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Schubert-Feder, Cläre: Das Leben der Studentinnen in Zürich. Berlin, 1894.

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Schlußprüfung am Seminarkurs zum Eintritt in die Uni-
versität berechtigt (weil auch Mathematik und Latein aus-
reichend und vorzüglich da gelehrt werden), seitdem giebt
es ja unter den Colleginnen etliche sehr junge; die große
Mehrzahl aber ist wohl majorenn, ja etliche sind sogar
von sehr bestandenem Alter. Einer medizinstudirenden
Amerikanerin passirte es, daß sie als Studentin Großmutter
wurde. Es hat sie das gar nicht gestört; sie genoß
allgemeine Hochachtung, auch gerade bei den Collegen, und
machte bald danach ein glänzendes Examen. Jhr Alter war
übrigens kein so unerhörtes, da sie mit 41 Jahren doctorirte.

Es wird nach den gemachten Andeutungen gewiß
einem Jeden klar werden, daß in der That nur ganz aus-
nahmsweise zwischen den Studentinnen echte Freundschaft
erwachsen kann. Die Studentin hat zu vielem Verkehren
keine Zeit; sie hat zu viele und zu vielseitige Pflichten.
Nur zu häufig fühlt sie arge Lücken in ihrer Vorbildung,
die allmählich auszufüllen sie Zeit und Mühe nicht sparen
darf. Sie muß, um den immerhin nicht geringen An-
strengungen des jahrelangen Studiums gewachsen zu bleiben,
ihrer Gesundheit Zeitopfer bringen, sich täglich in frischer
Luft bewegen; sie muß oft noch Privatunterricht nehmen
und, wie oft, um dies zu ermöglichen, selbst Unterricht
ertheilen. Sie pflegt einen ausgebreiteteren Briefwechsel zu
führen als der Student, auch der Familie gegenüber; denn
als gute Tochter schreibt sie eben nicht bloß nach Hause,
wenn sie Geld braucht. Wenn ich nun hinzufüge, daß zum
mindesten die Hälfte der 70 Studentinnen ihr Frühstück
und Abendbrod sich selbst bereitet, viele von ihnen keinen
Anzug tragen, den sie nicht eigenhändig genäht, dann wird
es einleuchten, daß die studirende Frau haushalten muß
mit ihrer Zeit. Und damit sind wir bereits mitten im
häuslichen Leben der Studirenden. -

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Schlußprüfung am Seminarkurs zum Eintritt in die Uni-
versität berechtigt (weil auch Mathematik und Latein aus-
reichend und vorzüglich da gelehrt werden), seitdem giebt
es ja unter den Colleginnen etliche sehr junge; die große
Mehrzahl aber ist wohl majorenn, ja etliche sind sogar
von sehr bestandenem Alter. Einer medizinstudirenden
Amerikanerin passirte es, daß sie als Studentin Großmutter
wurde. Es hat sie das gar nicht gestört; sie genoß
allgemeine Hochachtung, auch gerade bei den Collegen, und
machte bald danach ein glänzendes Examen. Jhr Alter war
übrigens kein so unerhörtes, da sie mit 41 Jahren doctorirte.

Es wird nach den gemachten Andeutungen gewiß
einem Jeden klar werden, daß in der That nur ganz aus-
nahmsweise zwischen den Studentinnen echte Freundschaft
erwachsen kann. Die Studentin hat zu vielem Verkehren
keine Zeit; sie hat zu viele und zu vielseitige Pflichten.
Nur zu häufig fühlt sie arge Lücken in ihrer Vorbildung,
die allmählich auszufüllen sie Zeit und Mühe nicht sparen
darf. Sie muß, um den immerhin nicht geringen An-
strengungen des jahrelangen Studiums gewachsen zu bleiben,
ihrer Gesundheit Zeitopfer bringen, sich täglich in frischer
Luft bewegen; sie muß oft noch Privatunterricht nehmen
und, wie oft, um dies zu ermöglichen, selbst Unterricht
ertheilen. Sie pflegt einen ausgebreiteteren Briefwechsel zu
führen als der Student, auch der Familie gegenüber; denn
als gute Tochter schreibt sie eben nicht bloß nach Hause,
wenn sie Geld braucht. Wenn ich nun hinzufüge, daß zum
mindesten die Hälfte der 70 Studentinnen ihr Frühstück
und Abendbrod sich selbst bereitet, viele von ihnen keinen
Anzug tragen, den sie nicht eigenhändig genäht, dann wird
es einleuchten, daß die studirende Frau haushalten muß
mit ihrer Zeit. Und damit sind wir bereits mitten im
häuslichen Leben der Studirenden. –

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[19/0022] Schlußprüfung am Seminarkurs zum Eintritt in die Uni- versität berechtigt (weil auch Mathematik und Latein aus- reichend und vorzüglich da gelehrt werden), seitdem giebt es ja unter den Colleginnen etliche sehr junge; die große Mehrzahl aber ist wohl majorenn, ja etliche sind sogar von sehr bestandenem Alter. Einer medizinstudirenden Amerikanerin passirte es, daß sie als Studentin Großmutter wurde. Es hat sie das gar nicht gestört; sie genoß allgemeine Hochachtung, auch gerade bei den Collegen, und machte bald danach ein glänzendes Examen. Jhr Alter war übrigens kein so unerhörtes, da sie mit 41 Jahren doctorirte. Es wird nach den gemachten Andeutungen gewiß einem Jeden klar werden, daß in der That nur ganz aus- nahmsweise zwischen den Studentinnen echte Freundschaft erwachsen kann. Die Studentin hat zu vielem Verkehren keine Zeit; sie hat zu viele und zu vielseitige Pflichten. Nur zu häufig fühlt sie arge Lücken in ihrer Vorbildung, die allmählich auszufüllen sie Zeit und Mühe nicht sparen darf. Sie muß, um den immerhin nicht geringen An- strengungen des jahrelangen Studiums gewachsen zu bleiben, ihrer Gesundheit Zeitopfer bringen, sich täglich in frischer Luft bewegen; sie muß oft noch Privatunterricht nehmen und, wie oft, um dies zu ermöglichen, selbst Unterricht ertheilen. Sie pflegt einen ausgebreiteteren Briefwechsel zu führen als der Student, auch der Familie gegenüber; denn als gute Tochter schreibt sie eben nicht bloß nach Hause, wenn sie Geld braucht. Wenn ich nun hinzufüge, daß zum mindesten die Hälfte der 70 Studentinnen ihr Frühstück und Abendbrod sich selbst bereitet, viele von ihnen keinen Anzug tragen, den sie nicht eigenhändig genäht, dann wird es einleuchten, daß die studirende Frau haushalten muß mit ihrer Zeit. Und damit sind wir bereits mitten im häuslichen Leben der Studirenden. – 2*

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Zitationshilfe: Schubert-Feder, Cläre: Das Leben der Studentinnen in Zürich. Berlin, 1894, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubertfeder_studentinnen_1894/22>, abgerufen am 21.11.2024.