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Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808.

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es nun, daß, wie es wirklich aus einigen damals auf-
geführten Thatsachen geschienen, die Geschlechter der
Pflanzenfressenden Thiere früher entstunden, als die
der Raubthiere, und daß schon die zahlreichen Ge-
schlechter der Seethiere, welche mit den jetzt lebenden
so wenig übereinstimmend, in den Gebirgen früherer
Zeiten gefunden werden, der Anfang der ersten, hin-
aufwärts strebenden Reihe waren, während die jetzigen
Geschlechter jener unvollkommnen Thiere, das letzte
Werk der ihrem Verschwinden nahen Productionskraft
der äußern Natur, und das letzte Ende der jüngeren
zweyten Reihe sind; oder sey es, daß beyde sich ent-
gegengesetzte Reihen zu gleicher Zeit entstunden, so
sind sie uns ein deutlicher Beweis für jene höhere See-
le, welche über allen einzelnen Geschlechtern schwe-
bend, erst durch die Vereinigung aller, ein vollende-
tes selbstständiges Ganze bildet. Denn indem sich die
Kräfte der thierischen Natur in der tiefsten Reihe nur
nach der einen Seite ausbilden, entfalten sie sich doch
in der zweyten nur eben so unvollständig nach der an-
dern Seite. Ja diese zweyte Reihe ist nur in Beziehung
auf die erste. Erst in beyden Reihen zusammen, scheint
sich das innre Wesen der Thierwelt vollkommen aus-
zusprechen, und selbst in den äußerlichen Verhältnis-
sen des Menschen, stellte sich dieses, wenigstens wie
er Anfangs auftrat, noch nicht vollkommen dar, son-
dern wir sehen ihn in Hinsicht seiner körperlichen Bil-
dung sich mehr nach der einen Seite herüberneigen.
Nur in dem schaffenden Geist, aus welchem sie alle
sind, nur in dem höheren Einfluß, in welchem das
Leben Aller erhalten wird und besteht, sind die Einzel-
nen die nur in Beziehung auf einander seyn können,
ein vollständiges Ganze, und in ihm allein löst sich der

es nun, daß, wie es wirklich aus einigen damals auf-
gefuͤhrten Thatſachen geſchienen, die Geſchlechter der
Pflanzenfreſſenden Thiere fruͤher entſtunden, als die
der Raubthiere, und daß ſchon die zahlreichen Ge-
ſchlechter der Seethiere, welche mit den jetzt lebenden
ſo wenig uͤbereinſtimmend, in den Gebirgen fruͤherer
Zeiten gefunden werden, der Anfang der erſten, hin-
aufwaͤrts ſtrebenden Reihe waren, waͤhrend die jetzigen
Geſchlechter jener unvollkommnen Thiere, das letzte
Werk der ihrem Verſchwinden nahen Productionskraft
der aͤußern Natur, und das letzte Ende der juͤngeren
zweyten Reihe ſind; oder ſey es, daß beyde ſich ent-
gegengeſetzte Reihen zu gleicher Zeit entſtunden, ſo
ſind ſie uns ein deutlicher Beweis fuͤr jene hoͤhere See-
le, welche uͤber allen einzelnen Geſchlechtern ſchwe-
bend, erſt durch die Vereinigung aller, ein vollende-
tes ſelbſtſtaͤndiges Ganze bildet. Denn indem ſich die
Kraͤfte der thieriſchen Natur in der tiefſten Reihe nur
nach der einen Seite ausbilden, entfalten ſie ſich doch
in der zweyten nur eben ſo unvollſtaͤndig nach der an-
dern Seite. Ja dieſe zweyte Reihe iſt nur in Beziehung
auf die erſte. Erſt in beyden Reihen zuſammen, ſcheint
ſich das innre Weſen der Thierwelt vollkommen aus-
zuſprechen, und ſelbſt in den aͤußerlichen Verhaͤltniſ-
ſen des Menſchen, ſtellte ſich dieſes, wenigſtens wie
er Anfangs auftrat, noch nicht vollkommen dar, ſon-
dern wir ſehen ihn in Hinſicht ſeiner koͤrperlichen Bil-
dung ſich mehr nach der einen Seite heruͤberneigen.
Nur in dem ſchaffenden Geiſt, aus welchem ſie alle
ſind, nur in dem hoͤheren Einfluß, in welchem das
Leben Aller erhalten wird und beſteht, ſind die Einzel-
nen die nur in Beziehung auf einander ſeyn koͤnnen,
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[379/0393] es nun, daß, wie es wirklich aus einigen damals auf- gefuͤhrten Thatſachen geſchienen, die Geſchlechter der Pflanzenfreſſenden Thiere fruͤher entſtunden, als die der Raubthiere, und daß ſchon die zahlreichen Ge- ſchlechter der Seethiere, welche mit den jetzt lebenden ſo wenig uͤbereinſtimmend, in den Gebirgen fruͤherer Zeiten gefunden werden, der Anfang der erſten, hin- aufwaͤrts ſtrebenden Reihe waren, waͤhrend die jetzigen Geſchlechter jener unvollkommnen Thiere, das letzte Werk der ihrem Verſchwinden nahen Productionskraft der aͤußern Natur, und das letzte Ende der juͤngeren zweyten Reihe ſind; oder ſey es, daß beyde ſich ent- gegengeſetzte Reihen zu gleicher Zeit entſtunden, ſo ſind ſie uns ein deutlicher Beweis fuͤr jene hoͤhere See- le, welche uͤber allen einzelnen Geſchlechtern ſchwe- bend, erſt durch die Vereinigung aller, ein vollende- tes ſelbſtſtaͤndiges Ganze bildet. Denn indem ſich die Kraͤfte der thieriſchen Natur in der tiefſten Reihe nur nach der einen Seite ausbilden, entfalten ſie ſich doch in der zweyten nur eben ſo unvollſtaͤndig nach der an- dern Seite. Ja dieſe zweyte Reihe iſt nur in Beziehung auf die erſte. Erſt in beyden Reihen zuſammen, ſcheint ſich das innre Weſen der Thierwelt vollkommen aus- zuſprechen, und ſelbſt in den aͤußerlichen Verhaͤltniſ- ſen des Menſchen, ſtellte ſich dieſes, wenigſtens wie er Anfangs auftrat, noch nicht vollkommen dar, ſon- dern wir ſehen ihn in Hinſicht ſeiner koͤrperlichen Bil- dung ſich mehr nach der einen Seite heruͤberneigen. Nur in dem ſchaffenden Geiſt, aus welchem ſie alle ſind, nur in dem hoͤheren Einfluß, in welchem das Leben Aller erhalten wird und beſteht, ſind die Einzel- nen die nur in Beziehung auf einander ſeyn koͤnnen, ein vollſtaͤndiges Ganze, und in ihm allein loͤſt ſich der

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Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/393>, abgerufen am 22.11.2024.