durch den Scorpion und die Schlange dasselbe bezeich- net, was in den egyptischen Mysterien Typhon ist *) und aus dem gemarterten Leibe des untergehenden Thieres, erhebt sich, ewig, und zur Schöpfung der neuen Zeit thätig, die hervorbringende Kraft, aus welcher Blumen und Thiere aufkeimen. Auf dem Aste eines neuausschlagenden Baumes, verkündet mit prophetischem Gesange ein Rabe das Aufleben der neuen Zeit aus der untergehenden alten, und wäh- rend der Genius der Zeit den Stier erlegt, wird in Osten das Bild der aufgehenden Sonne, in Westen das des niedergehenden Mondes gesehen.
So ist in allen jenen Mysterien, der Tod und die Liebe, der Untergang und die Wiedererneuung der Dinge, zu Einem Bild vereint, dargestellt worden. Diese Vereinigung so entgegengesetzt scheinender Dinge, ist in der indischen Mythologie wo möglich noch deutlicher. Eben der Gott Shiven, welcher mit sei- ner Gattin das Bild des Zerstörenden, des Untergan- ges, des Todes ist, wird zugleich als Sinnbild der allerzeugenden Urkraft verehrt. Die Gemahlin des Gottes ist zugleich Königin des Schreckens, des Todes und Göttin der Liebe, des sinnlichen Vergnügens und des Ursprungs der Dinge. **) Wenn bey dem großen
*) Diese werden an den Geschlechtstheilen des Stieres na- gend dargestellt.
**) S. d. P. Paulinus systema Brahmanicum. Uebrigens sind beyde Gottheiten wie überhaupt die Mysterien und
durch den Scorpion und die Schlange daſſelbe bezeich- net, was in den egyptiſchen Myſterien Typhon iſt *) und aus dem gemarterten Leibe des untergehenden Thieres, erhebt ſich, ewig, und zur Schoͤpfung der neuen Zeit thaͤtig, die hervorbringende Kraft, aus welcher Blumen und Thiere aufkeimen. Auf dem Aſte eines neuausſchlagenden Baumes, verkuͤndet mit prophetiſchem Geſange ein Rabe das Aufleben der neuen Zeit aus der untergehenden alten, und waͤh- rend der Genius der Zeit den Stier erlegt, wird in Oſten das Bild der aufgehenden Sonne, in Weſten das des niedergehenden Mondes geſehen.
So iſt in allen jenen Myſterien, der Tod und die Liebe, der Untergang und die Wiedererneuung der Dinge, zu Einem Bild vereint, dargeſtellt worden. Dieſe Vereinigung ſo entgegengeſetzt ſcheinender Dinge, iſt in der indiſchen Mythologie wo moͤglich noch deutlicher. Eben der Gott Shiven, welcher mit ſei- ner Gattin das Bild des Zerſtoͤrenden, des Untergan- ges, des Todes iſt, wird zugleich als Sinnbild der allerzeugenden Urkraft verehrt. Die Gemahlin des Gottes iſt zugleich Koͤnigin des Schreckens, des Todes und Goͤttin der Liebe, des ſinnlichen Vergnuͤgens und des Urſprungs der Dinge. **) Wenn bey dem großen
*) Dieſe werden an den Geſchlechtstheilen des Stieres na- gend dargeſtellt.
**) S. d. P. Paulinus ſyſtema Brahmanicum. Uebrigens ſind beyde Gottheiten wie uͤberhaupt die Myſterien und
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durch den Scorpion und die Schlange daſſelbe bezeich-
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und aus dem gemarterten Leibe des untergehenden
Thieres, erhebt ſich, ewig, und zur Schoͤpfung der
neuen Zeit thaͤtig, die hervorbringende Kraft, aus
welcher Blumen und Thiere aufkeimen. Auf dem
Aſte eines neuausſchlagenden Baumes, verkuͤndet mit
prophetiſchem Geſange ein Rabe das Aufleben der
neuen Zeit aus der untergehenden alten, und waͤh-
rend der Genius der Zeit den Stier erlegt, wird in
Oſten das Bild der aufgehenden Sonne, in Weſten
das des niedergehenden Mondes geſehen.
So iſt in allen jenen Myſterien, der Tod und die
Liebe, der Untergang und die Wiedererneuung der
Dinge, zu Einem Bild vereint, dargeſtellt worden.
Dieſe Vereinigung ſo entgegengeſetzt ſcheinender Dinge,
iſt in der indiſchen Mythologie wo moͤglich noch
deutlicher. Eben der Gott Shiven, welcher mit ſei-
ner Gattin das Bild des Zerſtoͤrenden, des Untergan-
ges, des Todes iſt, wird zugleich als Sinnbild der
allerzeugenden Urkraft verehrt. Die Gemahlin des
Gottes iſt zugleich Koͤnigin des Schreckens, des Todes
und Goͤttin der Liebe, des ſinnlichen Vergnuͤgens und
des Urſprungs der Dinge. **) Wenn bey dem großen
*) Dieſe werden an den Geſchlechtstheilen des Stieres na-
gend dargeſtellt.
**) S. d. P. Paulinus ſyſtema Brahmanicum. Uebrigens
ſind beyde Gottheiten wie uͤberhaupt die Myſterien und
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Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/90>, abgerufen am 27.11.2024.
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