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Schubert-Feder, Cläre: Das Leben der Studentinnen in Zürich. Berlin, 1894.

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hochsinnige, leider kürzlich verstorbene Aloys von Orelli
in der Presse für uns einstanden, war es damals fast
ausschließlich Prof. Arnold Dodel, der sich nicht scheute,
einem Heere spöttelnder, übelwollender Gegner die Wahr-
heit und seine Meinung zu sagen und warmherzig für uns
Frauen einzustehen. Nicht jeder freilich ist zum Kämpfer
geboren, fühlt den inneren Antrieb und den Muth, eine
sowenig geschützte Position, wie es zu jener Zeit das
Studentinnenthum war, mit Darbietung der eigenen Person
zu vertheidigen. Aber der Sache geneigt war manch einer
der schweigenden Herren, was sie unter anderem auch da-
durch bethätigten, daß sie Studentinnen heiratheten. Der
damalige Präsident der Maturitätsprüfungscommission, um
nur ein Beispiel anzuführen, nahm in zweiter Ehe eine
meiner älteren Colleginnen zu Frau und füllte die ent-
standene Lücke wieder aus, indem er seine Tochter aus
erster Ehe unter die Studentinnen einreihte. Man wird
nicht behaupten wollen, daß die Professoren sich bemühten,
Studentinnen zu heirathen, um dem Frauenstudium zu
schaden. -

Unter den Vertheidigungsmomenten des Studentinnen-
thums von damals ist übrigens eines kaum je genannt
worden: Daß nämlich jene Russinnen immatriculirt worden
waren auf Grund der bis 1873 geltenden, oder besser ge-
sagt mangelnden speciellen Vorschriften bezüglich der Auf-
nahmebedingungen von Nichtkantonsbürgern als Studirende.
Man verlangte von ihnen, wie von Jedermann, ein ge-
nügendes Sittenzeugniß und weiter nichts. Das 1873 er-
lassene Gesetz, die Aufnahme von Studirenden an der
Hochschule betreffend und die Verordnung gleichen Titels
aus derselben Zeit, forderten zuerst auch von Nichtkantons-
bürgern außer dem erwähnten Sittenzeugniß und dem

hochsinnige, leider kürzlich verstorbene Aloys von Orelli
in der Presse für uns einstanden, war es damals fast
ausschließlich Prof. Arnold Dodel, der sich nicht scheute,
einem Heere spöttelnder, übelwollender Gegner die Wahr-
heit und seine Meinung zu sagen und warmherzig für uns
Frauen einzustehen. Nicht jeder freilich ist zum Kämpfer
geboren, fühlt den inneren Antrieb und den Muth, eine
sowenig geschützte Position, wie es zu jener Zeit das
Studentinnenthum war, mit Darbietung der eigenen Person
zu vertheidigen. Aber der Sache geneigt war manch einer
der schweigenden Herren, was sie unter anderem auch da-
durch bethätigten, daß sie Studentinnen heiratheten. Der
damalige Präsident der Maturitätsprüfungscommission, um
nur ein Beispiel anzuführen, nahm in zweiter Ehe eine
meiner älteren Colleginnen zu Frau und füllte die ent-
standene Lücke wieder aus, indem er seine Tochter aus
erster Ehe unter die Studentinnen einreihte. Man wird
nicht behaupten wollen, daß die Professoren sich bemühten,
Studentinnen zu heirathen, um dem Frauenstudium zu
schaden. –

Unter den Vertheidigungsmomenten des Studentinnen-
thums von damals ist übrigens eines kaum je genannt
worden: Daß nämlich jene Russinnen immatriculirt worden
waren auf Grund der bis 1873 geltenden, oder besser ge-
sagt mangelnden speciellen Vorschriften bezüglich der Auf-
nahmebedingungen von Nichtkantonsbürgern als Studirende.
Man verlangte von ihnen, wie von Jedermann, ein ge-
nügendes Sittenzeugniß und weiter nichts. Das 1873 er-
lassene Gesetz, die Aufnahme von Studirenden an der
Hochschule betreffend und die Verordnung gleichen Titels
aus derselben Zeit, forderten zuerst auch von Nichtkantons-
bürgern außer dem erwähnten Sittenzeugniß und dem

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[6/0009] hochsinnige, leider kürzlich verstorbene Aloys von Orelli in der Presse für uns einstanden, war es damals fast ausschließlich Prof. Arnold Dodel, der sich nicht scheute, einem Heere spöttelnder, übelwollender Gegner die Wahr- heit und seine Meinung zu sagen und warmherzig für uns Frauen einzustehen. Nicht jeder freilich ist zum Kämpfer geboren, fühlt den inneren Antrieb und den Muth, eine sowenig geschützte Position, wie es zu jener Zeit das Studentinnenthum war, mit Darbietung der eigenen Person zu vertheidigen. Aber der Sache geneigt war manch einer der schweigenden Herren, was sie unter anderem auch da- durch bethätigten, daß sie Studentinnen heiratheten. Der damalige Präsident der Maturitätsprüfungscommission, um nur ein Beispiel anzuführen, nahm in zweiter Ehe eine meiner älteren Colleginnen zu Frau und füllte die ent- standene Lücke wieder aus, indem er seine Tochter aus erster Ehe unter die Studentinnen einreihte. Man wird nicht behaupten wollen, daß die Professoren sich bemühten, Studentinnen zu heirathen, um dem Frauenstudium zu schaden. – Unter den Vertheidigungsmomenten des Studentinnen- thums von damals ist übrigens eines kaum je genannt worden: Daß nämlich jene Russinnen immatriculirt worden waren auf Grund der bis 1873 geltenden, oder besser ge- sagt mangelnden speciellen Vorschriften bezüglich der Auf- nahmebedingungen von Nichtkantonsbürgern als Studirende. Man verlangte von ihnen, wie von Jedermann, ein ge- nügendes Sittenzeugniß und weiter nichts. Das 1873 er- lassene Gesetz, die Aufnahme von Studirenden an der Hochschule betreffend und die Verordnung gleichen Titels aus derselben Zeit, forderten zuerst auch von Nichtkantons- bürgern außer dem erwähnten Sittenzeugniß und dem

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Zitationshilfe: Schubert-Feder, Cläre: Das Leben der Studentinnen in Zürich. Berlin, 1894, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubertfeder_studentinnen_1894/9>, abgerufen am 21.11.2024.