pfindliches Thier sich zusammenziehen, nicht jene ziem- lich zahlreichen Pflanzen aus sehr verschiednen Ge- schlechtern, welche den Mimosen an Empfindlichkeit gleichen, bilden die einzige Annäherung der Pflanzen- natur an die thierische, sondern in den meisten Blüthen der vollkommener organisirten Kräuter, wird, in den höchsten Augenblicken des Blühens, welche zugleich die des Absterbens der Blume sind, eine thierische Reiz- barkeit und wie von einem Instinkt getriebene Beweg- lichkeit, wenigstens einzelner Theile gefunden.
Die Spuren einer solchen thierischen Reizbarkeit, lassen sich in der Pflanzenwelt ziemlich weit herab ver- folgen. Wir müssen jedoch mit denen eigentlich dahin gehörigen Erscheinungen nicht die Bewegungen ver- wechseln, die wir schon bey einigen moosartigen Ge- wächsen, oder bey den sogenannten Kryptogamisten finden, weil diese auf eine sonderbare Weise nach me- chanischen Gesetzen geschehen. So würde die vollkom- menste Mechanik kaum jene merkwürdigen Vorrichtungen hervorbringen, welche Sprengel an den reifen Früch- ten der Jungermannien, einer Art von Aftermoos be- schreibt. Die reifen Fruchtkörner erscheinen dem un- bewaffneten Auge, nur als brauner Staub, durch das Vergrößerungsglas gesehen, findet sich jedes einzelne mit einer kettenförmigen Schleuder versehen, welches, wie es scheint wegen seiner hygrometrischen Beschaf- fenheit, bey jedem Hauche sich windet und hüpfet, wodurch die Saamen ausgestreut werden, Eine ähn-
pfindliches Thier ſich zuſammenziehen, nicht jene ziem- lich zahlreichen Pflanzen aus ſehr verſchiednen Ge- ſchlechtern, welche den Mimoſen an Empfindlichkeit gleichen, bilden die einzige Annaͤherung der Pflanzen- natur an die thieriſche, ſondern in den meiſten Bluͤthen der vollkommener organiſirten Kraͤuter, wird, in den hoͤchſten Augenblicken des Bluͤhens, welche zugleich die des Abſterbens der Blume ſind, eine thieriſche Reiz- barkeit und wie von einem Inſtinkt getriebene Beweg- lichkeit, wenigſtens einzelner Theile gefunden.
Die Spuren einer ſolchen thieriſchen Reizbarkeit, laſſen ſich in der Pflanzenwelt ziemlich weit herab ver- folgen. Wir muͤſſen jedoch mit denen eigentlich dahin gehoͤrigen Erſcheinungen nicht die Bewegungen ver- wechſeln, die wir ſchon bey einigen moosartigen Ge- waͤchſen, oder bey den ſogenannten Kryptogamiſten finden, weil dieſe auf eine ſonderbare Weiſe nach me- chaniſchen Geſetzen geſchehen. So wuͤrde die vollkom- menſte Mechanik kaum jene merkwuͤrdigen Vorrichtungen hervorbringen, welche Sprengel an den reifen Fruͤch- ten der Jungermannien, einer Art von Aftermoos be- ſchreibt. Die reifen Fruchtkoͤrner erſcheinen dem un- bewaffneten Auge, nur als brauner Staub, durch das Vergroͤßerungsglas geſehen, findet ſich jedes einzelne mit einer kettenfoͤrmigen Schleuder verſehen, welches, wie es ſcheint wegen ſeiner hygrometriſchen Beſchaf- fenheit, bey jedem Hauche ſich windet und huͤpfet, wodurch die Saamen ausgeſtreut werden, Eine aͤhn-
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pfindliches Thier ſich zuſammenziehen, nicht jene ziem-
lich zahlreichen Pflanzen aus ſehr verſchiednen Ge-
ſchlechtern, welche den Mimoſen an Empfindlichkeit
gleichen, bilden die einzige Annaͤherung der Pflanzen-
natur an die thieriſche, ſondern in den meiſten Bluͤthen
der vollkommener organiſirten Kraͤuter, wird, in den
hoͤchſten Augenblicken des Bluͤhens, welche zugleich die
des Abſterbens der Blume ſind, eine thieriſche Reiz-
barkeit und wie von einem Inſtinkt getriebene Beweg-
lichkeit, wenigſtens einzelner Theile gefunden.
Die Spuren einer ſolchen thieriſchen Reizbarkeit,
laſſen ſich in der Pflanzenwelt ziemlich weit herab ver-
folgen. Wir muͤſſen jedoch mit denen eigentlich dahin
gehoͤrigen Erſcheinungen nicht die Bewegungen ver-
wechſeln, die wir ſchon bey einigen moosartigen Ge-
waͤchſen, oder bey den ſogenannten Kryptogamiſten
finden, weil dieſe auf eine ſonderbare Weiſe nach me-
chaniſchen Geſetzen geſchehen. So wuͤrde die vollkom-
menſte Mechanik kaum jene merkwuͤrdigen Vorrichtungen
hervorbringen, welche Sprengel an den reifen Fruͤch-
ten der Jungermannien, einer Art von Aftermoos be-
ſchreibt. Die reifen Fruchtkoͤrner erſcheinen dem un-
bewaffneten Auge, nur als brauner Staub, durch das
Vergroͤßerungsglas geſehen, findet ſich jedes einzelne
mit einer kettenfoͤrmigen Schleuder verſehen, welches,
wie es ſcheint wegen ſeiner hygrometriſchen Beſchaf-
fenheit, bey jedem Hauche ſich windet und huͤpfet,
wodurch die Saamen ausgeſtreut werden, Eine aͤhn-
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Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/260>, abgerufen am 25.11.2024.
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