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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, [H. 3]. Berlin, 1795.

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Gewöhnlich nehmen bey der Wahl des
Reichstags-Marschalls die Heftigkeiten zwi-
schen den verschiedenen Parteyen schon ihren
Anfang. Es ist jeder derselben höchst wichtig,
daß ein Bote Reichstagsmarschall werde, der
auf ihrer Seite ist. Jede schlägt also ihren
eigenen Kandidaten vor, jede sucht dem ihri-
gen die meisten Stimmen zu verschaffen. Eine
dritte Partey, die es berechnen kann, daß ihre
Entwürfe, wie die Stimmung der Boten jetzt
ist, nicht durchgehen möchten, arbeitet dahin,
daß gar kein Marschall gewählt werde, weil
sodann gar kein Reichstag statt finden kann,
sie also die Hoffnung behält, auf einem künf-
tigen ihren Zweck zu erreichen. Auch erklärt
sich wohl eine auswärtige Macht gegen den
Kandidaten, der wahrscheinlich die Mehrheit
haben könnte; oder eine andre Macht setzt die
Wahl eines andern durch, der in ihrem Jn-
teresse ist. Mit einem Worte, es verlaufen
oft Tage und Wochen, ehe diese Wahl zu
Stande kommt; oft geht sie gar nicht vor sich,

und

Gewoͤhnlich nehmen bey der Wahl des
Reichstags-Marſchalls die Heftigkeiten zwi-
ſchen den verſchiedenen Parteyen ſchon ihren
Anfang. Es iſt jeder derſelben hoͤchſt wichtig,
daß ein Bote Reichstagsmarſchall werde, der
auf ihrer Seite iſt. Jede ſchlaͤgt alſo ihren
eigenen Kandidaten vor, jede ſucht dem ihri-
gen die meiſten Stimmen zu verſchaffen. Eine
dritte Partey, die es berechnen kann, daß ihre
Entwuͤrfe, wie die Stimmung der Boten jetzt
iſt, nicht durchgehen moͤchten, arbeitet dahin,
daß gar kein Marſchall gewaͤhlt werde, weil
ſodann gar kein Reichstag ſtatt finden kann,
ſie alſo die Hoffnung behaͤlt, auf einem kuͤnf-
tigen ihren Zweck zu erreichen. Auch erklaͤrt
ſich wohl eine auswaͤrtige Macht gegen den
Kandidaten, der wahrſcheinlich die Mehrheit
haben koͤnnte; oder eine andre Macht ſetzt die
Wahl eines andern durch, der in ihrem Jn-
tereſſe iſt. Mit einem Worte, es verlaufen
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[144/0154] Gewoͤhnlich nehmen bey der Wahl des Reichstags-Marſchalls die Heftigkeiten zwi- ſchen den verſchiedenen Parteyen ſchon ihren Anfang. Es iſt jeder derſelben hoͤchſt wichtig, daß ein Bote Reichstagsmarſchall werde, der auf ihrer Seite iſt. Jede ſchlaͤgt alſo ihren eigenen Kandidaten vor, jede ſucht dem ihri- gen die meiſten Stimmen zu verſchaffen. Eine dritte Partey, die es berechnen kann, daß ihre Entwuͤrfe, wie die Stimmung der Boten jetzt iſt, nicht durchgehen moͤchten, arbeitet dahin, daß gar kein Marſchall gewaͤhlt werde, weil ſodann gar kein Reichstag ſtatt finden kann, ſie alſo die Hoffnung behaͤlt, auf einem kuͤnf- tigen ihren Zweck zu erreichen. Auch erklaͤrt ſich wohl eine auswaͤrtige Macht gegen den Kandidaten, der wahrſcheinlich die Mehrheit haben koͤnnte; oder eine andre Macht ſetzt die Wahl eines andern durch, der in ihrem Jn- tereſſe iſt. Mit einem Worte, es verlaufen oft Tage und Wochen, ehe dieſe Wahl zu Stande kommt; oft geht ſie gar nicht vor ſich, und

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, [H. 3]. Berlin, 1795, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0201_1795/154>, abgerufen am 24.11.2024.