Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814.raus zusammenzusetzen." Sein ganzes Sehnen, und die Ein großer, guter König, spricht die Sage, hat- So ist auch dem Menschen die Sinnenwelt und von
raus zuſammenzuſetzen.“ Sein ganzes Sehnen, und die Ein großer, guter Koͤnig, ſpricht die Sage, hat- So iſt auch dem Menſchen die Sinnenwelt und von
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0096" n="86"/> raus zuſammenzuſetzen.“ Sein ganzes Sehnen, und die<lb/> Wiſſenſchaft dieſes Sehnens verlaͤßt nun die urſpruͤng-<lb/> liche Bahn, und wird von dem Meiſter auf das In-<lb/> ſtrument gerichtet. Das ſchoͤne Werk, gewaltſam los-<lb/> geriſſen von ſeiner Wurzel, die ihm Leben und Be-<lb/> wegung gab, ſteht ſtill, nur ein mitleidiger Strahl<lb/> von oben giebt und erhaͤlt ihm noch die Kraft einer<lb/> beſtaͤndig im einfoͤrmigen Kreiſe ſich drehenden Wie-<lb/> dererneuerung und Wiedererzeugung.</p><lb/> <p>Ein großer, guter Koͤnig, ſpricht die Sage, hat-<lb/> ten ſeine Liebe einer armen, unbekannten Jungfrau<lb/> geſchenkt. Noch lebte ſie fern und getrennt von ihm,<lb/> aber Boten der Liebe waren zahlreiche und glaͤnzende<lb/> Diener, die der Koͤnig ihr ſandte und die ihm wie-<lb/> der den Gruß der Liebe zuruͤck brachten. Und die<lb/> Schoͤnheit der Diener blendete die unerfahrne Jung-<lb/> frau, eine ſtrafbare Neigung erwachte in der vergeb-<lb/> lich Gewarnten, ſie vergaß jene ferner als Boten der<lb/> Liebe zu ſenden oder den Gruß des Geliebten von<lb/> ihnen zu vernehmen, Sclaven ſollten ſie ihr ſeyn, mit<lb/> denen ſie bey ihren Nachbarn prangte, Sclaven ſtraf-<lb/> barer Neigung. Arme Geſunkene! wer wird dich ret-<lb/> ten, wenn nicht die ewige Liebe noch groͤßer iſt als<lb/> dein Vergehen, maͤchtiger als der Tod ſelber!</p><lb/> <p>So iſt auch dem Menſchen die Sinnenwelt und<lb/> ſein armes Selbſt Gegenſtand der Liebe und des Seh-<lb/> nens geworden, waͤhrend der urſpruͤngliche Gegen-<lb/> ſtand ſeiner Liebe, die Region des Geiſtigen und Goͤtt-<lb/> lichen, ihn kalt laͤßet. In traurigem Wahnſinn bezieht<lb/> er nun jene Worte der urſpruͤnglichen Sprache, die<lb/> <fw place="bottom" type="catch">von</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [86/0096]
raus zuſammenzuſetzen.“ Sein ganzes Sehnen, und die
Wiſſenſchaft dieſes Sehnens verlaͤßt nun die urſpruͤng-
liche Bahn, und wird von dem Meiſter auf das In-
ſtrument gerichtet. Das ſchoͤne Werk, gewaltſam los-
geriſſen von ſeiner Wurzel, die ihm Leben und Be-
wegung gab, ſteht ſtill, nur ein mitleidiger Strahl
von oben giebt und erhaͤlt ihm noch die Kraft einer
beſtaͤndig im einfoͤrmigen Kreiſe ſich drehenden Wie-
dererneuerung und Wiedererzeugung.
Ein großer, guter Koͤnig, ſpricht die Sage, hat-
ten ſeine Liebe einer armen, unbekannten Jungfrau
geſchenkt. Noch lebte ſie fern und getrennt von ihm,
aber Boten der Liebe waren zahlreiche und glaͤnzende
Diener, die der Koͤnig ihr ſandte und die ihm wie-
der den Gruß der Liebe zuruͤck brachten. Und die
Schoͤnheit der Diener blendete die unerfahrne Jung-
frau, eine ſtrafbare Neigung erwachte in der vergeb-
lich Gewarnten, ſie vergaß jene ferner als Boten der
Liebe zu ſenden oder den Gruß des Geliebten von
ihnen zu vernehmen, Sclaven ſollten ſie ihr ſeyn, mit
denen ſie bey ihren Nachbarn prangte, Sclaven ſtraf-
barer Neigung. Arme Geſunkene! wer wird dich ret-
ten, wenn nicht die ewige Liebe noch groͤßer iſt als
dein Vergehen, maͤchtiger als der Tod ſelber!
So iſt auch dem Menſchen die Sinnenwelt und
ſein armes Selbſt Gegenſtand der Liebe und des Seh-
nens geworden, waͤhrend der urſpruͤngliche Gegen-
ſtand ſeiner Liebe, die Region des Geiſtigen und Goͤtt-
lichen, ihn kalt laͤßet. In traurigem Wahnſinn bezieht
er nun jene Worte der urſpruͤnglichen Sprache, die
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