Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

sie und Meiste geschehen, wie auch in der physischen
und geistigen Welt, der späteren langsamen Entwicklung,
erst der Moment der Erzeugung und der lebendigen
Idee des Ganzen vorausgehen mußte, ohne welchen
jene nur krankhafte Auswüchse und Molen erzeugt,
und es würde ein Jahrtausende langes, noch so langsa-
mes und mühseeliges Fortarbeiten der untergeordneten
Geister, das Werk des Ganzen nicht um ein Haar-
breit fördern, wenn nicht aus jenen seltneren Genien
der belebende, gestaltende und ordnende Funke aus-
gienge. Was uns der Geist der Welt aus Jenen wahr-
haf Berufenen und Begeisterten, und was er uns in
jenen höheren Momenten des Empfangens der Ideen
offenbart, ist das wahrhaft Göttliche unsrer Natur,
und erst später fügt sich diesem, allmälig in der Welt
des Besondern fortbildend, das Menschliche an.

Was Kepler als Führer und Urheber des Ganzen
den künftigen Zeiten zur weitern Ausarbeitung überge-
ben, das große Ganze, wozu er jenen die Ausführung
und Anwendung im Einzelnen übertragen, fieng schon
das seltne mathematische Talent des Neuton an, müh-
sam und mit tiefer Gründlichkeit auszuarbeiten. Die-
ser war berufen, zuerst Hand an das mächtige Werk
zu legen, wozu der Baumeister nicht allein den Plan
und Umriß, sondern auch den nöthigen Boden und die
Materialien gegeben. Dem Beyspiele dieses Mannes,
dessen Streben und dessen Werk dem Geist des Zeital-
ters und der Menge näher verwandt war, als der des

ſie und Meiſte geſchehen, wie auch in der phyſiſchen
und geiſtigen Welt, der ſpaͤteren langſamen Entwicklung,
erſt der Moment der Erzeugung und der lebendigen
Idee des Ganzen vorausgehen mußte, ohne welchen
jene nur krankhafte Auswuͤchſe und Molen erzeugt,
und es wuͤrde ein Jahrtauſende langes, noch ſo langſa-
mes und muͤhſeeliges Fortarbeiten der untergeordneten
Geiſter, das Werk des Ganzen nicht um ein Haar-
breit foͤrdern, wenn nicht aus jenen ſeltneren Genien
der belebende, geſtaltende und ordnende Funke aus-
gienge. Was uns der Geiſt der Welt aus Jenen wahr-
haf Berufenen und Begeiſterten, und was er uns in
jenen hoͤheren Momenten des Empfangens der Ideen
offenbart, iſt das wahrhaft Goͤttliche unſrer Natur,
und erſt ſpaͤter fuͤgt ſich dieſem, allmaͤlig in der Welt
des Beſondern fortbildend, das Menſchliche an.

Was Kepler als Fuͤhrer und Urheber des Ganzen
den kuͤnftigen Zeiten zur weitern Ausarbeitung uͤberge-
ben, das große Ganze, wozu er jenen die Ausfuͤhrung
und Anwendung im Einzelnen uͤbertragen, fieng ſchon
das ſeltne mathematiſche Talent des Neuton an, muͤh-
ſam und mit tiefer Gruͤndlichkeit auszuarbeiten. Die-
ſer war berufen, zuerſt Hand an das maͤchtige Werk
zu legen, wozu der Baumeiſter nicht allein den Plan
und Umriß, ſondern auch den noͤthigen Boden und die
Materialien gegeben. Dem Beyſpiele dieſes Mannes,
deſſen Streben und deſſen Werk dem Geiſt des Zeital-
ters und der Menge naͤher verwandt war, als der des

