grüne Laub, welches nicht, wie ein oberflächlicher An- blick wähnte, von einem unschuldigen Zephir, sondern von der unter ihm liegenden Schlange bewegt wurde, die nur die über ihn liegende Decke noch unschädlich machte, wird dann auf einmal hinweggenommen, und der Mörder in uns, jene Furien, deren Geheul uns Bedlam in dem Kettengerassel seiner Wahnsinnigen nur von fern hören läßt, stehen losgelassen und durch unsere Pflege stark geworden da, und kehren dann zuerst ihre Waffen gegen den, der sie hegte und groß gezogen. Eine Bußpredigt aus dem Tollhause!
O du Unerkannter und doch herzlich Geliebter! Laß doch meinen Mörder, der noch hier bey mir an- geschmiedet sitzet, nicht eher los, bis er erst durch Dich besser geworden!
Wir wollen die Prinzipien jener göttlichen Cor- rectionsanstalt im folgenden Abschnitte etwas näher betrachten. Eine nähere Auseinandersetzung der phy- sischen Eigenschaften des Gangliensystemes, wird uns hierzu den Weg bahnen.
Das Gangliensystem hat im lebendigen Organis- mus das Amt der körperlichen Bildung und Gestal- tung. Sein Geschäft ist: die schon vorhandene Ma- terie zu zerstören, (daher in der Sprache und im My- thus Hunger und Tod ein Wort) und ihre bildenden Prinzipien sich selber zuzueignen. Freylich ist dieser Helmontische Alchymist, -- die Magenseele -- über dem Forschen nach dem Stein der Weisen, blind, und zum Narren geworden. In jenes unterirdische
Ge-
gruͤne Laub, welches nicht, wie ein oberflaͤchlicher An- blick waͤhnte, von einem unſchuldigen Zephir, ſondern von der unter ihm liegenden Schlange bewegt wurde, die nur die uͤber ihn liegende Decke noch unſchaͤdlich machte, wird dann auf einmal hinweggenommen, und der Moͤrder in uns, jene Furien, deren Geheul uns Bedlam in dem Kettengeraſſel ſeiner Wahnſinnigen nur von fern hoͤren laͤßt, ſtehen losgelaſſen und durch unſere Pflege ſtark geworden da, und kehren dann zuerſt ihre Waffen gegen den, der ſie hegte und groß gezogen. Eine Bußpredigt aus dem Tollhauſe!
O du Unerkannter und doch herzlich Geliebter! Laß doch meinen Moͤrder, der noch hier bey mir an- geſchmiedet ſitzet, nicht eher los, bis er erſt durch Dich beſſer geworden!
Wir wollen die Prinzipien jener goͤttlichen Cor- rectionsanſtalt im folgenden Abſchnitte etwas naͤher betrachten. Eine naͤhere Auseinanderſetzung der phy- ſiſchen Eigenſchaften des Ganglienſyſtemes, wird uns hierzu den Weg bahnen.
Das Ganglienſyſtem hat im lebendigen Organis- mus das Amt der koͤrperlichen Bildung und Geſtal- tung. Sein Geſchaͤft iſt: die ſchon vorhandene Ma- terie zu zerſtoͤren, (daher in der Sprache und im My- thus Hunger und Tod ein Wort) und ihre bildenden Prinzipien ſich ſelber zuzueignen. Freylich iſt dieſer Helmontiſche Alchymiſt, — die Magenſeele — uͤber dem Forſchen nach dem Stein der Weiſen, blind, und zum Narren geworden. In jenes unterirdiſche
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gruͤne Laub, welches nicht, wie ein oberflaͤchlicher An-
blick waͤhnte, von einem unſchuldigen Zephir, ſondern
von der unter ihm liegenden Schlange bewegt wurde,
die nur die uͤber ihn liegende Decke noch unſchaͤdlich
machte, wird dann auf einmal hinweggenommen, und
der Moͤrder in uns, jene Furien, deren Geheul uns
Bedlam in dem Kettengeraſſel ſeiner Wahnſinnigen
nur von fern hoͤren laͤßt, ſtehen losgelaſſen und durch
unſere Pflege ſtark geworden da, und kehren
dann zuerſt ihre Waffen gegen den, der ſie hegte
und groß gezogen. Eine Bußpredigt aus dem
Tollhauſe!
O du Unerkannter und doch herzlich Geliebter!
Laß doch meinen Moͤrder, der noch hier bey mir an-
geſchmiedet ſitzet, nicht eher los, bis er erſt durch
Dich beſſer geworden!
Wir wollen die Prinzipien jener goͤttlichen Cor-
rectionsanſtalt im folgenden Abſchnitte etwas naͤher
betrachten. Eine naͤhere Auseinanderſetzung der phy-
ſiſchen Eigenſchaften des Ganglienſyſtemes, wird uns
hierzu den Weg bahnen.
Das Ganglienſyſtem hat im lebendigen Organis-
mus das Amt der koͤrperlichen Bildung und Geſtal-
tung. Sein Geſchaͤft iſt: die ſchon vorhandene Ma-
terie zu zerſtoͤren, (daher in der Sprache und im My-
thus Hunger und Tod ein Wort) und ihre bildenden
Prinzipien ſich ſelber zuzueignen. Freylich iſt dieſer
Helmontiſche Alchymiſt, — die Magenſeele — uͤber
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Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814/137>, abgerufen am 16.07.2024.
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