de Mensch sich jener Obergewalt mehr entziehen, oder der Mensch wurde allmählig, während die Gewalt jenes höheren Einflusses der (veraltenden) Natur abnahm, auf seine eigne Kraft zurückgewiesen, und zur Selbst- ständigkeit genöthigt. Sey es nun, daß eins oder das andre, oder was wahrscheinlicher ist, beydes zu- gleich statt gefunden, so mußte, je eigenthümlicher sich die Natur des Menschen im Verlauf der Zeiten entwickelte, desto mehr jene ursprüngliche Vollkom- menheit desselben, die nicht sein selbstständiges Eigen- thum war, abnehmen. Der eigne Wille ist es gewe- sen, der den Fall des Menschen aus seiner damaligen Höhe bewirkt hat, und eine eigenthümlichere Vollen- dung seines Wesens hat ihn gegen den höheren Einfluß der Natur unempfänglicher und unabhängiger ge- macht.
So hat die Geschichte des Menschen, als das ho- he Glück der alten Zeit von dem höheren Streben der neueren, welches den Menschen zur Selbstständigkeit erhebt, verdrängt war, durch vielfältiges Unglück und den Untergang ganzer Völker, zu der höchsten Blüthe der neuen Welt, dem Christenthum, den Uebergang ge- funden, und die neue Zeit giebt auf eine eigenthümli- chere und selbstständigere Weise dem Menschen zurück, was er in der alten verlohren. Die wichtige Frage, was der Grund gewesen sey, daß jene hohe Natur- weisheit, einmal erschienen, wieder untergieng? daß das hohe Glück der Urzeit sich unsrem Geschlecht nur
de Menſch ſich jener Obergewalt mehr entziehen, oder der Menſch wurde allmaͤhlig, waͤhrend die Gewalt jenes hoͤheren Einfluſſes der (veraltenden) Natur abnahm, auf ſeine eigne Kraft zuruͤckgewieſen, und zur Selbſt- ſtaͤndigkeit genoͤthigt. Sey es nun, daß eins oder das andre, oder was wahrſcheinlicher iſt, beydes zu- gleich ſtatt gefunden, ſo mußte, je eigenthuͤmlicher ſich die Natur des Menſchen im Verlauf der Zeiten entwickelte, deſto mehr jene urſpruͤngliche Vollkom- menheit deſſelben, die nicht ſein ſelbſtſtaͤndiges Eigen- thum war, abnehmen. Der eigne Wille iſt es gewe- ſen, der den Fall des Menſchen aus ſeiner damaligen Hoͤhe bewirkt hat, und eine eigenthuͤmlichere Vollen- dung ſeines Weſens hat ihn gegen den hoͤheren Einfluß der Natur unempfaͤnglicher und unabhaͤngiger ge- macht.
So hat die Geſchichte des Menſchen, als das ho- he Gluͤck der alten Zeit von dem hoͤheren Streben der neueren, welches den Menſchen zur Selbſtſtaͤndigkeit erhebt, verdraͤngt war, durch vielfaͤltiges Ungluͤck und den Untergang ganzer Voͤlker, zu der hoͤchſten Bluͤthe der neuen Welt, dem Chriſtenthum, den Uebergang ge- funden, und die neue Zeit giebt auf eine eigenthuͤmli- chere und ſelbſtſtaͤndigere Weiſe dem Menſchen zuruͤck, was er in der alten verlohren. Die wichtige Frage, was der Grund geweſen ſey, daß jene hohe Natur- weisheit, einmal erſchienen, wieder untergieng? daß das hohe Gluͤck der Urzeit ſich unſrem Geſchlecht nur
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de Menſch ſich jener Obergewalt mehr entziehen, oder
der Menſch wurde allmaͤhlig, waͤhrend die Gewalt jenes
hoͤheren Einfluſſes der (veraltenden) Natur abnahm,
auf ſeine eigne Kraft zuruͤckgewieſen, und zur Selbſt-
ſtaͤndigkeit genoͤthigt. Sey es nun, daß eins oder
das andre, oder was wahrſcheinlicher iſt, beydes zu-
gleich ſtatt gefunden, ſo mußte, je eigenthuͤmlicher
ſich die Natur des Menſchen im Verlauf der Zeiten
entwickelte, deſto mehr jene urſpruͤngliche Vollkom-
menheit deſſelben, die nicht ſein ſelbſtſtaͤndiges Eigen-
thum war, abnehmen. Der eigne Wille iſt es gewe-
ſen, der den Fall des Menſchen aus ſeiner damaligen
Hoͤhe bewirkt hat, und eine eigenthuͤmlichere Vollen-
dung ſeines Weſens hat ihn gegen den hoͤheren Einfluß
der Natur unempfaͤnglicher und unabhaͤngiger ge-
macht.
So hat die Geſchichte des Menſchen, als das ho-
he Gluͤck der alten Zeit von dem hoͤheren Streben der
neueren, welches den Menſchen zur Selbſtſtaͤndigkeit
erhebt, verdraͤngt war, durch vielfaͤltiges Ungluͤck und
den Untergang ganzer Voͤlker, zu der hoͤchſten Bluͤthe
der neuen Welt, dem Chriſtenthum, den Uebergang ge-
funden, und die neue Zeit giebt auf eine eigenthuͤmli-
chere und ſelbſtſtaͤndigere Weiſe dem Menſchen zuruͤck,
was er in der alten verlohren. Die wichtige Frage,
was der Grund geweſen ſey, daß jene hohe Natur-
weisheit, einmal erſchienen, wieder untergieng? daß
das hohe Gluͤck der Urzeit ſich unſrem Geſchlecht nur
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Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/82>, abgerufen am 27.11.2024.
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