Schubin, Ossip: Vollmondzauber. In: Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek (Fünfzehnter Jahrgang. Band 17). 1. Bd. Stuttgart, 1899.die reichen Komtessen alle rot angestrichen. Und Annie war nicht reich, im Gegenteil ganz arm, eine Cousine im dritten Glied; sie sagten sich "du", weil sie sich von Kindesbeinen an kannten, sonst war's mit der Verwandtschaft nicht weit her. Sie lebte seit Jahren in dem Hause seiner Eltern, wo sie die fehlende Tochter ersetzte, sozusagen die Hauskomtesse machte. Sie wurde sehr geschätzt von seinen Eltern, seit ihrem fünfzehnten Jahre lebte sie bei ihnen, führte jetzt das ganze Haus. Alle hatten sie gern, aber an eine Heirat war vorläufig nicht zu denken. "Ich darf mir auch gar nichts anmerken lassen vor der Mama," schloß Swoyschin seine vertraulichen Mitteilungen. "Wenn meine Mama ahnen würde, daß ich mich für Annie interessiere, gibt sie das Mädel aus dem Haus, und das wäre für unsre arme, lustige Annie, die gar keine Lust hat, Hof- oder Stiftsdame zu werden, fatal. Na, vorläufig sind wir gute Freunde! Es wär' was wert, so einen Sonnenstrahl neben sich zu haben, der einem alle Schatten aus der Seele herausleuchtet!" Seine Augen wurden plötzlich feucht. Der alte Oberst klopfte ihm auf die Schulter und meinte: "Na, Kopf oben, mein Junge, es wird noch alles gut werden. Vielleicht gelingt es mir, den Mittler zu machen. Das wär' eine Freud'! Sapperlot!" die reichen Komtessen alle rot angestrichen. Und Annie war nicht reich, im Gegenteil ganz arm, eine Cousine im dritten Glied; sie sagten sich „du“, weil sie sich von Kindesbeinen an kannten, sonst war’s mit der Verwandtschaft nicht weit her. Sie lebte seit Jahren in dem Hause seiner Eltern, wo sie die fehlende Tochter ersetzte, sozusagen die Hauskomtesse machte. Sie wurde sehr geschätzt von seinen Eltern, seit ihrem fünfzehnten Jahre lebte sie bei ihnen, führte jetzt das ganze Haus. Alle hatten sie gern, aber an eine Heirat war vorläufig nicht zu denken. „Ich darf mir auch gar nichts anmerken lassen vor der Mama,“ schloß Swoyschin seine vertraulichen Mitteilungen. „Wenn meine Mama ahnen würde, daß ich mich für Annie interessiere, gibt sie das Mädel aus dem Haus, und das wäre für unsre arme, lustige Annie, die gar keine Lust hat, Hof- oder Stiftsdame zu werden, fatal. Na, vorläufig sind wir gute Freunde! Es wär’ was wert, so einen Sonnenstrahl neben sich zu haben, der einem alle Schatten aus der Seele herausleuchtet!“ Seine Augen wurden plötzlich feucht. Der alte Oberst klopfte ihm auf die Schulter und meinte: „Na, Kopf oben, mein Junge, es wird noch alles gut werden. Vielleicht gelingt es mir, den Mittler zu machen. Das wär’ eine Freud’! Sapperlot!“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0094" n="93"/> die reichen Komtessen alle rot angestrichen. Und Annie war nicht reich, im Gegenteil ganz arm, eine Cousine im dritten Glied; sie sagten sich „du“, weil sie sich von Kindesbeinen an kannten, sonst war’s mit der Verwandtschaft nicht weit her. Sie lebte seit Jahren in dem Hause seiner Eltern, wo sie die fehlende Tochter ersetzte, sozusagen die Hauskomtesse machte.</p> <p>Sie wurde sehr geschätzt von seinen Eltern, seit ihrem fünfzehnten Jahre lebte sie bei ihnen, führte jetzt das ganze Haus. Alle hatten sie gern, aber an eine Heirat war vorläufig nicht zu denken.</p> <p>„Ich darf mir auch gar nichts anmerken lassen vor der Mama,“ schloß Swoyschin seine vertraulichen Mitteilungen. „Wenn meine Mama ahnen würde, daß ich mich für Annie interessiere, gibt sie das Mädel aus dem Haus, und das wäre für unsre arme, lustige Annie, die gar keine Lust hat, Hof- oder Stiftsdame zu werden, fatal. Na, vorläufig sind wir gute Freunde! Es wär’ was wert, so einen Sonnenstrahl neben sich zu haben, der einem alle Schatten aus der Seele herausleuchtet!“</p> <p>Seine Augen wurden plötzlich feucht. Der alte Oberst klopfte ihm auf die Schulter und meinte: „Na, Kopf oben, mein Junge, es wird noch alles gut werden. Vielleicht gelingt es mir, den Mittler zu machen. Das wär’ eine Freud’! Sapperlot!“</p> </div> </body> </text> </TEI> [93/0094]
die reichen Komtessen alle rot angestrichen. Und Annie war nicht reich, im Gegenteil ganz arm, eine Cousine im dritten Glied; sie sagten sich „du“, weil sie sich von Kindesbeinen an kannten, sonst war’s mit der Verwandtschaft nicht weit her. Sie lebte seit Jahren in dem Hause seiner Eltern, wo sie die fehlende Tochter ersetzte, sozusagen die Hauskomtesse machte.
Sie wurde sehr geschätzt von seinen Eltern, seit ihrem fünfzehnten Jahre lebte sie bei ihnen, führte jetzt das ganze Haus. Alle hatten sie gern, aber an eine Heirat war vorläufig nicht zu denken.
„Ich darf mir auch gar nichts anmerken lassen vor der Mama,“ schloß Swoyschin seine vertraulichen Mitteilungen. „Wenn meine Mama ahnen würde, daß ich mich für Annie interessiere, gibt sie das Mädel aus dem Haus, und das wäre für unsre arme, lustige Annie, die gar keine Lust hat, Hof- oder Stiftsdame zu werden, fatal. Na, vorläufig sind wir gute Freunde! Es wär’ was wert, so einen Sonnenstrahl neben sich zu haben, der einem alle Schatten aus der Seele herausleuchtet!“
Seine Augen wurden plötzlich feucht. Der alte Oberst klopfte ihm auf die Schulter und meinte: „Na, Kopf oben, mein Junge, es wird noch alles gut werden. Vielleicht gelingt es mir, den Mittler zu machen. Das wär’ eine Freud’! Sapperlot!“
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