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Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808.

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Farbe und Größe sehr genau einer großen Spinne je-
nes Landes ähnlich, die sich, auf Beute lauernd, öf-
ters unter den Blumen verbirgt. Nicht minder bemerkt
man, daß das Grün der grünen Raupen sich nach dem
Grün der Pflanzen richtet, von denen sie sich nähren,
doch geschieht dieses wahrscheinlich durch eine ähnliche
Uebereinstimmung, wie diejenige ist, die wir auch noch
im höheren Thierreich finden, wo viele die Farbe ih-
res gewohnlichen Aufenthalts tragen, wie die Polar-
thiere während des langen Winters sogar die Farbe des
Schnees annehmen.

Jene genauere Uebereinstimmung der äußern Ge-
stalt einiger Pflanzentheile, mit der gewisser Insek-
ten, von der ich nur einige Beyspiele angeführt habe,
nebst jenen Spuren eines Zustandes der Blüthentheile,
welcher gleichsam die Vorahndung des thierischen ist,
scheinen auf eine nähere Verwandschaft der Pflanzen
und der Insekt[en] hinzudeuten, und auf eine andre, als
die ist, welche aus der gewöhnlichen Annahme einer
aufsteigenden Naturreihe hervorgienge. Die Blume
scheint in dem höchsten Augenblick ihres Blühens, wel-
cher zugleich das Ende ihres stillen Daseyns ist, das
scheidende Leben den Insekten zu übertragen, und in
diese auszuhauchen, welche gerade in der Zeit ihrer Lie-
be und ihrer eignen Vermählung den Kelch der Blume
besuchen, und so, keines langen Zwischenzustandes
bedürftig, scheint der entweichende Geist, durch neue
Zeugung schnell in ein höheres Daseyn hinüber zu ge-

Farbe und Groͤße ſehr genau einer großen Spinne je-
nes Landes aͤhnlich, die ſich, auf Beute lauernd, oͤf-
ters unter den Blumen verbirgt. Nicht minder bemerkt
man, daß das Gruͤn der gruͤnen Raupen ſich nach dem
Gruͤn der Pflanzen richtet, von denen ſie ſich naͤhren,
doch geſchieht dieſes wahrſcheinlich durch eine aͤhnliche
Uebereinſtimmung, wie diejenige iſt, die wir auch noch
im hoͤheren Thierreich finden, wo viele die Farbe ih-
res gewohnlichen Aufenthalts tragen, wie die Polar-
thiere waͤhrend des langen Winters ſogar die Farbe des
Schnees annehmen.

Jene genauere Uebereinſtimmung der aͤußern Ge-
ſtalt einiger Pflanzentheile, mit der gewiſſer Inſek-
ten, von der ich nur einige Beyſpiele angefuͤhrt habe,
nebſt jenen Spuren eines Zuſtandes der Bluͤthentheile,
welcher gleichſam die Vorahndung des thieriſchen iſt,
ſcheinen auf eine naͤhere Verwandſchaft der Pflanzen
und der Inſekt[en] hinzudeuten, und auf eine andre, als
die iſt, welche aus der gewoͤhnlichen Annahme einer
aufſteigenden Naturreihe hervorgienge. Die Blume
ſcheint in dem hoͤchſten Augenblick ihres Bluͤhens, wel-
cher zugleich das Ende ihres ſtillen Daſeyns iſt, das
ſcheidende Leben den Inſekten zu uͤbertragen, und in
dieſe auszuhauchen, welche gerade in der Zeit ihrer Lie-
be und ihrer eignen Vermaͤhlung den Kelch der Blume
beſuchen, und ſo, keines langen Zwiſchenzuſtandes
beduͤrftig, ſcheint der entweichende Geiſt, durch neue
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[253/0267] Farbe und Groͤße ſehr genau einer großen Spinne je- nes Landes aͤhnlich, die ſich, auf Beute lauernd, oͤf- ters unter den Blumen verbirgt. Nicht minder bemerkt man, daß das Gruͤn der gruͤnen Raupen ſich nach dem Gruͤn der Pflanzen richtet, von denen ſie ſich naͤhren, doch geſchieht dieſes wahrſcheinlich durch eine aͤhnliche Uebereinſtimmung, wie diejenige iſt, die wir auch noch im hoͤheren Thierreich finden, wo viele die Farbe ih- res gewohnlichen Aufenthalts tragen, wie die Polar- thiere waͤhrend des langen Winters ſogar die Farbe des Schnees annehmen. Jene genauere Uebereinſtimmung der aͤußern Ge- ſtalt einiger Pflanzentheile, mit der gewiſſer Inſek- ten, von der ich nur einige Beyſpiele angefuͤhrt habe, nebſt jenen Spuren eines Zuſtandes der Bluͤthentheile, welcher gleichſam die Vorahndung des thieriſchen iſt, ſcheinen auf eine naͤhere Verwandſchaft der Pflanzen und der Inſekten hinzudeuten, und auf eine andre, als die iſt, welche aus der gewoͤhnlichen Annahme einer aufſteigenden Naturreihe hervorgienge. Die Blume ſcheint in dem hoͤchſten Augenblick ihres Bluͤhens, wel- cher zugleich das Ende ihres ſtillen Daſeyns iſt, das ſcheidende Leben den Inſekten zu uͤbertragen, und in dieſe auszuhauchen, welche gerade in der Zeit ihrer Lie- be und ihrer eignen Vermaͤhlung den Kelch der Blume beſuchen, und ſo, keines langen Zwiſchenzuſtandes beduͤrftig, ſcheint der entweichende Geiſt, durch neue Zeugung ſchnell in ein hoͤheres Daſeyn hinuͤber zu ge-

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Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/267>, abgerufen am 25.11.2024.