der Sonne ihrer Masse proportional sey. (cum ejus mole crescit.) Am merkwürdigsten ist aber in dieser Hinsicht, was er im 36sten Capitel desselben Werkes sagt, wo er das Gesetz der Schwere, daß diese im um- gekehrten Verhältnis des Quadrats der Entfernungen steht, wörtlich ausspricht, dann aber selber wieder von sich weißt. Er erzählt nämlich daselbst, wie er sich so lange mit dem Einwurf gequält habe, daß aus der Vergleichung der Anziehungskraft der Sonne ge- gen die Planeten mit dem Lichte (eine Vergleichung, die er, wie ich oben schon erwähnte, öfters macht) zu folgen scheine, daß dieselbe im verkehrten Verhältnis der Quadrate oder Würfel der Entfernungen seyn müsse, da es doch gewiß sey, daß sie, so wie die Geschwindigkeit der Planeten in der Sonnennähe und Sonnenferne, nur dem ein- fachen Verhältnis der Entfernungen folgen könne. Er hebt diesen Einwurf, der ihm aus der rechten Erkennt- niß der Wahrheit selber entgegen kam, zuletzt dadurch, daß er durch verschiedne unrichtige Sätze zu beweisen sucht, daß dieses Verhältnis auch nur bey der Erleuch- tung eigentlich Statt finde.
So hat, kann man sagen, Kepler das Gesetz der Schwere nicht blos geahndet, sondern wörtlich und klar ausgesprochen, wie der erwähnte Innhalt des 36sten Capitels seines Werks über Mars noch viel deutlicher zeigt, als die gewöhnlich aus seiner Harmo- nie der Welten angeführte Stelle über die Anziehung
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der Sonne ihrer Maſſe proportional ſey. (cum ejus mole crescit.) Am merkwuͤrdigſten iſt aber in dieſer Hinſicht, was er im 36ſten Capitel deſſelben Werkes ſagt, wo er das Geſetz der Schwere, daß dieſe im um- gekehrten Verhaͤltnis des Quadrats der Entfernungen ſteht, woͤrtlich ausſpricht, dann aber ſelber wieder von ſich weißt. Er erzaͤhlt naͤmlich daſelbſt, wie er ſich ſo lange mit dem Einwurf gequaͤlt habe, daß aus der Vergleichung der Anziehungskraft der Sonne ge- gen die Planeten mit dem Lichte (eine Vergleichung, die er, wie ich oben ſchon erwaͤhnte, oͤfters macht) zu folgen ſcheine, daß dieſelbe im verkehrten Verhaͤltnis der Quadrate oder Wuͤrfel der Entfernungen ſeyn muͤſſe, da es doch gewiß ſey, daß ſie, ſo wie die Geſchwindigkeit der Planeten in der Sonnennaͤhe und Sonnenferne, nur dem ein- fachen Verhaͤltnis der Entfernungen folgen koͤnne. Er hebt dieſen Einwurf, der ihm aus der rechten Erkennt- niß der Wahrheit ſelber entgegen kam, zuletzt dadurch, daß er durch verſchiedne unrichtige Saͤtze zu beweiſen ſucht, daß dieſes Verhaͤltnis auch nur bey der Erleuch- tung eigentlich Statt finde.
So hat, kann man ſagen, Kepler das Geſetz der Schwere nicht blos geahndet, ſondern woͤrtlich und klar ausgeſprochen, wie der erwaͤhnte Innhalt des 36ſten Capitels ſeines Werks uͤber Mars noch viel deutlicher zeigt, als die gewoͤhnlich aus ſeiner Harmo- nie der Welten angefuͤhrte Stelle uͤber die Anziehung
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der Sonne ihrer Maſſe proportional ſey. (cum ejus
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Hinſicht, was er im 36ſten Capitel deſſelben Werkes
ſagt, wo er das Geſetz der Schwere, daß dieſe im um-
gekehrten Verhaͤltnis des Quadrats der Entfernungen
ſteht, woͤrtlich ausſpricht, dann aber ſelber wieder
von ſich weißt. Er erzaͤhlt naͤmlich daſelbſt, wie er ſich
ſo lange mit dem Einwurf gequaͤlt habe, daß aus
der Vergleichung der Anziehungskraft der Sonne ge-
gen die Planeten mit dem Lichte (eine Vergleichung,
die er, wie ich oben ſchon erwaͤhnte, oͤfters macht)
zu folgen ſcheine, daß dieſelbe im verkehrten
Verhaͤltnis der Quadrate oder Wuͤrfel der
Entfernungen ſeyn muͤſſe, da es doch gewiß
ſey, daß ſie, ſo wie die Geſchwindigkeit der Planeten
in der Sonnennaͤhe und Sonnenferne, nur dem ein-
fachen Verhaͤltnis der Entfernungen folgen koͤnne. Er
hebt dieſen Einwurf, der ihm aus der rechten Erkennt-
niß der Wahrheit ſelber entgegen kam, zuletzt dadurch,
daß er durch verſchiedne unrichtige Saͤtze zu beweiſen
ſucht, daß dieſes Verhaͤltnis auch nur bey der Erleuch-
tung eigentlich Statt finde.
So hat, kann man ſagen, Kepler das Geſetz der
Schwere nicht blos geahndet, ſondern woͤrtlich und
klar ausgeſprochen, wie der erwaͤhnte Innhalt des
36ſten Capitels ſeines Werks uͤber Mars noch viel
deutlicher zeigt, als die gewoͤhnlich aus ſeiner Harmo-
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Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/175>, abgerufen am 21.11.2024.
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