Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schulz, Friedrich: Neue Reise durch Italien. Bd. 1, H. 1. Berlin, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

ten hat: was er mir brächte? -- "Sie ha-
ben einen Lohnbedienten verlangt?" sagte
er. -- Ja, man holt mir einen, erwiederte
ich. -- "Jch bin es, zu Jhrem Befehl!" --
So? sagte ich, und setzte meinen Hut lang-
sam wieder auf, denn ich war noch sehr er-
hitzt. Beynahe hätte ich ihn darüber unwill-
kührlich um Verzeihung gebeten. Jch hatte
freylich schon öfter weit geputztere Lohnbedien-
ten gesehen; und gerade dieser Putz hatte
mir verrathen, wer sie waren; aber solch ein
Gesicht, solch ein Wesen und Anstand hatten
mir nie das Erbtheil eines Lohnbedienten ge-
schienen. Hier indessen scheiterte meine Ge-
sichterkunde gänzlich. Er erfüllte mit so viel
Geschicklichkeit und Schnelligkeit seine Pflicht,
daß er zeitlebens nichts gethan zu haben schien,
als Schuh abbürsten und Kleider auspochen.
Jn weniger als einer halben Stunde war ich
auf dem Korso. Er ging nicht hinter mir,
sondern neben mir, weil ich ihn bald nach
den Besitzern ansehnlicher Häuser, bald nach

ten hat: was er mir braͤchte? — „Sie ha-
ben einen Lohnbedienten verlangt?“ ſagte
er. — Ja, man holt mir einen, erwiederte
ich. — „Jch bin es, zu Jhrem Befehl!“ —
So? ſagte ich, und ſetzte meinen Hut lang-
ſam wieder auf, denn ich war noch ſehr er-
hitzt. Beynahe haͤtte ich ihn daruͤber unwill-
kuͤhrlich um Verzeihung gebeten. Jch hatte
freylich ſchon oͤfter weit geputztere Lohnbedien-
ten geſehen; und gerade dieſer Putz hatte
mir verrathen, wer ſie waren; aber ſolch ein
Geſicht, ſolch ein Weſen und Anſtand hatten
mir nie das Erbtheil eines Lohnbedienten ge-
ſchienen. Hier indeſſen ſcheiterte meine Ge-
ſichterkunde gaͤnzlich. Er erfuͤllte mit ſo viel
Geſchicklichkeit und Schnelligkeit ſeine Pflicht,
daß er zeitlebens nichts gethan zu haben ſchien,
als Schuh abbuͤrſten und Kleider auspochen.
Jn weniger als einer halben Stunde war ich
auf dem Korſo. Er ging nicht hinter mir,
ſondern neben mir, weil ich ihn bald nach
den Beſitzern anſehnlicher Haͤuſer, bald nach

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0142" n="134"/>
ten hat: was er mir bra&#x0364;chte? &#x2014; &#x201E;Sie ha-<lb/>
ben einen Lohnbedienten verlangt?&#x201C; &#x017F;agte<lb/>
er. &#x2014; Ja, man holt mir einen, erwiederte<lb/>
ich. &#x2014; &#x201E;Jch bin es, zu Jhrem Befehl!&#x201C; &#x2014;<lb/>
So? &#x017F;agte ich, und &#x017F;etzte meinen Hut lang-<lb/>
&#x017F;am wieder auf, denn ich war noch &#x017F;ehr er-<lb/>
hitzt. Beynahe ha&#x0364;tte ich ihn daru&#x0364;ber unwill-<lb/>
ku&#x0364;hrlich um Verzeihung gebeten. Jch hatte<lb/>
freylich &#x017F;chon o&#x0364;fter weit geputztere Lohnbedien-<lb/>
ten ge&#x017F;ehen; und gerade die&#x017F;er Putz hatte<lb/>
mir verrathen, wer &#x017F;ie waren; aber &#x017F;olch ein<lb/>
Ge&#x017F;icht, &#x017F;olch ein We&#x017F;en und An&#x017F;tand hatten<lb/>
mir nie das Erbtheil eines Lohnbedienten ge-<lb/>
&#x017F;chienen. Hier inde&#x017F;&#x017F;en &#x017F;cheiterte meine Ge-<lb/>
&#x017F;ichterkunde ga&#x0364;nzlich. Er erfu&#x0364;llte mit &#x017F;o viel<lb/>
Ge&#x017F;chicklichkeit und Schnelligkeit &#x017F;eine Pflicht,<lb/>
daß er zeitlebens nichts gethan zu haben &#x017F;chien,<lb/>
als Schuh abbu&#x0364;r&#x017F;ten und Kleider auspochen.<lb/>
Jn weniger als einer halben Stunde war ich<lb/>
auf dem Kor&#x017F;o. Er ging nicht hinter mir,<lb/>
&#x017F;ondern neben mir, weil ich ihn bald nach<lb/>
den Be&#x017F;itzern an&#x017F;ehnlicher Ha&#x0364;u&#x017F;er, bald nach<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[134/0142] ten hat: was er mir braͤchte? — „Sie ha- ben einen Lohnbedienten verlangt?“ ſagte er. — Ja, man holt mir einen, erwiederte ich. — „Jch bin es, zu Jhrem Befehl!“ — So? ſagte ich, und ſetzte meinen Hut lang- ſam wieder auf, denn ich war noch ſehr er- hitzt. Beynahe haͤtte ich ihn daruͤber unwill- kuͤhrlich um Verzeihung gebeten. Jch hatte freylich ſchon oͤfter weit geputztere Lohnbedien- ten geſehen; und gerade dieſer Putz hatte mir verrathen, wer ſie waren; aber ſolch ein Geſicht, ſolch ein Weſen und Anſtand hatten mir nie das Erbtheil eines Lohnbedienten ge- ſchienen. Hier indeſſen ſcheiterte meine Ge- ſichterkunde gaͤnzlich. Er erfuͤllte mit ſo viel Geſchicklichkeit und Schnelligkeit ſeine Pflicht, daß er zeitlebens nichts gethan zu haben ſchien, als Schuh abbuͤrſten und Kleider auspochen. Jn weniger als einer halben Stunde war ich auf dem Korſo. Er ging nicht hinter mir, ſondern neben mir, weil ich ihn bald nach den Beſitzern anſehnlicher Haͤuſer, bald nach

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die "Neue Reise durch Italien" ist auch erschiene… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_italien_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_italien_1797/142
Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Neue Reise durch Italien. Bd. 1, H. 1. Berlin, 1797, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_italien_1797/142>, abgerufen am 17.06.2024.