufig im Alter- thum finden.
Wenn auch bey einigen Orakeln, wo ſich dem Fra- genden die Zukunft unmittelbar in ſich ſelber (durch Traͤume oder Viſionen) offenbarte, die Vorbereitung durch Faſten und Enthaltſamkeit geſchahe, **) wurde doch auch dieſe Nuͤchternheit zuletzt durch Einwirkun- gen von berauſchender Natur unterbrochen. So fin- den wir uͤberall den Zuſtand jener wilden Begeiſterung, welchem ſich die Zukunft in truͤben Lichte oͤffnet, durch ge- waltſame Mittel herbeygefuͤhrt, unter denen wohl das
*) Bey Porphirius.
**) Wie bey dem des Amphiaraus in Attica und bey dem des Trophonius.
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rauſchende Quellen hervorgerufen wurde. In dem all-
maͤligen Aufhoͤren jener Ausfluͤſſe der Erde, wurde
auch von den Alten der Grund des Verfalls der Orakel
in ſpaͤterer Zeit gefunden. „Vor Zeiten ſagt ein ſpaͤ-
terer Ausſpruch eines Orakels ſelber, *) entquollen der
Erde eine Menge von Orakeln, Quellen und Daͤm-
pfen, welche mit goͤttlichem Wahnſinn erfuͤllten. Die
Erde aber, vermoͤge jener Veraͤnderungen, welche
die Zeit herbeyfuͤhrt, hat jene Quellen, Daͤmpfe und
Orakel wieder in ſich aufgenommen. Nur noch die zu
Micale, in den Gefilden von Didime, jene von Cla-
ros und das Orakel des Parnaß ſind geblieben.“ Die-
ſe und aͤhnliche Anſichten von dem Entſtehen und end-
lichen Aufhoͤren der Orakel, wird man haͤufig im Alter-
thum finden.
Wenn auch bey einigen Orakeln, wo ſich dem Fra-
genden die Zukunft unmittelbar in ſich ſelber (durch
Traͤume oder Viſionen) offenbarte, die Vorbereitung
durch Faſten und Enthaltſamkeit geſchahe, **) wurde
doch auch dieſe Nuͤchternheit zuletzt durch Einwirkun-
gen von berauſchender Natur unterbrochen. So fin-
den wir uͤberall den Zuſtand jener wilden Begeiſterung,
welchem ſich die Zukunft in truͤben Lichte oͤffnet, durch ge-
waltſame Mittel herbeygefuͤhrt, unter denen wohl das
*) Bey Porphirius.
**) Wie bey dem des Amphiaraus in Attica und bey dem
des Trophonius.
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Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/111>, abgerufen am 23.11.2024.
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