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Schubert-Feder, Cläre: Das Leben der Studentinnen in Zürich. Berlin, 1894.

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jungen und älteren Mädchen fallen ihm mehr oder weniger
einmal zur Last, eventuell sammt den Müttern, wenn auch
diese nichts gelernt haben, was zum Broderwerbe dient.
Dies jedoch wäre nicht einmal der wichtigere Grund für
ein Eingreifen, sondern so gut wie der Staat das Recht
hat, darauf zu sehen, daß den Söhnen diejenige Schul-
erziehung zu Theil werde, deren sie als zukünftige Staats-
bürger bedürfen, könnte auch für die Mädchen verlangt
werden, daß sie eine Erziehung erhalten, welche sie, ver-
heirathet oder unverheirathet, später zu pekuniär unabhängigen,
selbständigen Mitgliedern der Staatsgemeinschaft macht."
- Für diese goldenen Worte, mit denen der Herr Geheim-
rath Grimm selbstredend das Universitätsstudium nicht für
Alle verlangen, sondern es nur mit inbegriffen wissen will
in das erreichbar Mögliche, bringe ich ihm meinen Herzens-
dank entgegen und wünschte, dieselben fänden ein Echo in
den Herzen von Tausenden von Eltern, gerade der höheren
Stände, deren unversorgte, alternde Töchter nach dem Tode
ihrer Ernährer am elendesten werden. Die Noth dieser
Art, wie sie in den Hof- und Kellerwohnungen der Groß-
städte in ungezählten, unzufriedenen, verbitterten Herzen
heimisch ist, wird erst dann aufhören, unser Mitleid zu
verdienen, wenn, wie lange schon für die Söhne der höheren
und höchsten Stände, auch für deren Töchter das Motto
ausgegeben sein wird: Arbeit ist Ehre und Pflicht, Müßig-
gang ist verächtlich. Die Freigebung des Universitäts-
studiums für die Frauen führt uns diesem Zeitpunkt näher;
denn es liegt auf der Hand, daß die begabten Töchter der
" upper ten" den gelehrten Beruf demjenigen der Verkäuferin
oder Näherin vorziehen werden, und daß damit für sie die
Zahl der, mit gewissen Standesrücksichten sich vertragenden,
Berufsarten erheblich vergrößert wird.

jungen und älteren Mädchen fallen ihm mehr oder weniger
einmal zur Last, eventuell sammt den Müttern, wenn auch
diese nichts gelernt haben, was zum Broderwerbe dient.
Dies jedoch wäre nicht einmal der wichtigere Grund für
ein Eingreifen, sondern so gut wie der Staat das Recht
hat, darauf zu sehen, daß den Söhnen diejenige Schul-
erziehung zu Theil werde, deren sie als zukünftige Staats-
bürger bedürfen, könnte auch für die Mädchen verlangt
werden, daß sie eine Erziehung erhalten, welche sie, ver-
heirathet oder unverheirathet, später zu pekuniär unabhängigen,
selbständigen Mitgliedern der Staatsgemeinschaft macht.“
– Für diese goldenen Worte, mit denen der Herr Geheim-
rath Grimm selbstredend das Universitätsstudium nicht für
Alle verlangen, sondern es nur mit inbegriffen wissen will
in das erreichbar Mögliche, bringe ich ihm meinen Herzens-
dank entgegen und wünschte, dieselben fänden ein Echo in
den Herzen von Tausenden von Eltern, gerade der höheren
Stände, deren unversorgte, alternde Töchter nach dem Tode
ihrer Ernährer am elendesten werden. Die Noth dieser
Art, wie sie in den Hof- und Kellerwohnungen der Groß-
städte in ungezählten, unzufriedenen, verbitterten Herzen
heimisch ist, wird erst dann aufhören, unser Mitleid zu
verdienen, wenn, wie lange schon für die Söhne der höheren
und höchsten Stände, auch für deren Töchter das Motto
ausgegeben sein wird: Arbeit ist Ehre und Pflicht, Müßig-
gang ist verächtlich. Die Freigebung des Universitäts-
studiums für die Frauen führt uns diesem Zeitpunkt näher;
denn es liegt auf der Hand, daß die begabten Töchter der
upper ten“ den gelehrten Beruf demjenigen der Verkäuferin
oder Näherin vorziehen werden, und daß damit für sie die
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Berufsarten erheblich vergrößert wird.

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[27/0030] jungen und älteren Mädchen fallen ihm mehr oder weniger einmal zur Last, eventuell sammt den Müttern, wenn auch diese nichts gelernt haben, was zum Broderwerbe dient. Dies jedoch wäre nicht einmal der wichtigere Grund für ein Eingreifen, sondern so gut wie der Staat das Recht hat, darauf zu sehen, daß den Söhnen diejenige Schul- erziehung zu Theil werde, deren sie als zukünftige Staats- bürger bedürfen, könnte auch für die Mädchen verlangt werden, daß sie eine Erziehung erhalten, welche sie, ver- heirathet oder unverheirathet, später zu pekuniär unabhängigen, selbständigen Mitgliedern der Staatsgemeinschaft macht.“ – Für diese goldenen Worte, mit denen der Herr Geheim- rath Grimm selbstredend das Universitätsstudium nicht für Alle verlangen, sondern es nur mit inbegriffen wissen will in das erreichbar Mögliche, bringe ich ihm meinen Herzens- dank entgegen und wünschte, dieselben fänden ein Echo in den Herzen von Tausenden von Eltern, gerade der höheren Stände, deren unversorgte, alternde Töchter nach dem Tode ihrer Ernährer am elendesten werden. Die Noth dieser Art, wie sie in den Hof- und Kellerwohnungen der Groß- städte in ungezählten, unzufriedenen, verbitterten Herzen heimisch ist, wird erst dann aufhören, unser Mitleid zu verdienen, wenn, wie lange schon für die Söhne der höheren und höchsten Stände, auch für deren Töchter das Motto ausgegeben sein wird: Arbeit ist Ehre und Pflicht, Müßig- gang ist verächtlich. Die Freigebung des Universitäts- studiums für die Frauen führt uns diesem Zeitpunkt näher; denn es liegt auf der Hand, daß die begabten Töchter der „ upper ten“ den gelehrten Beruf demjenigen der Verkäuferin oder Näherin vorziehen werden, und daß damit für sie die Zahl der, mit gewissen Standesrücksichten sich vertragenden, Berufsarten erheblich vergrößert wird.

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Zitationshilfe: Schubert-Feder, Cläre: Das Leben der Studentinnen in Zürich. Berlin, 1894, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubertfeder_studentinnen_1894/30>, abgerufen am 21.11.2024.