Beine sind ohne Strümpfe, die Füße ohne Schuh; beydes ist in Monaten nicht gewa- schen. Weiterhin begegnen einem schon häu- fig Leute in seidenen Lumpen.
Abzeichen dieser Art hatte ich von Wien an, und sie wurden immer häufiger, je mehr ich mich der Gränze näherte. Zu Trient bet- telte schon der Postknecht gebrochen Deutsch noch um einige "Sololi" über ein reichliches Trinkgeld; und ein Kerl, der ihm die Pferde vom Wagen gespannt hatte, erpochte dafür von mir ein Geschenk. Bis Roveredo ist alles, womit der Fremde zu handeln kommt, Jtalienisch geworden; und alles geht Jtalie- nisch mit ihm um. Wirth, Kellner, Lohnbe- dienter, Postknecht, Hausknecht, Hausmagd, alles betrügt ihn, jeder bettelt von ihm, je- der belügt ihn, jeder bleibt in der besten Laune, wenn er ihn über die mannigfachen Plackereyen verdrießlich sieht, oder wenn ihm die Wörter Gauner, Betrüger, unverschämte Lügner, Bettler, entwischen. Höchstens sagen
Beine ſind ohne Struͤmpfe, die Fuͤße ohne Schuh; beydes iſt in Monaten nicht gewa- ſchen. Weiterhin begegnen einem ſchon haͤu- fig Leute in ſeidenen Lumpen.
Abzeichen dieſer Art hatte ich von Wien an, und ſie wurden immer haͤufiger, je mehr ich mich der Graͤnze naͤherte. Zu Trient bet- telte ſchon der Poſtknecht gebrochen Deutſch noch um einige „Sololi“ uͤber ein reichliches Trinkgeld; und ein Kerl, der ihm die Pferde vom Wagen geſpannt hatte, erpochte dafuͤr von mir ein Geſchenk. Bis Roveredo iſt alles, womit der Fremde zu handeln kommt, Jtalieniſch geworden; und alles geht Jtalie- niſch mit ihm um. Wirth, Kellner, Lohnbe- dienter, Poſtknecht, Hausknecht, Hausmagd, alles betruͤgt ihn, jeder bettelt von ihm, je- der beluͤgt ihn, jeder bleibt in der beſten Laune, wenn er ihn uͤber die mannigfachen Plackereyen verdrießlich ſieht, oder wenn ihm die Woͤrter Gauner, Betruͤger, unverſchaͤmte Luͤgner, Bettler, entwiſchen. Hoͤchſtens ſagen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0061"n="53"/>
Beine ſind ohne Struͤmpfe, die Fuͤße ohne<lb/>
Schuh; beydes iſt in Monaten nicht gewa-<lb/>ſchen. Weiterhin begegnen einem ſchon haͤu-<lb/>
fig Leute in ſeidenen Lumpen.</p><lb/><p>Abzeichen dieſer Art hatte ich von Wien<lb/>
an, und ſie wurden immer haͤufiger, je mehr<lb/>
ich mich der Graͤnze naͤherte. Zu Trient bet-<lb/>
telte ſchon der Poſtknecht gebrochen Deutſch<lb/>
noch um einige <hirendition="#aq">„Sololi“</hi> uͤber ein reichliches<lb/>
Trinkgeld; und ein Kerl, der <hirendition="#g">ihm</hi> die Pferde<lb/>
vom Wagen geſpannt hatte, erpochte dafuͤr<lb/>
von <hirendition="#g">mir</hi> ein Geſchenk. Bis Roveredo iſt<lb/>
alles, womit der Fremde zu handeln kommt,<lb/>
Jtalieniſch geworden; und alles geht Jtalie-<lb/>
niſch mit ihm um. Wirth, Kellner, Lohnbe-<lb/>
dienter, Poſtknecht, Hausknecht, Hausmagd,<lb/>
alles betruͤgt ihn, jeder bettelt von ihm, je-<lb/>
der beluͤgt ihn, jeder bleibt in der beſten<lb/>
Laune, wenn er ihn uͤber die mannigfachen<lb/>
Plackereyen verdrießlich ſieht, oder wenn ihm<lb/>
die Woͤrter Gauner, Betruͤger, unverſchaͤmte<lb/>
Luͤgner, Bettler, entwiſchen. Hoͤchſtens ſagen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[53/0061]
Beine ſind ohne Struͤmpfe, die Fuͤße ohne
Schuh; beydes iſt in Monaten nicht gewa-
ſchen. Weiterhin begegnen einem ſchon haͤu-
fig Leute in ſeidenen Lumpen.
Abzeichen dieſer Art hatte ich von Wien
an, und ſie wurden immer haͤufiger, je mehr
ich mich der Graͤnze naͤherte. Zu Trient bet-
telte ſchon der Poſtknecht gebrochen Deutſch
noch um einige „Sololi“ uͤber ein reichliches
Trinkgeld; und ein Kerl, der ihm die Pferde
vom Wagen geſpannt hatte, erpochte dafuͤr
von mir ein Geſchenk. Bis Roveredo iſt
alles, womit der Fremde zu handeln kommt,
Jtalieniſch geworden; und alles geht Jtalie-
niſch mit ihm um. Wirth, Kellner, Lohnbe-
dienter, Poſtknecht, Hausknecht, Hausmagd,
alles betruͤgt ihn, jeder bettelt von ihm, je-
der beluͤgt ihn, jeder bleibt in der beſten
Laune, wenn er ihn uͤber die mannigfachen
Plackereyen verdrießlich ſieht, oder wenn ihm
die Woͤrter Gauner, Betruͤger, unverſchaͤmte
Luͤgner, Bettler, entwiſchen. Hoͤchſtens ſagen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Neue Reise durch Italien" ist auch erschiene… [mehr]
Die "Neue Reise durch Italien" ist auch erschienen als 7. Heft der "Reise eines Livländers von Riga nach Warschau, durch Südpreußen, über Breslau [...] nach Bozen in Tyrol".
Schulz, Friedrich: Neue Reise durch Italien. Bd. 1, H. 1. Berlin, 1797, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_italien_1797/61>, abgerufen am 17.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.