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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, [H. 3]. Berlin, 1795.

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Die erste Klasse bilden demnach die un-
terhaltenen Mädchen
, die für Wohnung,
Nahrung, Kleidung, oder auch für einen ge-
wissen Gehalt, ihre Freyheit und ihre Person
vermiethen. Unter den höhern Ständen ist es
fast in Sitte übergegangen, daß Verheirathete,
Unverheirathete und Wittwer solche Personen
zu ihrer Erholung unterhalten, und deßhalb
ist ihre Anzahl, besonders zu Reichstagszeiten
und überhaupt bey Gelegenheiten, die den
Adel nach Warschau ziehen, sehr stark, und
sie würde dreyfach stärker seyn, wenn nicht
manche verheirathete Frau, neben der Beschäf-
tigung mit ihrem Gemal, noch Zeit und Luft
genug behielte, die Stelle einer Unterhaltenen,
auf gleichem Fuße, bey einem zweyten einzu-
nehmen.

Da man mit dieser Klasse von Mädchen
gleichsam lebt und noch andern, als den thie-
rischen Genuß bey ihr sucht: so verlangt man,
daß sie neben Schönheit und Ueppigkeit, auch
Verstand, Gefühl, Geschmack und Munter-

D 2

Die erſte Klaſſe bilden demnach die un-
terhaltenen Maͤdchen
, die fuͤr Wohnung,
Nahrung, Kleidung, oder auch fuͤr einen ge-
wiſſen Gehalt, ihre Freyheit und ihre Perſon
vermiethen. Unter den hoͤhern Staͤnden iſt es
faſt in Sitte uͤbergegangen, daß Verheirathete,
Unverheirathete und Wittwer ſolche Perſonen
zu ihrer Erholung unterhalten, und deßhalb
iſt ihre Anzahl, beſonders zu Reichstagszeiten
und uͤberhaupt bey Gelegenheiten, die den
Adel nach Warſchau ziehen, ſehr ſtark, und
ſie wuͤrde dreyfach ſtaͤrker ſeyn, wenn nicht
manche verheirathete Frau, neben der Beſchaͤf-
tigung mit ihrem Gemal, noch Zeit und Luft
genug behielte, die Stelle einer Unterhaltenen,
auf gleichem Fuße, bey einem zweyten einzu-
nehmen.

Da man mit dieſer Klaſſe von Maͤdchen
gleichſam lebt und noch andern, als den thie-
riſchen Genuß bey ihr ſucht: ſo verlangt man,
daß ſie neben Schoͤnheit und Ueppigkeit, auch
Verſtand, Gefuͤhl, Geſchmack und Munter-

D 2
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[51/0061] Die erſte Klaſſe bilden demnach die un- terhaltenen Maͤdchen, die fuͤr Wohnung, Nahrung, Kleidung, oder auch fuͤr einen ge- wiſſen Gehalt, ihre Freyheit und ihre Perſon vermiethen. Unter den hoͤhern Staͤnden iſt es faſt in Sitte uͤbergegangen, daß Verheirathete, Unverheirathete und Wittwer ſolche Perſonen zu ihrer Erholung unterhalten, und deßhalb iſt ihre Anzahl, beſonders zu Reichstagszeiten und uͤberhaupt bey Gelegenheiten, die den Adel nach Warſchau ziehen, ſehr ſtark, und ſie wuͤrde dreyfach ſtaͤrker ſeyn, wenn nicht manche verheirathete Frau, neben der Beſchaͤf- tigung mit ihrem Gemal, noch Zeit und Luft genug behielte, die Stelle einer Unterhaltenen, auf gleichem Fuße, bey einem zweyten einzu- nehmen. Da man mit dieſer Klaſſe von Maͤdchen gleichſam lebt und noch andern, als den thie- riſchen Genuß bey ihr ſucht: ſo verlangt man, daß ſie neben Schoͤnheit und Ueppigkeit, auch Verſtand, Gefuͤhl, Geſchmack und Munter- D 2

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, [H. 3]. Berlin, 1795, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0201_1795/61>, abgerufen am 24.11.2024.