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Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814.

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in die Gewalt der sinnlichen Wesen gekommen, und
in der That spricht denn auch die Verschiedenheit je-
ner beyden Sprachen, von denen wir hier reden, von
einer solchen Katastrophe.

Die ursprüngliche Sprache des Menschen, wie
sie uns der Traum, die Poesie, die Offenbarung ken-
nen lehren, ist die Sprache des Gefühles, und, da
der Gefühle lebendiger Mittelpunkt und Seele die
Liebe ist -- die Sprache der Liebe. Der Gegenstand
jener Liebe ist ursprünglich das Göttliche, und die hö-
here Region des Geistigen gewesen. Die Worte jener
Sprache, welche zwischen Gott und dem Menschen be-
standen, waren die Wesen der uns noch jetzt (als
Schatten der ursprünglichen) umgebenden Natur. Je-
ne Sprache handelte von dem Gegenstand unserer ewi-
gen Liebe, (ihr geistiger Inhalt war das Wort) war
nicht dieser Gegenstand selber. Wie jedes Bedürfniß,
jede Liebe ihre natürliche Wissenschaft mit sich bringt;
so brachte auch jenes Sehnen im Menschen seine Wis-
senschaft mit sich, und dem Menschen, als Herrscher
und Mittelpunkt der Natur, war diese ein Saitenspiel,
womit er das Lied seines ewigen Sehnens besungen,
und aus welchem er wiederum das Wort, den Ton
der ewigen Liebe vernommen. Noch ist es im Anfan-
ge der Einfluß, der Lebensgeist der höheren Region
gewesen, welcher dieses Meer wechselnder Gestalten be-
wegte und wandelte. "Aber dem unerfahrnen Kin-
de kommt irgend woher der Gedanke, in das Innere
des ihm vom Vater geschenkten Uhrwerkes hineinzu-
blicken, mit erkennender Hand es zu zerlegen, und
selber nach eigener Phantasie ein anderes Werk da-

raus

in die Gewalt der ſinnlichen Weſen gekommen, und
in der That ſpricht denn auch die Verſchiedenheit je-
ner beyden Sprachen, von denen wir hier reden, von
einer ſolchen Kataſtrophe.

Die urſpruͤngliche Sprache des Menſchen, wie
ſie uns der Traum, die Poeſie, die Offenbarung ken-
nen lehren, iſt die Sprache des Gefuͤhles, und, da
der Gefuͤhle lebendiger Mittelpunkt und Seele die
Liebe iſt — die Sprache der Liebe. Der Gegenſtand
jener Liebe iſt urſpruͤnglich das Goͤttliche, und die hoͤ-
here Region des Geiſtigen geweſen. Die Worte jener
Sprache, welche zwiſchen Gott und dem Menſchen be-
ſtanden, waren die Weſen der uns noch jetzt (als
Schatten der urſpruͤnglichen) umgebenden Natur. Je-
ne Sprache handelte von dem Gegenſtand unſerer ewi-
gen Liebe, (ihr geiſtiger Inhalt war das Wort) war
nicht dieſer Gegenſtand ſelber. Wie jedes Beduͤrfniß,
jede Liebe ihre natuͤrliche Wiſſenſchaft mit ſich bringt;
ſo brachte auch jenes Sehnen im Menſchen ſeine Wiſ-
ſenſchaft mit ſich, und dem Menſchen, als Herrſcher
und Mittelpunkt der Natur, war dieſe ein Saitenſpiel,
womit er das Lied ſeines ewigen Sehnens beſungen,
und aus welchem er wiederum das Wort, den Ton
der ewigen Liebe vernommen. Noch iſt es im Anfan-
ge der Einfluß, der Lebensgeiſt der hoͤheren Region
geweſen, welcher dieſes Meer wechſelnder Geſtalten be-
wegte und wandelte. „Aber dem unerfahrnen Kin-
de kommt irgend woher der Gedanke, in das Innere
des ihm vom Vater geſchenkten Uhrwerkes hineinzu-
blicken, mit erkennender Hand es zu zerlegen, und
ſelber nach eigener Phantaſie ein anderes Werk da-

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[85/0095] in die Gewalt der ſinnlichen Weſen gekommen, und in der That ſpricht denn auch die Verſchiedenheit je- ner beyden Sprachen, von denen wir hier reden, von einer ſolchen Kataſtrophe. Die urſpruͤngliche Sprache des Menſchen, wie ſie uns der Traum, die Poeſie, die Offenbarung ken- nen lehren, iſt die Sprache des Gefuͤhles, und, da der Gefuͤhle lebendiger Mittelpunkt und Seele die Liebe iſt — die Sprache der Liebe. Der Gegenſtand jener Liebe iſt urſpruͤnglich das Goͤttliche, und die hoͤ- here Region des Geiſtigen geweſen. Die Worte jener Sprache, welche zwiſchen Gott und dem Menſchen be- ſtanden, waren die Weſen der uns noch jetzt (als Schatten der urſpruͤnglichen) umgebenden Natur. Je- ne Sprache handelte von dem Gegenſtand unſerer ewi- gen Liebe, (ihr geiſtiger Inhalt war das Wort) war nicht dieſer Gegenſtand ſelber. Wie jedes Beduͤrfniß, jede Liebe ihre natuͤrliche Wiſſenſchaft mit ſich bringt; ſo brachte auch jenes Sehnen im Menſchen ſeine Wiſ- ſenſchaft mit ſich, und dem Menſchen, als Herrſcher und Mittelpunkt der Natur, war dieſe ein Saitenſpiel, womit er das Lied ſeines ewigen Sehnens beſungen, und aus welchem er wiederum das Wort, den Ton der ewigen Liebe vernommen. Noch iſt es im Anfan- ge der Einfluß, der Lebensgeiſt der hoͤheren Region geweſen, welcher dieſes Meer wechſelnder Geſtalten be- wegte und wandelte. „Aber dem unerfahrnen Kin- de kommt irgend woher der Gedanke, in das Innere des ihm vom Vater geſchenkten Uhrwerkes hineinzu- blicken, mit erkennender Hand es zu zerlegen, und ſelber nach eigener Phantaſie ein anderes Werk da- raus

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Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814/95>, abgerufen am 23.11.2024.