Wenn aber, wie wir im Vorhergehenden sahen, jene Weihungen die Klagen und den Trost über den Untergang der alten herrlichen Vorwelt, und des In- dividuums überhaupt enthielten, wenn sie zugleich trö- stend auf die aufgehende neue Zeit, deren mächtigeres Licht ja allein das schon verbleichende Gestirn der alten Zeit vertrieben, hindeuteten, so war jener Zusammen- hang sehr natürlich. Allerdings war in den Mysterien ungleich mehr bewahrt als Regeln des Landbaues: die Zuversicht des künftigen Heils das aus dem neuen Streben des Menschen erblühen sollte. Aber die Stifter der Mysterien, welche übrigens auch die Cul- tur des Landes als Religionscultus einführten, haben hiermit den Völkern die nöthigen Hülfsmittel zu der nun nöthig gewordnen äußeren Selbstständigkeit und Unabhängigkeit des Menschen von der ungleichen Gunst der Natur (die man nun mehr nach eignen Willen zu erzwingen gewußt) in die Hand gegeben. Der Acker- bau ist, wie wir schon früher sahen, für die neue Zeit charakteristisch.
Die Mysterien bilden einen schönen Uebergang der alten Welt zur neuen. In ihnen, oder mit ihnen zu- gleich, bewahrten die egyptischen Priester die noch übrig- gebliebenen Trümmer der alten Naturweisheit. Die- se wurden nicht auf jene Weise mitgetheilt, wie wir zu unsrer Zeit die Wissenschaft mittheilen, sie wurden allem Anschein nach im gewöhnlichen Sinne weder ge- lehrt noch gelernt; sondern ein Abbild der alten Natur-
Wenn aber, wie wir im Vorhergehenden ſahen, jene Weihungen die Klagen und den Troſt uͤber den Untergang der alten herrlichen Vorwelt, und des In- dividuums uͤberhaupt enthielten, wenn ſie zugleich troͤ- ſtend auf die aufgehende neue Zeit, deren maͤchtigeres Licht ja allein das ſchon verbleichende Geſtirn der alten Zeit vertrieben, hindeuteten, ſo war jener Zuſammen- hang ſehr natuͤrlich. Allerdings war in den Myſterien ungleich mehr bewahrt als Regeln des Landbaues: die Zuverſicht des kuͤnftigen Heils das aus dem neuen Streben des Menſchen erbluͤhen ſollte. Aber die Stifter der Myſterien, welche uͤbrigens auch die Cul- tur des Landes als Religionscultus einfuͤhrten, haben hiermit den Voͤlkern die noͤthigen Huͤlfsmittel zu der nun noͤthig gewordnen aͤußeren Selbſtſtaͤndigkeit und Unabhaͤngigkeit des Menſchen von der ungleichen Gunſt der Natur (die man nun mehr nach eignen Willen zu erzwingen gewußt) in die Hand gegeben. Der Acker- bau iſt, wie wir ſchon fruͤher ſahen, fuͤr die neue Zeit charakteriſtiſch.
Die Myſterien bilden einen ſchoͤnen Uebergang der alten Welt zur neuen. In ihnen, oder mit ihnen zu- gleich, bewahrten die egyptiſchen Prieſter die noch uͤbrig- gebliebenen Truͤmmer der alten Naturweisheit. Die- ſe wurden nicht auf jene Weiſe mitgetheilt, wie wir zu unſrer Zeit die Wiſſenſchaft mittheilen, ſie wurden allem Anſchein nach im gewoͤhnlichen Sinne weder ge- lehrt noch gelernt; ſondern ein Abbild der alten Natur-
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Wenn aber, wie wir im Vorhergehenden ſahen,
jene Weihungen die Klagen und den Troſt uͤber den
Untergang der alten herrlichen Vorwelt, und des In-
dividuums uͤberhaupt enthielten, wenn ſie zugleich troͤ-
ſtend auf die aufgehende neue Zeit, deren maͤchtigeres
Licht ja allein das ſchon verbleichende Geſtirn der alten
Zeit vertrieben, hindeuteten, ſo war jener Zuſammen-
hang ſehr natuͤrlich. Allerdings war in den Myſterien
ungleich mehr bewahrt als Regeln des Landbaues: die
Zuverſicht des kuͤnftigen Heils das aus dem neuen
Streben des Menſchen erbluͤhen ſollte. Aber die
Stifter der Myſterien, welche uͤbrigens auch die Cul-
tur des Landes als Religionscultus einfuͤhrten, haben
hiermit den Voͤlkern die noͤthigen Huͤlfsmittel zu der
nun noͤthig gewordnen aͤußeren Selbſtſtaͤndigkeit und
Unabhaͤngigkeit des Menſchen von der ungleichen Gunſt
der Natur (die man nun mehr nach eignen Willen zu
erzwingen gewußt) in die Hand gegeben. Der Acker-
bau iſt, wie wir ſchon fruͤher ſahen, fuͤr die neue Zeit
charakteriſtiſch.
Die Myſterien bilden einen ſchoͤnen Uebergang der
alten Welt zur neuen. In ihnen, oder mit ihnen zu-
gleich, bewahrten die egyptiſchen Prieſter die noch uͤbrig-
gebliebenen Truͤmmer der alten Naturweisheit. Die-
ſe wurden nicht auf jene Weiſe mitgetheilt, wie wir
zu unſrer Zeit die Wiſſenſchaft mittheilen, ſie wurden
allem Anſchein nach im gewoͤhnlichen Sinne weder ge-
lehrt noch gelernt; ſondern ein Abbild der alten Natur-
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Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/98>, abgerufen am 23.11.2024.
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