2ten Reihe zeigt. Allem Anschein nach zwecklos. Denn obgleich diese Elephantenart im Bau der Zähne den Fleischfressenden Thieren nahe steht, hat sie doch nicht allein die Schwerfälligkeit des Baues, sondern noch mehr die Nothwendigkeit, alles vermittelst des Rüßels zu sich zu nehmen, der Mangel an Klauen, und der ganze übrige Bau, zu einem höchst unvollkommenen Raubthier machen müssen. Wahrscheinlich hat sich dieses Thier höchstens auf die Nahrung von Schaal- thieren und andern unvollkommenen Uferthieren einge- schränkt gesehen, wie auch der ungeheure Wallfisch fast blos von einer kleinen Molluskenart lebt. So hat sich der Charakter der 2ten Reihe hier blos als Streben, als unvollkommene Anlage angekündigt, welche an sich ganz unerreicht geblieben scheint. In solcher Hinsicht müssen uns viele Naturanlagen, die uns in einzelnen Wesen ohne Bestimmung und unnütz erscheinen, eine tiefere Bedeutung erhalten. Was scheint auf den er- sten Anblick zweckloser als jene den Antheren ähnliche Körper bey den Moosen, da sie offenbar, selbst bey dem Streben nach der Bestimmung der Antheren so- wohl durch ihren Bau als durch ihre Stellung, endlich durch die frühere Vergänglichkeit der Individuen, die sie trugen, zu derselben ganzlich unfähig sind. Was scheint ferner zweckloser, als der sogenannte Mittelkno- chen der Sepien, der ohne allen bemerkbaren Nutzen, und ohne einigen Zusammenhang mit dem dermaligen Daseyn, da liegt, wo sich in den höhern Klassen die Wirbelsäule findet. Wie scheint die kleine und unvoll-
2ten Reihe zeigt. Allem Anſchein nach zwecklos. Denn obgleich dieſe Elephantenart im Bau der Zaͤhne den Fleiſchfreſſenden Thieren nahe ſteht, hat ſie doch nicht allein die Schwerfaͤlligkeit des Baues, ſondern noch mehr die Nothwendigkeit, alles vermittelſt des Ruͤßels zu ſich zu nehmen, der Mangel an Klauen, und der ganze uͤbrige Bau, zu einem hoͤchſt unvollkommenen Raubthier machen muͤſſen. Wahrſcheinlich hat ſich dieſes Thier hoͤchſtens auf die Nahrung von Schaal- thieren und andern unvollkommenen Uferthieren einge- ſchraͤnkt geſehen, wie auch der ungeheure Wallfiſch faſt blos von einer kleinen Molluskenart lebt. So hat ſich der Charakter der 2ten Reihe hier blos als Streben, als unvollkommene Anlage angekuͤndigt, welche an ſich ganz unerreicht geblieben ſcheint. In ſolcher Hinſicht muͤſſen uns viele Naturanlagen, die uns in einzelnen Weſen ohne Beſtimmung und unnuͤtz erſcheinen, eine tiefere Bedeutung erhalten. Was ſcheint auf den er- ſten Anblick zweckloſer als jene den Antheren aͤhnliche Koͤrper bey den Mooſen, da ſie offenbar, ſelbſt bey dem Streben nach der Beſtimmung der Antheren ſo- wohl durch ihren Bau als durch ihre Stellung, endlich durch die fruͤhere Vergaͤnglichkeit der Individuen, die ſie trugen, zu derſelben ganzlich unfaͤhig ſind. Was ſcheint ferner zweckloſer, als der ſogenannte Mittelkno- chen der Sepien, der ohne allen bemerkbaren Nutzen, und ohne einigen Zuſammenhang mit dem dermaligen Daſeyn, da liegt, wo ſich in den hoͤhern Klaſſen die Wirbelſaͤule findet. Wie ſcheint die kleine und unvoll-
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2ten Reihe zeigt. Allem Anſchein nach zwecklos. Denn
obgleich dieſe Elephantenart im Bau der Zaͤhne den
Fleiſchfreſſenden Thieren nahe ſteht, hat ſie doch nicht
allein die Schwerfaͤlligkeit des Baues, ſondern noch
mehr die Nothwendigkeit, alles vermittelſt des Ruͤßels
zu ſich zu nehmen, der Mangel an Klauen, und der
ganze uͤbrige Bau, zu einem hoͤchſt unvollkommenen
Raubthier machen muͤſſen. Wahrſcheinlich hat ſich
dieſes Thier hoͤchſtens auf die Nahrung von Schaal-
thieren und andern unvollkommenen Uferthieren einge-
ſchraͤnkt geſehen, wie auch der ungeheure Wallfiſch faſt
blos von einer kleinen Molluskenart lebt. So hat ſich
der Charakter der 2ten Reihe hier blos als Streben,
als unvollkommene Anlage angekuͤndigt, welche an ſich
ganz unerreicht geblieben ſcheint. In ſolcher Hinſicht
muͤſſen uns viele Naturanlagen, die uns in einzelnen
Weſen ohne Beſtimmung und unnuͤtz erſcheinen, eine
tiefere Bedeutung erhalten. Was ſcheint auf den er-
ſten Anblick zweckloſer als jene den Antheren aͤhnliche
Koͤrper bey den Mooſen, da ſie offenbar, ſelbſt bey
dem Streben nach der Beſtimmung der Antheren ſo-
wohl durch ihren Bau als durch ihre Stellung, endlich
durch die fruͤhere Vergaͤnglichkeit der Individuen, die
ſie trugen, zu derſelben ganzlich unfaͤhig ſind. Was
ſcheint ferner zweckloſer, als der ſogenannte Mittelkno-
chen der Sepien, der ohne allen bemerkbaren Nutzen,
und ohne einigen Zuſammenhang mit dem dermaligen
Daſeyn, da liegt, wo ſich in den hoͤhern Klaſſen die
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Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/330>, abgerufen am 24.11.2024.
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