Schubin, Ossip: Vollmondzauber. In: Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek (Fünfzehnter Jahrgang. Band 18). 2. Bd. Stuttgart, 1899.die andre jung und schön, aber aus der älteren werde niemand klug und die jüngere habe Raupen im Kopf. Sie war, wenn ich nicht irre, ein ganzes Jahr in Paris, um sich von Charcot behandeln zu lassen. Wenn dir das besonderes Vertrauen einflößt, so gratulier' ich dir zu deiner vertrauensseligen Natur." "Ach was, sie war ein wenig hysterisch, das gibt sich in der Ehe," erklärte die Gräfin. "Selbst nach dem, was deine neugierige Freundin Rosin' dir schreibt, steht es schlecht um ihre Gesundheit," wendete hartnäckig der alte Graf ein. "Etwas Vorübergehendes," replizierte die Gräfin. "Bildschön muß sie sein," murmelte sie hierauf wie zu sich selbst, "eine Schwiegertochter, mit der man Staat machen könnte. Die ältere Schwester dürfte kaum mehr heiraten; man müßte zusehen, daß sie nicht unter den Einfluß der Geistlichkeit gerät. Hm! hm! Jedenfalls werde ich trachten, mich zu orientieren. Wo ist den Annie?" Aber Annie war verschwunden. Die Gräfin verfügte sich in das Schloß zurück, um ihren Schlachtplan genau zu überlegen. Kurze Zeit darauf trat Annie von neuem auf die Terrasse. Sie brachte dem alten Herrn sein Gabelfrühstück. Das that sie immer selbst. Sie stellte den leichten Imbiß, ein paar Sandwiches und ein Glas Wein, auf den kleinen Tisch aus Korbgeflecht, die andre jung und schön, aber aus der älteren werde niemand klug und die jüngere habe Raupen im Kopf. Sie war, wenn ich nicht irre, ein ganzes Jahr in Paris, um sich von Charcot behandeln zu lassen. Wenn dir das besonderes Vertrauen einflößt, so gratulier’ ich dir zu deiner vertrauensseligen Natur.“ „Ach was, sie war ein wenig hysterisch, das gibt sich in der Ehe,“ erklärte die Gräfin. „Selbst nach dem, was deine neugierige Freundin Rosin’ dir schreibt, steht es schlecht um ihre Gesundheit,“ wendete hartnäckig der alte Graf ein. „Etwas Vorübergehendes,“ replizierte die Gräfin. „Bildschön muß sie sein,“ murmelte sie hierauf wie zu sich selbst, „eine Schwiegertochter, mit der man Staat machen könnte. Die ältere Schwester dürfte kaum mehr heiraten; man müßte zusehen, daß sie nicht unter den Einfluß der Geistlichkeit gerät. Hm! hm! Jedenfalls werde ich trachten, mich zu orientieren. Wo ist den Annie?“ Aber Annie war verschwunden. Die Gräfin verfügte sich in das Schloß zurück, um ihren Schlachtplan genau zu überlegen. Kurze Zeit darauf trat Annie von neuem auf die Terrasse. Sie brachte dem alten Herrn sein Gabelfrühstück. Das that sie immer selbst. Sie stellte den leichten Imbiß, ein paar Sandwiches und ein Glas Wein, auf den kleinen Tisch aus Korbgeflecht, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0088" n="88"/> die andre jung und schön, aber aus der älteren werde niemand klug und die jüngere habe Raupen im Kopf. Sie war, wenn ich nicht irre, ein ganzes Jahr in Paris, um sich von Charcot behandeln zu lassen. Wenn dir das besonderes Vertrauen einflößt, so gratulier’ ich dir zu deiner vertrauensseligen Natur.“</p> <p>„Ach was, sie war ein wenig hysterisch, das gibt sich in der Ehe,“ erklärte die Gräfin.</p> <p>„Selbst nach dem, was deine neugierige Freundin Rosin’ dir schreibt, steht es schlecht um ihre Gesundheit,“ wendete hartnäckig der alte Graf ein.</p> <p>„Etwas Vorübergehendes,“ replizierte die Gräfin. „Bildschön muß sie sein,“ murmelte sie hierauf wie zu sich selbst, „eine Schwiegertochter, mit der man Staat machen könnte. Die ältere Schwester dürfte kaum mehr heiraten; man müßte zusehen, daß sie nicht unter den Einfluß der Geistlichkeit gerät. Hm! hm! Jedenfalls werde ich trachten, mich zu orientieren. Wo ist den Annie?“</p> <p>Aber Annie war verschwunden. Die Gräfin verfügte sich in das Schloß zurück, um ihren Schlachtplan genau zu überlegen.</p> <p>Kurze Zeit darauf trat Annie von neuem auf die Terrasse. Sie brachte dem alten Herrn sein Gabelfrühstück. Das that sie immer selbst. Sie stellte den leichten Imbiß, ein paar Sandwiches und ein Glas Wein, auf den kleinen Tisch aus Korbgeflecht, </p> </div> </body> </text> </TEI> [88/0088]
die andre jung und schön, aber aus der älteren werde niemand klug und die jüngere habe Raupen im Kopf. Sie war, wenn ich nicht irre, ein ganzes Jahr in Paris, um sich von Charcot behandeln zu lassen. Wenn dir das besonderes Vertrauen einflößt, so gratulier’ ich dir zu deiner vertrauensseligen Natur.“
„Ach was, sie war ein wenig hysterisch, das gibt sich in der Ehe,“ erklärte die Gräfin.
„Selbst nach dem, was deine neugierige Freundin Rosin’ dir schreibt, steht es schlecht um ihre Gesundheit,“ wendete hartnäckig der alte Graf ein.
„Etwas Vorübergehendes,“ replizierte die Gräfin. „Bildschön muß sie sein,“ murmelte sie hierauf wie zu sich selbst, „eine Schwiegertochter, mit der man Staat machen könnte. Die ältere Schwester dürfte kaum mehr heiraten; man müßte zusehen, daß sie nicht unter den Einfluß der Geistlichkeit gerät. Hm! hm! Jedenfalls werde ich trachten, mich zu orientieren. Wo ist den Annie?“
Aber Annie war verschwunden. Die Gräfin verfügte sich in das Schloß zurück, um ihren Schlachtplan genau zu überlegen.
Kurze Zeit darauf trat Annie von neuem auf die Terrasse. Sie brachte dem alten Herrn sein Gabelfrühstück. Das that sie immer selbst. Sie stellte den leichten Imbiß, ein paar Sandwiches und ein Glas Wein, auf den kleinen Tisch aus Korbgeflecht,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |