Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814.allen Seiten zurückstrahlt; so findet er in derselben Wir erwähnten vorhin, daß der Inhalt aller In
allen Seiten zuruͤckſtrahlt; ſo findet er in derſelben Wir erwaͤhnten vorhin, daß der Inhalt aller In
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0046" n="36"/> allen Seiten zuruͤckſtrahlt; ſo findet er in derſelben<lb/> auch ſein innres, geiſtiges Leben abgeſpiegelt. Der<lb/> Geiſt der Natur ſcheint ſich mit denſelben Gedanken,<lb/> mit denſelben Problemen zu beſchaͤftigen, welche auch<lb/> dem unſrigen am meiſten anliegen, und welche der-<lb/> ſelbe am meiſten zu loͤſen bemuͤht iſt. Nicht ohne<lb/> hoͤhere Bedeutung iſt es in jener Hinſicht, daß uns<lb/> in der Inſektenmetamorphoſe das Erwachen „nach<lb/> dem hoͤhern urſpruͤnglichen Vorbilde‟ aus dem Tode<lb/> der unvollkommneren Larve dargeſtellt wird. Der<lb/> Geiſt der Natur thut hier wirklich einen prophetiſchen<lb/> Blick uͤber das jetzige Daſeyn des Menſchen hinaus,<lb/> und beantwortet dieſem hiermit eine der angelegent-<lb/> lichſten Fragen ſeines Geiſtes.</p><lb/> <p>Wir erwaͤhnten vorhin, daß der Inhalt aller<lb/> Vorherverkuͤndigungen der Propheten, der Inhalt al-<lb/> ler Offenbarungen Gottes, ein gemeinſchaftlicher, und<lb/> uͤberall derſelbe ſey: die Geſchichte einer Wiederher-<lb/> ſtellung und Wiederbringung des Menſchen zu ſeiner<lb/> urſpruͤnglichen Beſtimmung, die Geſchichte eines gro-<lb/> ßen Kampfes des Lichts mit der Finſterniß und des<lb/> endlichen Sieges der Wahrheit uͤber die Luͤge. Wenn<lb/> die Natur ein <hi rendition="#g">Wort</hi> der ewigen Weisheit, eine Of-<lb/> fenbarung derſelben an den Menſchen iſt, ſo muß<lb/> auch dieſe Offenbarung von demſelben Inhalt ſeyn,<lb/> wie die mit Buchſtaben geſchriebene, durch Menſchen<lb/> geſchehene. Denn daß auch das Buch der Natur zu-<lb/> naͤchſt bloß fuͤr den Menſchen geſchrieben ſey, leidet<lb/> keinen Zweifel, da er das einzige Weſen der uns ſicht-<lb/> baren Welt iſt, welches von Natur den Schluͤſſel zu<lb/> jener Hieroglyphenſprache beſitzt.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">In</fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [36/0046]
allen Seiten zuruͤckſtrahlt; ſo findet er in derſelben
auch ſein innres, geiſtiges Leben abgeſpiegelt. Der
Geiſt der Natur ſcheint ſich mit denſelben Gedanken,
mit denſelben Problemen zu beſchaͤftigen, welche auch
dem unſrigen am meiſten anliegen, und welche der-
ſelbe am meiſten zu loͤſen bemuͤht iſt. Nicht ohne
hoͤhere Bedeutung iſt es in jener Hinſicht, daß uns
in der Inſektenmetamorphoſe das Erwachen „nach
dem hoͤhern urſpruͤnglichen Vorbilde‟ aus dem Tode
der unvollkommneren Larve dargeſtellt wird. Der
Geiſt der Natur thut hier wirklich einen prophetiſchen
Blick uͤber das jetzige Daſeyn des Menſchen hinaus,
und beantwortet dieſem hiermit eine der angelegent-
lichſten Fragen ſeines Geiſtes.
Wir erwaͤhnten vorhin, daß der Inhalt aller
Vorherverkuͤndigungen der Propheten, der Inhalt al-
ler Offenbarungen Gottes, ein gemeinſchaftlicher, und
uͤberall derſelbe ſey: die Geſchichte einer Wiederher-
ſtellung und Wiederbringung des Menſchen zu ſeiner
urſpruͤnglichen Beſtimmung, die Geſchichte eines gro-
ßen Kampfes des Lichts mit der Finſterniß und des
endlichen Sieges der Wahrheit uͤber die Luͤge. Wenn
die Natur ein Wort der ewigen Weisheit, eine Of-
fenbarung derſelben an den Menſchen iſt, ſo muß
auch dieſe Offenbarung von demſelben Inhalt ſeyn,
wie die mit Buchſtaben geſchriebene, durch Menſchen
geſchehene. Denn daß auch das Buch der Natur zu-
naͤchſt bloß fuͤr den Menſchen geſchrieben ſey, leidet
keinen Zweifel, da er das einzige Weſen der uns ſicht-
baren Welt iſt, welches von Natur den Schluͤſſel zu
jener Hieroglyphenſprache beſitzt.
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