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Schubert-Feder, Cläre: Das Leben der Studentinnen in Zürich. Berlin, 1894.

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aufs Examen vorbereitete, war mir von meiner guten
Wirthin noch eine ganz besonders stille Klause eingerichtet
worden, - aus einer Bodenkammer - die durch all' den
lieben Kram, mit dem der, oder doch die reisende Deutsche
sich so gern befrachtet, dermaßen behaglich und anmuthend
geworden war bei all' ihrer Einfachheit, daß Freunde und
Bekannte mir diesen bescheidenen Winkel fast mißgönnten.
Mein Professor, der für die Wissenschaft, seine Schüler und
Freunde viel zu früh geschiedene, von mir bereits erwähnte
Salomon Vögelin, der um jene Zeit öftere Besprechungen
mit mir hatte, pflegte stets die Bedingung zu stellen: Also
gewüß, abber i das Studdirchämmerli - das war die
Bodenkammer. -

Bei Gelegenheit der 25jährigen Jubiläumsfeier des
Lettehauses in Berlin, im Frühjahr 1891, hob der Herr
Geheimrath Schneider, der die Festrede hielt, es quasi
als ein besonderes Verdienst der Anstalt hervor, daß sie,
zum Unterschied von andern Bildungsanstalten höherer
Ordnung, die jungen Töchter niemals ihrem häuslichen
Beruf entfremde. Dem Herrn Geheimrath sind wahr-
scheinlich keine Studentinnen persönlich bekannt, und er
kann über ihre Lebensweise nicht wohl unterrichtet sein;
denn sonst würde er sich kaum in dieser Weise geäußert
haben. Jede echte Frau ist Hausfrau, wohin sie
auch gehe, und was sie auch treibe, zum mindesten
die deutsche
; das Häusliche liegt in ihrer Natur, und
darum steckt auch in den Studentinnen ein gut Theil vom
Hausmütterchen. Wer sie in ihrer Mehrzahl beobachten
kann, wird das ohne Weiteres bestätigen; der Herr Ge-
heimrath hätte auch auf die studirenden Frauen exemplifi-
ziren dürfen. Aber freilich, es thut dieser häusliche Sinn
auch noth; denn selbst als Studirende lebt die Frau mehr
im Hause, als außerhalb. Wenn nach arbeitsschwerem

aufs Examen vorbereitete, war mir von meiner guten
Wirthin noch eine ganz besonders stille Klause eingerichtet
worden, – aus einer Bodenkammer – die durch all' den
lieben Kram, mit dem der, oder doch die reisende Deutsche
sich so gern befrachtet, dermaßen behaglich und anmuthend
geworden war bei all' ihrer Einfachheit, daß Freunde und
Bekannte mir diesen bescheidenen Winkel fast mißgönnten.
Mein Professor, der für die Wissenschaft, seine Schüler und
Freunde viel zu früh geschiedene, von mir bereits erwähnte
Salomon Vögelin, der um jene Zeit öftere Besprechungen
mit mir hatte, pflegte stets die Bedingung zu stellen: Also
gewüß, abber i das Studdirchämmerli – das war die
Bodenkammer. –

Bei Gelegenheit der 25jährigen Jubiläumsfeier des
Lettehauses in Berlin, im Frühjahr 1891, hob der Herr
Geheimrath Schneider, der die Festrede hielt, es quasi
als ein besonderes Verdienst der Anstalt hervor, daß sie,
zum Unterschied von andern Bildungsanstalten höherer
Ordnung, die jungen Töchter niemals ihrem häuslichen
Beruf entfremde. Dem Herrn Geheimrath sind wahr-
scheinlich keine Studentinnen persönlich bekannt, und er
kann über ihre Lebensweise nicht wohl unterrichtet sein;
denn sonst würde er sich kaum in dieser Weise geäußert
haben. Jede echte Frau ist Hausfrau, wohin sie
auch gehe, und was sie auch treibe, zum mindesten
die deutsche
; das Häusliche liegt in ihrer Natur, und
darum steckt auch in den Studentinnen ein gut Theil vom
Hausmütterchen. Wer sie in ihrer Mehrzahl beobachten
kann, wird das ohne Weiteres bestätigen; der Herr Ge-
heimrath hätte auch auf die studirenden Frauen exemplifi-
ziren dürfen. Aber freilich, es thut dieser häusliche Sinn
auch noth; denn selbst als Studirende lebt die Frau mehr
im Hause, als außerhalb. Wenn nach arbeitsschwerem

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[21/0024] aufs Examen vorbereitete, war mir von meiner guten Wirthin noch eine ganz besonders stille Klause eingerichtet worden, – aus einer Bodenkammer – die durch all' den lieben Kram, mit dem der, oder doch die reisende Deutsche sich so gern befrachtet, dermaßen behaglich und anmuthend geworden war bei all' ihrer Einfachheit, daß Freunde und Bekannte mir diesen bescheidenen Winkel fast mißgönnten. Mein Professor, der für die Wissenschaft, seine Schüler und Freunde viel zu früh geschiedene, von mir bereits erwähnte Salomon Vögelin, der um jene Zeit öftere Besprechungen mit mir hatte, pflegte stets die Bedingung zu stellen: Also gewüß, abber i das Studdirchämmerli – das war die Bodenkammer. – Bei Gelegenheit der 25jährigen Jubiläumsfeier des Lettehauses in Berlin, im Frühjahr 1891, hob der Herr Geheimrath Schneider, der die Festrede hielt, es quasi als ein besonderes Verdienst der Anstalt hervor, daß sie, zum Unterschied von andern Bildungsanstalten höherer Ordnung, die jungen Töchter niemals ihrem häuslichen Beruf entfremde. Dem Herrn Geheimrath sind wahr- scheinlich keine Studentinnen persönlich bekannt, und er kann über ihre Lebensweise nicht wohl unterrichtet sein; denn sonst würde er sich kaum in dieser Weise geäußert haben. Jede echte Frau ist Hausfrau, wohin sie auch gehe, und was sie auch treibe, zum mindesten die deutsche; das Häusliche liegt in ihrer Natur, und darum steckt auch in den Studentinnen ein gut Theil vom Hausmütterchen. Wer sie in ihrer Mehrzahl beobachten kann, wird das ohne Weiteres bestätigen; der Herr Ge- heimrath hätte auch auf die studirenden Frauen exemplifi- ziren dürfen. Aber freilich, es thut dieser häusliche Sinn auch noth; denn selbst als Studirende lebt die Frau mehr im Hause, als außerhalb. Wenn nach arbeitsschwerem

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Zitationshilfe: Schubert-Feder, Cläre: Das Leben der Studentinnen in Zürich. Berlin, 1894, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubertfeder_studentinnen_1894/24>, abgerufen am 21.11.2024.