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0171" n="157"/>
&#x017F;ie und Mei&#x017F;te ge&#x017F;chehen, wie auch in der phy&#x017F;i&#x017F;chen<lb/>
und gei&#x017F;tigen Welt, der &#x017F;pa&#x0364;teren lang&#x017F;amen Entwicklung,<lb/>
er&#x017F;t der Moment der Erzeugung und der lebendigen<lb/>
Idee des Ganzen vorausgehen mußte, ohne welchen<lb/>
jene nur krankhafte Auswu&#x0364;ch&#x017F;e und Molen erzeugt,<lb/>
und es wu&#x0364;rde ein Jahrtau&#x017F;ende langes, noch &#x017F;o lang&#x017F;a-<lb/>
mes und mu&#x0364;h&#x017F;eeliges Fortarbeiten der untergeordneten<lb/>
Gei&#x017F;ter, das Werk des Ganzen nicht um ein Haar-<lb/>
breit fo&#x0364;rdern, wenn nicht aus jenen &#x017F;eltneren Genien<lb/>
der belebende, ge&#x017F;taltende und ordnende Funke aus-<lb/>
gienge. Was uns der Gei&#x017F;t der Welt aus Jenen wahr-<lb/>
haf Berufenen und Begei&#x017F;terten, und was er uns in<lb/>
jenen ho&#x0364;heren Momenten des Empfangens der Ideen<lb/>
offenbart, i&#x017F;t das wahrhaft Go&#x0364;ttliche un&#x017F;rer Natur,<lb/>
und er&#x017F;t &#x017F;pa&#x0364;ter fu&#x0364;gt &#x017F;ich die&#x017F;em, allma&#x0364;lig in der Welt<lb/>
des Be&#x017F;ondern fortbildend, das Men&#x017F;chliche an.</p><lb/>
        <p>Was Kepler als Fu&#x0364;hrer und Urheber des Ganzen<lb/>
den ku&#x0364;nftigen Zeiten zur weitern Ausarbeitung u&#x0364;berge-<lb/>
ben, das große Ganze, wozu er jenen die Ausfu&#x0364;hrung<lb/>
und Anwendung im Einzelnen u&#x0364;bertragen, fieng &#x017F;chon<lb/>
das &#x017F;eltne mathemati&#x017F;che Talent des Neuton an, mu&#x0364;h-<lb/>
&#x017F;am und mit tiefer Gru&#x0364;ndlichkeit auszuarbeiten. Die-<lb/>
&#x017F;er war berufen, zuer&#x017F;t Hand an das ma&#x0364;chtige Werk<lb/>
zu legen, wozu der Baumei&#x017F;ter nicht allein den Plan<lb/>
und Umriß, &#x017F;ondern auch den no&#x0364;thigen Boden und die<lb/>
Materialien gegeben. Dem Bey&#x017F;piele die&#x017F;es Mannes,<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Streben und de&#x017F;&#x017F;en Werk dem Gei&#x017F;t des Zeital-<lb/>
ters und der Menge na&#x0364;her verwandt war, als der des<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[157/0171] ſie und Meiſte geſchehen, wie auch in der phyſiſchen und geiſtigen Welt, der ſpaͤteren langſamen Entwicklung, erſt der Moment der Erzeugung und der lebendigen Idee des Ganzen vorausgehen mußte, ohne welchen jene nur krankhafte Auswuͤchſe und Molen erzeugt, und es wuͤrde ein Jahrtauſende langes, noch ſo langſa- mes und muͤhſeeliges Fortarbeiten der untergeordneten Geiſter, das Werk des Ganzen nicht um ein Haar- breit foͤrdern, wenn nicht aus jenen ſeltneren Genien der belebende, geſtaltende und ordnende Funke aus- gienge. Was uns der Geiſt der Welt aus Jenen wahr- haf Berufenen und Begeiſterten, und was er uns in jenen hoͤheren Momenten des Empfangens der Ideen offenbart, iſt das wahrhaft Goͤttliche unſrer Natur, und erſt ſpaͤter fuͤgt ſich dieſem, allmaͤlig in der Welt des Beſondern fortbildend, das Menſchliche an. Was Kepler als Fuͤhrer und Urheber des Ganzen den kuͤnftigen Zeiten zur weitern Ausarbeitung uͤberge- ben, das große Ganze, wozu er jenen die Ausfuͤhrung und Anwendung im Einzelnen uͤbertragen, fieng ſchon das ſeltne mathematiſche Talent des Neuton an, muͤh- ſam und mit tiefer Gruͤndlichkeit auszuarbeiten. Die- ſer war berufen, zuerſt Hand an das maͤchtige Werk zu legen, wozu der Baumeiſter nicht allein den Plan und Umriß, ſondern auch den noͤthigen Boden und die Materialien gegeben. Dem Beyſpiele dieſes Mannes, deſſen Streben und deſſen Werk dem Geiſt des Zeital- ters und der Menge naͤher verwandt war, als der des

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/171
Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/171>, abgerufen am 21.11.2024.