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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, H. 2. Berlin, 1795.

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Die Wagen- und Reitpferde folgen in langen
Zügen mit Stallmeistern, Bereitern, Kut-
schern und Knechten; und selbst Horn- und
Federvieh wird, wenn die Reise durch schlecht
versehene Gegenden geht, oder wo man nicht
etwa bei Gastfreunden Herberge weiß, in
Menge nachgetrieben. Weil die Krüge meh-
rentheils schlecht sind, so versieht man sich mit
Zelten, und wo man Rast nehmen will, da
werden sie aufgeschlagen, und das Ganze la-
gert sich nach patriarchalischer Sitte.

Macht man Reisen in fremde Länder, so
wird die Personenzahl etwas eingeschränkt,
aber unter drei bis vier sechsspännigen Wagen
fährt man selten. Will man sich in einer
großen Stadt verweilen, so miethet man ganze
Häuser, richtet sich förmlich ein, giebt Mit-
tags- und Abendessen, Spiel und Bälle, hält
sich zu den glänzendsten Gesellschaften und
läßt alle Schmarotzer zu. Oft gefällt es der
Fürstin in einer Stadt besser, als dem Für-
sten: sie bleibt dort mit ihrem Hofe und er

Die Wagen- und Reitpferde folgen in langen
Zuͤgen mit Stallmeiſtern, Bereitern, Kut-
ſchern und Knechten; und ſelbſt Horn- und
Federvieh wird, wenn die Reiſe durch ſchlecht
verſehene Gegenden geht, oder wo man nicht
etwa bei Gaſtfreunden Herberge weiß, in
Menge nachgetrieben. Weil die Kruͤge meh-
rentheils ſchlecht ſind, ſo verſieht man ſich mit
Zelten, und wo man Raſt nehmen will, da
werden ſie aufgeſchlagen, und das Ganze la-
gert ſich nach patriarchaliſcher Sitte.

Macht man Reiſen in fremde Laͤnder, ſo
wird die Perſonenzahl etwas eingeſchraͤnkt,
aber unter drei bis vier ſechsſpaͤnnigen Wagen
faͤhrt man ſelten. Will man ſich in einer
großen Stadt verweilen, ſo miethet man ganze
Haͤuſer, richtet ſich foͤrmlich ein, giebt Mit-
tags- und Abendeſſen, Spiel und Baͤlle, haͤlt
ſich zu den glaͤnzendſten Geſellſchaften und
laͤßt alle Schmarotzer zu. Oft gefaͤllt es der
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ſten: ſie bleibt dort mit ihrem Hofe und er

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[123/0133] Die Wagen- und Reitpferde folgen in langen Zuͤgen mit Stallmeiſtern, Bereitern, Kut- ſchern und Knechten; und ſelbſt Horn- und Federvieh wird, wenn die Reiſe durch ſchlecht verſehene Gegenden geht, oder wo man nicht etwa bei Gaſtfreunden Herberge weiß, in Menge nachgetrieben. Weil die Kruͤge meh- rentheils ſchlecht ſind, ſo verſieht man ſich mit Zelten, und wo man Raſt nehmen will, da werden ſie aufgeſchlagen, und das Ganze la- gert ſich nach patriarchaliſcher Sitte. Macht man Reiſen in fremde Laͤnder, ſo wird die Perſonenzahl etwas eingeſchraͤnkt, aber unter drei bis vier ſechsſpaͤnnigen Wagen faͤhrt man ſelten. Will man ſich in einer großen Stadt verweilen, ſo miethet man ganze Haͤuſer, richtet ſich foͤrmlich ein, giebt Mit- tags- und Abendeſſen, Spiel und Baͤlle, haͤlt ſich zu den glaͤnzendſten Geſellſchaften und laͤßt alle Schmarotzer zu. Oft gefaͤllt es der Fuͤrſtin in einer Stadt beſſer, als dem Fuͤr- ſten: ſie bleibt dort mit ihrem Hofe und er

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, H. 2. Berlin, 1795, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0102_1795/133>, abgerufen am 20.05.2024.