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Schubert-Feder, Cläre: Das Leben der Studentinnen in Zürich. Berlin, 1894.

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fasser einer anmuthigen Erscheinung mit der Collegien-
mappe: aber im Allgemeinen ist es nicht der schönere Theil
des schönen Geschlechts, sagt er, der sich den Wissenschaften
in die Arme wirft. Ja, seit wann decken sich Anmuth und
Schönheit? Viele sogenannte schöne Frauen sind weit ent-
fernt davon, zugleich anmuthig zu sein und viele, deren
jede Bewegung Anmuth athmet, dürfen keinerlei Anspruch
darauf erheben, nach landläufiger Auffassung schön genannt
zu werden. Und ist denn der Herr Verfasser so gar un-
erfahren in der Kenntniß der Durchschnittsfrauenseele, daß
ihm entgangen ist, wie weit mehr als auf viel Schönheit
die Frauen gegenseitig eifersüchtig sind auf ein bischen
Geist? Jch darf meine "sehr komische" Behauptung um so
mehr aufrecht erhalten, als ich nicht gesagt habe, die Eifer-
sucht der Professorenfrauen habe den Studentinnen "an-
fangs" Eintrag gethan, sondern meine Andeutung nur ganz
allgemein giltig hinstellte.

Für mich gab es noch eine Gelegenheit, wenigstens
mit einem meiner Professoren, dem botanischen, freundlich
zu verkehren, nämlich die Excursionen, die jeden Sonnabend
Nachmittag während des Sommers stattfanden. Nicht
etwa, um meine botanischen Kenntnisse zu erweitern, be-
theiligte ich mich an diesen, oft viele Stunden langen und
recht anstrengenden Märschen, sondern um die schöne Um-
gegend Zürichs im weitern Umkreis kennen zu lernen, der
Gesundheit einen Dienst zu thun und in Gesellschaft des
Herrn Professors und seiner Frau, die selbst Studentin
gewesen, auch einmal mit einem Collegen eine Meinung
austauschen, ein Plauderwort reden zu können. Denn vor
oder nach dem Colleg geschieht das nur in höchst seltenen
Fällen, vielleicht, wenn man sich in einer gemeinsam be-
freundeten Familie getroffen und kennen gelernt hat; sonst

fasser einer anmuthigen Erscheinung mit der Collegien-
mappe: aber im Allgemeinen ist es nicht der schönere Theil
des schönen Geschlechts, sagt er, der sich den Wissenschaften
in die Arme wirft. Ja, seit wann decken sich Anmuth und
Schönheit? Viele sogenannte schöne Frauen sind weit ent-
fernt davon, zugleich anmuthig zu sein und viele, deren
jede Bewegung Anmuth athmet, dürfen keinerlei Anspruch
darauf erheben, nach landläufiger Auffassung schön genannt
zu werden. Und ist denn der Herr Verfasser so gar un-
erfahren in der Kenntniß der Durchschnittsfrauenseele, daß
ihm entgangen ist, wie weit mehr als auf viel Schönheit
die Frauen gegenseitig eifersüchtig sind auf ein bischen
Geist? Jch darf meine „sehr komische“ Behauptung um so
mehr aufrecht erhalten, als ich nicht gesagt habe, die Eifer-
sucht der Professorenfrauen habe den Studentinnen „an-
fangs“ Eintrag gethan, sondern meine Andeutung nur ganz
allgemein giltig hinstellte.

Für mich gab es noch eine Gelegenheit, wenigstens
mit einem meiner Professoren, dem botanischen, freundlich
zu verkehren, nämlich die Excursionen, die jeden Sonnabend
Nachmittag während des Sommers stattfanden. Nicht
etwa, um meine botanischen Kenntnisse zu erweitern, be-
theiligte ich mich an diesen, oft viele Stunden langen und
recht anstrengenden Märschen, sondern um die schöne Um-
gegend Zürichs im weitern Umkreis kennen zu lernen, der
Gesundheit einen Dienst zu thun und in Gesellschaft des
Herrn Professors und seiner Frau, die selbst Studentin
gewesen, auch einmal mit einem Collegen eine Meinung
austauschen, ein Plauderwort reden zu können. Denn vor
oder nach dem Colleg geschieht das nur in höchst seltenen
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[12/0015] fasser einer anmuthigen Erscheinung mit der Collegien- mappe: aber im Allgemeinen ist es nicht der schönere Theil des schönen Geschlechts, sagt er, der sich den Wissenschaften in die Arme wirft. Ja, seit wann decken sich Anmuth und Schönheit? Viele sogenannte schöne Frauen sind weit ent- fernt davon, zugleich anmuthig zu sein und viele, deren jede Bewegung Anmuth athmet, dürfen keinerlei Anspruch darauf erheben, nach landläufiger Auffassung schön genannt zu werden. Und ist denn der Herr Verfasser so gar un- erfahren in der Kenntniß der Durchschnittsfrauenseele, daß ihm entgangen ist, wie weit mehr als auf viel Schönheit die Frauen gegenseitig eifersüchtig sind auf ein bischen Geist? Jch darf meine „sehr komische“ Behauptung um so mehr aufrecht erhalten, als ich nicht gesagt habe, die Eifer- sucht der Professorenfrauen habe den Studentinnen „an- fangs“ Eintrag gethan, sondern meine Andeutung nur ganz allgemein giltig hinstellte. Für mich gab es noch eine Gelegenheit, wenigstens mit einem meiner Professoren, dem botanischen, freundlich zu verkehren, nämlich die Excursionen, die jeden Sonnabend Nachmittag während des Sommers stattfanden. Nicht etwa, um meine botanischen Kenntnisse zu erweitern, be- theiligte ich mich an diesen, oft viele Stunden langen und recht anstrengenden Märschen, sondern um die schöne Um- gegend Zürichs im weitern Umkreis kennen zu lernen, der Gesundheit einen Dienst zu thun und in Gesellschaft des Herrn Professors und seiner Frau, die selbst Studentin gewesen, auch einmal mit einem Collegen eine Meinung austauschen, ein Plauderwort reden zu können. Denn vor oder nach dem Colleg geschieht das nur in höchst seltenen Fällen, vielleicht, wenn man sich in einer gemeinsam be- freundeten Familie getroffen und kennen gelernt hat; sonst

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Zitationshilfe: Schubert-Feder, Cläre: Das Leben der Studentinnen in Zürich. Berlin, 1894, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubertfeder_studentinnen_1894/15>, abgerufen am 21.11.2024.