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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, [H. 3]. Berlin, 1795.

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Von sechs Uhr des Morgens an, bis um
zwölf Uhr des Mittags, von sechs Uhr Nach-
mittags bis um zwölf Uhr in der Nacht müs-
sen sie in Bewegung seyn, je nachdem sie die
Senatoren und Reichsboten früher oder später,
beym Aufstehen oder beym Niederlegen, an
der Tafel oder beym Spiel, zu finden wissen,
oder zu finden glauben. Oft treffen sie mit
ihren Gegnern an einem Orte, in einem Vor-
zimmer, an einem Putztische zusammen; sie
hören sie selbst gegen sich sprechen, und war-
ten nur das Ende ab, um ihrerseits gegen sie
zu schreyen. Jn solchen Fällen sieht der Klü-
gere nur zu, daß er der letzte ist, der vorträgt.
Denn der verwirrte Gönner giebt gewöhnlich
dem Letzten Recht. Die Sache kommt endlich
an den Reichstag, man stimmt dafür oder da-
gegen, ohne davon unterrichtet zu seyn, und
die Mehrheit der Stimmen entscheidet. Dieß
ist die Entwickelung des Stücks, und der Vor-
hang fällt gewöhnlich zum Mißvergnügen aller
Parteyen.

M 2

Von ſechs Uhr des Morgens an, bis um
zwoͤlf Uhr des Mittags, von ſechs Uhr Nach-
mittags bis um zwoͤlf Uhr in der Nacht muͤſ-
ſen ſie in Bewegung ſeyn, je nachdem ſie die
Senatoren und Reichsboten fruͤher oder ſpaͤter,
beym Aufſtehen oder beym Niederlegen, an
der Tafel oder beym Spiel, zu finden wiſſen,
oder zu finden glauben. Oft treffen ſie mit
ihren Gegnern an einem Orte, in einem Vor-
zimmer, an einem Putztiſche zuſammen; ſie
hoͤren ſie ſelbſt gegen ſich ſprechen, und war-
ten nur das Ende ab, um ihrerſeits gegen ſie
zu ſchreyen. Jn ſolchen Faͤllen ſieht der Kluͤ-
gere nur zu, daß er der letzte iſt, der vortraͤgt.
Denn der verwirrte Goͤnner giebt gewoͤhnlich
dem Letzten Recht. Die Sache kommt endlich
an den Reichstag, man ſtimmt dafuͤr oder da-
gegen, ohne davon unterrichtet zu ſeyn, und
die Mehrheit der Stimmen entſcheidet. Dieß
iſt die Entwickelung des Stuͤcks, und der Vor-
hang faͤllt gewoͤhnlich zum Mißvergnuͤgen aller
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M 2
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[179/0189] Von ſechs Uhr des Morgens an, bis um zwoͤlf Uhr des Mittags, von ſechs Uhr Nach- mittags bis um zwoͤlf Uhr in der Nacht muͤſ- ſen ſie in Bewegung ſeyn, je nachdem ſie die Senatoren und Reichsboten fruͤher oder ſpaͤter, beym Aufſtehen oder beym Niederlegen, an der Tafel oder beym Spiel, zu finden wiſſen, oder zu finden glauben. Oft treffen ſie mit ihren Gegnern an einem Orte, in einem Vor- zimmer, an einem Putztiſche zuſammen; ſie hoͤren ſie ſelbſt gegen ſich ſprechen, und war- ten nur das Ende ab, um ihrerſeits gegen ſie zu ſchreyen. Jn ſolchen Faͤllen ſieht der Kluͤ- gere nur zu, daß er der letzte iſt, der vortraͤgt. Denn der verwirrte Goͤnner giebt gewoͤhnlich dem Letzten Recht. Die Sache kommt endlich an den Reichstag, man ſtimmt dafuͤr oder da- gegen, ohne davon unterrichtet zu ſeyn, und die Mehrheit der Stimmen entſcheidet. Dieß iſt die Entwickelung des Stuͤcks, und der Vor- hang faͤllt gewoͤhnlich zum Mißvergnuͤgen aller Parteyen. M 2

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, [H. 3]. Berlin, 1795, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0201_1795/189>, abgerufen am 21.11.2024.