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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, [H. 3]. Berlin, 1795.

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ab. Bekannte, die einander gleich sind, ma-
chen es sich in so fern bequemer, daß sie, ob-
gleich immer noch tief genug gebückt, einander
entgegen treten, die Arme langsam und sanft
einander auf die Schultern legen und sich so,
immer in einer kleinen Entfernung von einan-
der, den Hals, die Schulter oder die Wangen
küssen. Dieselben Bewegungen machen die
übrigen Klassen, die Lebensart haben wollen;
und man sieht sie auch oft bey Deutschen in
Warschau. Ehedem näherte man sich in den
höheren Ständen keinem Weibe, ohne die
tiefste Verbeugung und den ehrfurchtsvollsten
Handkuß; und man wiederholte es bey allen
übrigen in der Gesellschaft; jetzt ist dieß dort
aus der Mode gekommen, aber die niedern
Stände lassen diese Gewohnheit nicht sinken.
Sie bringen noch in jeder Gesellschaft von
Weibern einer jeden ihren Handkuß dar; wenn
sie auf den Straßen eine treffen und anreden,
so macht der Handkuß den Eingang; und es
ist possierlich genug, zuweilen die schmutzigsten

ab. Bekannte, die einander gleich ſind, ma-
chen es ſich in ſo fern bequemer, daß ſie, ob-
gleich immer noch tief genug gebuͤckt, einander
entgegen treten, die Arme langſam und ſanft
einander auf die Schultern legen und ſich ſo,
immer in einer kleinen Entfernung von einan-
der, den Hals, die Schulter oder die Wangen
kuͤſſen. Dieſelben Bewegungen machen die
uͤbrigen Klaſſen, die Lebensart haben wollen;
und man ſieht ſie auch oft bey Deutſchen in
Warſchau. Ehedem naͤherte man ſich in den
hoͤheren Staͤnden keinem Weibe, ohne die
tiefſte Verbeugung und den ehrfurchtsvollſten
Handkuß; und man wiederholte es bey allen
uͤbrigen in der Geſellſchaft; jetzt iſt dieß dort
aus der Mode gekommen, aber die niedern
Staͤnde laſſen dieſe Gewohnheit nicht ſinken.
Sie bringen noch in jeder Geſellſchaft von
Weibern einer jeden ihren Handkuß dar; wenn
ſie auf den Straßen eine treffen und anreden,
ſo macht der Handkuß den Eingang; und es
iſt poſſierlich genug, zuweilen die ſchmutzigſten

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[218/0228] ab. Bekannte, die einander gleich ſind, ma- chen es ſich in ſo fern bequemer, daß ſie, ob- gleich immer noch tief genug gebuͤckt, einander entgegen treten, die Arme langſam und ſanft einander auf die Schultern legen und ſich ſo, immer in einer kleinen Entfernung von einan- der, den Hals, die Schulter oder die Wangen kuͤſſen. Dieſelben Bewegungen machen die uͤbrigen Klaſſen, die Lebensart haben wollen; und man ſieht ſie auch oft bey Deutſchen in Warſchau. Ehedem naͤherte man ſich in den hoͤheren Staͤnden keinem Weibe, ohne die tiefſte Verbeugung und den ehrfurchtsvollſten Handkuß; und man wiederholte es bey allen uͤbrigen in der Geſellſchaft; jetzt iſt dieß dort aus der Mode gekommen, aber die niedern Staͤnde laſſen dieſe Gewohnheit nicht ſinken. Sie bringen noch in jeder Geſellſchaft von Weibern einer jeden ihren Handkuß dar; wenn ſie auf den Straßen eine treffen und anreden, ſo macht der Handkuß den Eingang; und es iſt poſſierlich genug, zuweilen die ſchmutzigſten

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, [H. 3]. Berlin, 1795, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0201_1795/228>, abgerufen am 27.11.2024.