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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, [H. 3]. Berlin, 1795.

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Sonach besteht die ganze Wissenschaft der
hiesigen Anwalde in der mechanischen Kennt-
niß alter und neuer Konstitutionen-Sammlun-
gen, in der Kunst, sie auszulegen, zu verdre-
hen, zu untergraben, und in der Geschicklich-
keit, verfängliche, zweydeutige Konklusionen ab-
zufassen. Einem der berühmtesten unter ihnen
brachte ich eine Klagschrift, die in Liefland ver-
fertigt worden war. Er las eine Weile darin,
lobte das Latein derselben wiederholt und sagte
endlich: habent mentem profundam patro-
ni Livoniae et scribunt excellenter, quod
tamen non satis apud nos
. (Die Liefländi-
schen Advokaten haben tiefdenkende Köpfe,
schreiben vortreflich, aber bey uns bedarfs mehr
als das!) Jn der That, er arbeitete jene
Schrift so um, und stopfte sie, mittelst sei-
nes
"mentis" mit so viel Chikanen, Zwey-
deutigkeiten und Verfänglichkeiten aus, daß es
"satis" für polnische schon bezahlte Richter
war.

Sonach beſteht die ganze Wiſſenſchaft der
hieſigen Anwalde in der mechaniſchen Kennt-
niß alter und neuer Konſtitutionen-Sammlun-
gen, in der Kunſt, ſie auszulegen, zu verdre-
hen, zu untergraben, und in der Geſchicklich-
keit, verfaͤngliche, zweydeutige Konkluſionen ab-
zufaſſen. Einem der beruͤhmteſten unter ihnen
brachte ich eine Klagſchrift, die in Liefland ver-
fertigt worden war. Er las eine Weile darin,
lobte das Latein derſelben wiederholt und ſagte
endlich: habent mentem profundam patro-
ni Livoniae et ſcribunt excellenter, quod
tamen non ſatis apud nos
. (Die Lieflaͤndi-
ſchen Advokaten haben tiefdenkende Koͤpfe,
ſchreiben vortreflich, aber bey uns bedarfs mehr
als das!) Jn der That, er arbeitete jene
Schrift ſo um, und ſtopfte ſie, mittelſt ſei-
nes
„mentiſ“ mit ſo viel Chikanen, Zwey-
deutigkeiten und Verfaͤnglichkeiten aus, daß es
„ſatis“ fuͤr polniſche ſchon bezahlte Richter
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[184/0194] Sonach beſteht die ganze Wiſſenſchaft der hieſigen Anwalde in der mechaniſchen Kennt- niß alter und neuer Konſtitutionen-Sammlun- gen, in der Kunſt, ſie auszulegen, zu verdre- hen, zu untergraben, und in der Geſchicklich- keit, verfaͤngliche, zweydeutige Konkluſionen ab- zufaſſen. Einem der beruͤhmteſten unter ihnen brachte ich eine Klagſchrift, die in Liefland ver- fertigt worden war. Er las eine Weile darin, lobte das Latein derſelben wiederholt und ſagte endlich: habent mentem profundam patro- ni Livoniae et ſcribunt excellenter, quod tamen non ſatis apud nos. (Die Lieflaͤndi- ſchen Advokaten haben tiefdenkende Koͤpfe, ſchreiben vortreflich, aber bey uns bedarfs mehr als das!) Jn der That, er arbeitete jene Schrift ſo um, und ſtopfte ſie, mittelſt ſei- nes „mentiſ“ mit ſo viel Chikanen, Zwey- deutigkeiten und Verfaͤnglichkeiten aus, daß es „ſatis“ fuͤr polniſche ſchon bezahlte Richter war.

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, [H. 3]. Berlin, 1795, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0201_1795/194>, abgerufen am 24.11.2024.