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Schücking, Levin: Die Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 169–291. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Das Gut Windschrot wurde für eine sehr geringe Summe vom Kurfürsten von Trier angekauft, der daraus ein Familienfideicommiß für einen Neffen zu stiften vorhatte; der bisherige Verwalter des Barons wurde in kurfürstlichen Dienst genommen und die Besitzung der Oberaufsicht des nächsten kurtrier'schen Stiftskellnereivorstandes und Landrentenmeisters übergeben.

Und Leonore? Was sollte nun aus Leonore werden? Die alte Tante war zu hohen Jahren gekommen und hatte keinen Platz für sie in ihrem Stifte. Wie so viel Menschen hatte sie, gleich einem zunehmenden Baume, mit jedem Jahre einen stärkeren Ring angesetzt -- von Egoismus und Kälte. Sie hatte nicht Lust, in einem anmuthigen jungen Wesen einen Spiegel ihrer verschwundenen Glanzzeit sich Tag für Tag gegenüber sitzen zu sehen! -- Andere Verwandte, mit denen die Familie in freundlichen Beziehungen gestanden hätte, waren nicht da. Bis ein passendes Unterkommen gefunden, mußte Leonore mithin auf dem Gute bleiben, geschützt von der Großmuth des treuen Verwalters, der ihr vom Landrentenmeister die Vergünstigung erwirkte, bis auf Weiteres unter dem verlassenen Dache ihrer Ahnen ein kleines Stübchen bewohnen zu dürfen.

In dem gänzlichen Ruin ihrer Familie mußte jetzt für Leonore der einzige Trost liegen, wenn sie an Joseph's Untergang dachte. Der Himmel hat ihm erspart, diese Demüthigung zu erleiden, sagte sie sich; er hat es nicht erleben sollen, seinen Vater in den Reihen

Das Gut Windschrot wurde für eine sehr geringe Summe vom Kurfürsten von Trier angekauft, der daraus ein Familienfideicommiß für einen Neffen zu stiften vorhatte; der bisherige Verwalter des Barons wurde in kurfürstlichen Dienst genommen und die Besitzung der Oberaufsicht des nächsten kurtrier'schen Stiftskellnereivorstandes und Landrentenmeisters übergeben.

Und Leonore? Was sollte nun aus Leonore werden? Die alte Tante war zu hohen Jahren gekommen und hatte keinen Platz für sie in ihrem Stifte. Wie so viel Menschen hatte sie, gleich einem zunehmenden Baume, mit jedem Jahre einen stärkeren Ring angesetzt — von Egoismus und Kälte. Sie hatte nicht Lust, in einem anmuthigen jungen Wesen einen Spiegel ihrer verschwundenen Glanzzeit sich Tag für Tag gegenüber sitzen zu sehen! — Andere Verwandte, mit denen die Familie in freundlichen Beziehungen gestanden hätte, waren nicht da. Bis ein passendes Unterkommen gefunden, mußte Leonore mithin auf dem Gute bleiben, geschützt von der Großmuth des treuen Verwalters, der ihr vom Landrentenmeister die Vergünstigung erwirkte, bis auf Weiteres unter dem verlassenen Dache ihrer Ahnen ein kleines Stübchen bewohnen zu dürfen.

In dem gänzlichen Ruin ihrer Familie mußte jetzt für Leonore der einzige Trost liegen, wenn sie an Joseph's Untergang dachte. Der Himmel hat ihm erspart, diese Demüthigung zu erleiden, sagte sie sich; er hat es nicht erleben sollen, seinen Vater in den Reihen

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[0031] Das Gut Windschrot wurde für eine sehr geringe Summe vom Kurfürsten von Trier angekauft, der daraus ein Familienfideicommiß für einen Neffen zu stiften vorhatte; der bisherige Verwalter des Barons wurde in kurfürstlichen Dienst genommen und die Besitzung der Oberaufsicht des nächsten kurtrier'schen Stiftskellnereivorstandes und Landrentenmeisters übergeben. Und Leonore? Was sollte nun aus Leonore werden? Die alte Tante war zu hohen Jahren gekommen und hatte keinen Platz für sie in ihrem Stifte. Wie so viel Menschen hatte sie, gleich einem zunehmenden Baume, mit jedem Jahre einen stärkeren Ring angesetzt — von Egoismus und Kälte. Sie hatte nicht Lust, in einem anmuthigen jungen Wesen einen Spiegel ihrer verschwundenen Glanzzeit sich Tag für Tag gegenüber sitzen zu sehen! — Andere Verwandte, mit denen die Familie in freundlichen Beziehungen gestanden hätte, waren nicht da. Bis ein passendes Unterkommen gefunden, mußte Leonore mithin auf dem Gute bleiben, geschützt von der Großmuth des treuen Verwalters, der ihr vom Landrentenmeister die Vergünstigung erwirkte, bis auf Weiteres unter dem verlassenen Dache ihrer Ahnen ein kleines Stübchen bewohnen zu dürfen. In dem gänzlichen Ruin ihrer Familie mußte jetzt für Leonore der einzige Trost liegen, wenn sie an Joseph's Untergang dachte. Der Himmel hat ihm erspart, diese Demüthigung zu erleiden, sagte sie sich; er hat es nicht erleben sollen, seinen Vater in den Reihen

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T11:53:40Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T11:53:40Z)

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Zitationshilfe: Schücking, Levin: Die Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 169–291. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schuecking_schwester_1910/31>, abgerufen am 03.12.2024.