einen Arm oder Fuß weniger, als andere, drängt sich aus der Nachbarschaft nach der Stadt und geht selten wieder heraus. Die zahlreiche Dienerschaft, welche die Mode und eine, von außen wirklich bettelhafte, Pral- sucht unterhalten, liefert keinen geringen Bey- trag zu der hiesigen Bettlermenge. Da die Besoldung der Bedienten, Kutscher und Läu- fer sehr schlecht ist, so können sie für Noth- fälle nichts sparen; sie haben also, wenn sie verabschiedet oder weggejagt werden, keine an- dre Zuflucht übrig, als zu betteln oder zu stehlen, oder beydes zugleich zu treiben. Es fehlt hier zwar nicht an Kranken- und Ar- menanstalten, aber in die ersteren geht selten ein Bettler freywillig, und die Wohlthaten der letztern nimmt er mit.
Da, wo die Einwohner am zahlreichsten sich versammlen, sind diese wirklich Nothlei- denden, oder nur liederlichen und faulen Tau- genichts, auch am häufigsten. So finden sie gegen Abend auf dem Korso, der Neuen
einen Arm oder Fuß weniger, als andere, draͤngt ſich aus der Nachbarſchaft nach der Stadt und geht ſelten wieder heraus. Die zahlreiche Dienerſchaft, welche die Mode und eine, von außen wirklich bettelhafte, Pral- ſucht unterhalten, liefert keinen geringen Bey- trag zu der hieſigen Bettlermenge. Da die Beſoldung der Bedienten, Kutſcher und Laͤu- fer ſehr ſchlecht iſt, ſo koͤnnen ſie fuͤr Noth- faͤlle nichts ſparen; ſie haben alſo, wenn ſie verabſchiedet oder weggejagt werden, keine an- dre Zuflucht uͤbrig, als zu betteln oder zu ſtehlen, oder beydes zugleich zu treiben. Es fehlt hier zwar nicht an Kranken- und Ar- menanſtalten, aber in die erſteren geht ſelten ein Bettler freywillig, und die Wohlthaten der letztern nimmt er mit.
Da, wo die Einwohner am zahlreichſten ſich verſammlen, ſind dieſe wirklich Nothlei- denden, oder nur liederlichen und faulen Tau- genichts, auch am haͤufigſten. So finden ſie gegen Abend auf dem Korſo, der Neuen
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einen Arm oder Fuß weniger, als andere,
draͤngt ſich aus der Nachbarſchaft nach der
Stadt und geht ſelten wieder heraus. Die
zahlreiche Dienerſchaft, welche die Mode und
eine, von außen wirklich bettelhafte, Pral-
ſucht unterhalten, liefert keinen geringen Bey-
trag zu der hieſigen Bettlermenge. Da die
Beſoldung der Bedienten, Kutſcher und Laͤu-
fer ſehr ſchlecht iſt, ſo koͤnnen ſie fuͤr Noth-
faͤlle nichts ſparen; ſie haben alſo, wenn ſie
verabſchiedet oder weggejagt werden, keine an-
dre Zuflucht uͤbrig, als zu betteln oder zu
ſtehlen, oder beydes zugleich zu treiben. Es
fehlt hier zwar nicht an Kranken- und Ar-
menanſtalten, aber in die erſteren geht ſelten
ein Bettler freywillig, und die Wohlthaten
der letztern nimmt er mit.
Da, wo die Einwohner am zahlreichſten
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Neue Reise durch Italien" ist auch erschiene… [mehr]
Die "Neue Reise durch Italien" ist auch erschienen als 7. Heft der "Reise eines Livländers von Riga nach Warschau, durch Südpreußen, über Breslau [...] nach Bozen in Tyrol".
Schulz, Friedrich: Neue Reise durch Italien. Bd. 1, H. 1. Berlin, 1797, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_italien_1797/176>, abgerufen am 17.06.2024.
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