Schuchardt, Hugo: Ueber die Lautgesetze. Gegen die Junggrammatiker. Berlin, 1885.Erscheinen des Curtius'schen Buches" auch die psy- Erscheinen des Curtius'schen Buches“ auch die psy- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0019" n="7"/> Erscheinen des <hi rendition="#g">Curtius</hi>'schen Buches“ auch die psy-<lb/> chische Natur der Lautgesetze festgestanden habe; er<lb/> hat dabei vor Allem seinen Mitarbeiter <hi rendition="#g">Osthoff<hi rendition="#sub">2</hi></hi> ver-<lb/> gessen, und zudem dass die von diesem in so weitem<lb/> Umfang angenommene Unfähigkeit der Sprachwerk-<lb/> zeuge zur Hervorbringung gewisser Laute in geringem<lb/> Umfang wirklich existirt. Ich habe es eben schon<lb/> ausgesprochen dass diejenigen Lautgesetze welche<lb/> durch die Analogie gestört werden können, psycho-<lb/> logisch bedingt sind; dies bestätigt sich nun dadurch<lb/> dass zwischen den Erscheinungen der beiden Kate-<lb/> gorieen keine Kluft, sondern ein Übergang wahrnehm-<lb/> bar ist, der sich etwa in folgender Reihe romanischer<lb/> Beispiele andeuten lässt: <hi rendition="#i">conte</hi> = <hi rendition="#i">comite</hi>, <hi rendition="#i">dunque</hi> = <hi rendition="#i">nunc</hi>,<lb/><hi rendition="#i">treatro</hi> = <hi rendition="#i">theatro</hi>, <hi rendition="#i">eglino amano</hi> = <hi rendition="#i">egli amano</hi>, <hi rendition="#i">non grieve<lb/> ma lieve</hi> = <hi rendition="#i">non grave magis leve</hi>. Es werden nicht<lb/> nur unmittelbar folgende, sondern auch entferntere<lb/> lautliche Vorstellungen anticipirt, und wiederum be-<lb/> ruhen die Analogiebildungen zum grossen Theil nicht<lb/> bloss auf einer ideellen, sondern auf einer thatsäch-<lb/> lichen Nebeneinanderstellung von Wörtern; insofern<lb/> können wir sie als eine höhere Ordnung von Assi-<lb/> milationen auffassen. Anderseits lassen sich nicht<lb/> selten Erscheinungen bei denen durchaus keine be-<lb/> grifflichen Beziehungen im Spiele sind, auf ideelle<lb/> Nebeneinanderstellung zurückführen, und da können<lb/> wir von einer niedrigeren Ordnung von Analogie-<lb/> bildungen reden. So begünstigt die Häufigkeit ge-<lb/> wisser Lautcomplexe die Neubildung identischer (z. B.<lb/><hi rendition="#i">ié</hi> = <hi rendition="#i">ie</hi> in ital. <hi rendition="#i">pièta</hi>), oder die Häufigkeit eines ge-<lb/> wissen Lautwandels wird zur Allgemeinheit. Ich habe<lb/> vor langen Jahren den Gedanken geäussert dass im<lb/> Italienischen (und im Romanischen überhaupt) <hi rendition="#i">ie</hi>, <hi rendition="#i">uo</hi><lb/><lb/> </p> </div> </body> </text> </TEI> [7/0019]
Erscheinen des Curtius'schen Buches“ auch die psy-
chische Natur der Lautgesetze festgestanden habe; er
hat dabei vor Allem seinen Mitarbeiter Osthoff2 ver-
gessen, und zudem dass die von diesem in so weitem
Umfang angenommene Unfähigkeit der Sprachwerk-
zeuge zur Hervorbringung gewisser Laute in geringem
Umfang wirklich existirt. Ich habe es eben schon
ausgesprochen dass diejenigen Lautgesetze welche
durch die Analogie gestört werden können, psycho-
logisch bedingt sind; dies bestätigt sich nun dadurch
dass zwischen den Erscheinungen der beiden Kate-
gorieen keine Kluft, sondern ein Übergang wahrnehm-
bar ist, der sich etwa in folgender Reihe romanischer
Beispiele andeuten lässt: conte = comite, dunque = nunc,
treatro = theatro, eglino amano = egli amano, non grieve
ma lieve = non grave magis leve. Es werden nicht
nur unmittelbar folgende, sondern auch entferntere
lautliche Vorstellungen anticipirt, und wiederum be-
ruhen die Analogiebildungen zum grossen Theil nicht
bloss auf einer ideellen, sondern auf einer thatsäch-
lichen Nebeneinanderstellung von Wörtern; insofern
können wir sie als eine höhere Ordnung von Assi-
milationen auffassen. Anderseits lassen sich nicht
selten Erscheinungen bei denen durchaus keine be-
grifflichen Beziehungen im Spiele sind, auf ideelle
Nebeneinanderstellung zurückführen, und da können
wir von einer niedrigeren Ordnung von Analogie-
bildungen reden. So begünstigt die Häufigkeit ge-
wisser Lautcomplexe die Neubildung identischer (z. B.
ié = ie in ital. pièta), oder die Häufigkeit eines ge-
wissen Lautwandels wird zur Allgemeinheit. Ich habe
vor langen Jahren den Gedanken geäussert dass im
Italienischen (und im Romanischen überhaupt) ie, uo
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