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Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814.

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was er auf der Welt hatte, loszureißen vermochte *),
wird auch zu andern noch schwereren Kämpfen nicht
ungeschickt seyn. Uebrigens pflegen, von einem höhe-
ren Standpunkte aus gesehen, jene menschlichen Schran-
ken zu verschwinden **), und die göttliche, Mark und
Bein durchdringende Gewalt des Christenthums, wel-
che die innerste Kraft des Menschen nach einem göttli-
chen Vorbilde wieder erneuert, zeigt sich wohl ohne
Ansehen der Person, an keine Confession gebunden.

In sehr vielen Fällen ist jene höchste, geistige
Liebe erst dann zum lebendigen Ausbruch gekommen,
wenn sich die an irdische Liebe gewöhnte Seele von
dem Gegenstand ihrer bisherigen Neigung verlassen ge-
sehen, oder wenn sie in Leiden anderer Art erfahren:
daß uns unter allem äußern und innern Wechsel, nur
Ein Trost, nur Ein Besitz sicher bleibet. So ist nicht
selten der bessere innre Wille durch den Tod der gelieb-
testen Personen -- der Kinder, des Gatten erweckt
worden ***), und ein sehr lebenslustiger Sinn wurde
auf diese Weise durch den unvermutheten Anblick des
Leichnams seiner Geliebten, plötzlich und auf immer
verändert *a). Oefters hat äußere Noth *b), Mangel

an
*) Historie der Wiedergebornen, Th. 2. S. 45.
**) M. s. unter andern die Reflexionen des Verfassers der
oben angeführten Pilgerreise hierüber.
***) Hist. d. Wiedergeb. Th. 1. S. 6. 9, 19, Th. 2.
S. 91. u. f.
*a) So der Stifter des de la Trappe- Ordens.
*b) Hist. d. Wiedergeb. Th. 1. S. 24. u. a. O. m.

was er auf der Welt hatte, loszureißen vermochte *),
wird auch zu andern noch ſchwereren Kaͤmpfen nicht
ungeſchickt ſeyn. Uebrigens pflegen, von einem hoͤhe-
ren Standpunkte aus geſehen, jene menſchlichen Schran-
ken zu verſchwinden **), und die goͤttliche, Mark und
Bein durchdringende Gewalt des Chriſtenthums, wel-
che die innerſte Kraft des Menſchen nach einem goͤttli-
chen Vorbilde wieder erneuert, zeigt ſich wohl ohne
Anſehen der Perſon, an keine Confeſſion gebunden.

In ſehr vielen Faͤllen iſt jene hoͤchſte, geiſtige
Liebe erſt dann zum lebendigen Ausbruch gekommen,
wenn ſich die an irdiſche Liebe gewoͤhnte Seele von
dem Gegenſtand ihrer bisherigen Neigung verlaſſen ge-
ſehen, oder wenn ſie in Leiden anderer Art erfahren:
daß uns unter allem aͤußern und innern Wechſel, nur
Ein Troſt, nur Ein Beſitz ſicher bleibet. So iſt nicht
ſelten der beſſere innre Wille durch den Tod der gelieb-
teſten Perſonen — der Kinder, des Gatten erweckt
worden ***), und ein ſehr lebensluſtiger Sinn wurde
auf dieſe Weiſe durch den unvermutheten Anblick des
Leichnams ſeiner Geliebten, ploͤtzlich und auf immer
veraͤndert *a). Oefters hat aͤußere Noth *b), Mangel

an
*) Hiſtorie der Wiedergebornen, Th. 2. S. 45.
**) M. ſ. unter andern die Reflexionen des Verfaſſers der
oben angefuͤhrten Pilgerreiſe hieruͤber.
***) Hiſt. d. Wiedergeb. Th. 1. S. 6. 9, 19, Th. 2.
S. 91. u. f.
*a) So der Stifter des de la Trappe- Ordens.
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[179/0189] was er auf der Welt hatte, loszureißen vermochte *), wird auch zu andern noch ſchwereren Kaͤmpfen nicht ungeſchickt ſeyn. Uebrigens pflegen, von einem hoͤhe- ren Standpunkte aus geſehen, jene menſchlichen Schran- ken zu verſchwinden **), und die goͤttliche, Mark und Bein durchdringende Gewalt des Chriſtenthums, wel- che die innerſte Kraft des Menſchen nach einem goͤttli- chen Vorbilde wieder erneuert, zeigt ſich wohl ohne Anſehen der Perſon, an keine Confeſſion gebunden. In ſehr vielen Faͤllen iſt jene hoͤchſte, geiſtige Liebe erſt dann zum lebendigen Ausbruch gekommen, wenn ſich die an irdiſche Liebe gewoͤhnte Seele von dem Gegenſtand ihrer bisherigen Neigung verlaſſen ge- ſehen, oder wenn ſie in Leiden anderer Art erfahren: daß uns unter allem aͤußern und innern Wechſel, nur Ein Troſt, nur Ein Beſitz ſicher bleibet. So iſt nicht ſelten der beſſere innre Wille durch den Tod der gelieb- teſten Perſonen — der Kinder, des Gatten erweckt worden ***), und ein ſehr lebensluſtiger Sinn wurde auf dieſe Weiſe durch den unvermutheten Anblick des Leichnams ſeiner Geliebten, ploͤtzlich und auf immer veraͤndert *a). Oefters hat aͤußere Noth *b), Mangel an *) Hiſtorie der Wiedergebornen, Th. 2. S. 45. **) M. ſ. unter andern die Reflexionen des Verfaſſers der oben angefuͤhrten Pilgerreiſe hieruͤber. ***) Hiſt. d. Wiedergeb. Th. 1. S. 6. 9, 19, Th. 2. S. 91. u. f. *a) So der Stifter des de la Trappe- Ordens. *b) Hiſt. d. Wiedergeb. Th. 1. S. 24. u. a. O. m.

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Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814/189>, abgerufen am 24.11.2024.