Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, H. 4. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

verstanden." -- Nach dieser naiven Erklä-
rung von seiner Seite blieb mir nichts weiter
übrig, als ihn um die Gefälligkeit zu bitten,
daß er mir einen Juden verschaffen möchte.
Erst dieser riß mich, als er kam, aus der Ver-
legenheit, und ich erhielt, was ich begehrte.

Von Rawa weiß ich übrigens in der
That nicht mehr zu sagen, als was davon zu
sagen ist und ich schon gesagt habe. Es ist
ein Ort von lithauischem Schlage, mit hölzer-
nen Häusern, krummen Gassen und viel
Schmutz auf diesen Gassen. Aber folgenden
Zug wird man, wenn ich nicht irre, echt pol-
nisch finden. Die Stadt hat drey Kirchen, die
alle den Einsturz drohen, obgleich die eine --
noch nicht fertig ist. Die beyden erstern, die
ganz verfallen waren, gaben die Veranlassung
zur Erbauung der dritten. Diese Dritte ward
bis auf das Dach vollendet. Das Baugerüst
steht noch um sie her, aber es fault; man
gab der Kirche ein Nothdach, und es fault.
Solchergestalt versammlen sich die christlichen

verſtanden.“ — Nach dieſer naiven Erklaͤ-
rung von ſeiner Seite blieb mir nichts weiter
uͤbrig, als ihn um die Gefaͤlligkeit zu bitten,
daß er mir einen Juden verſchaffen moͤchte.
Erſt dieſer riß mich, als er kam, aus der Ver-
legenheit, und ich erhielt, was ich begehrte.

Von Rawa weiß ich uͤbrigens in der
That nicht mehr zu ſagen, als was davon zu
ſagen iſt und ich ſchon geſagt habe. Es iſt
ein Ort von lithauiſchem Schlage, mit hoͤlzer-
nen Haͤuſern, krummen Gaſſen und viel
Schmutz auf dieſen Gaſſen. Aber folgenden
Zug wird man, wenn ich nicht irre, echt pol-
niſch finden. Die Stadt hat drey Kirchen, die
alle den Einſturz drohen, obgleich die eine —
noch nicht fertig iſt. Die beyden erſtern, die
ganz verfallen waren, gaben die Veranlaſſung
zur Erbauung der dritten. Dieſe Dritte ward
bis auf das Dach vollendet. Das Baugeruͤſt
ſteht noch um ſie her, aber es fault; man
gab der Kirche ein Nothdach, und es fault.
Solchergeſtalt verſammlen ſich die chriſtlichen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0208" n="198"/>
ver&#x017F;tanden</hi>.&#x201C; &#x2014; Nach die&#x017F;er naiven Erkla&#x0364;-<lb/>
rung von &#x017F;einer Seite blieb mir nichts weiter<lb/>
u&#x0364;brig, als ihn um die Gefa&#x0364;lligkeit zu bitten,<lb/>
daß er mir einen Juden ver&#x017F;chaffen mo&#x0364;chte.<lb/>
Er&#x017F;t die&#x017F;er riß mich, als er kam, aus der Ver-<lb/>
legenheit, und ich erhielt, was ich begehrte.</p><lb/>
        <p>Von <hi rendition="#g">Rawa</hi> weiß ich u&#x0364;brigens in der<lb/>
That nicht mehr zu &#x017F;agen, als was davon zu<lb/>
&#x017F;agen i&#x017F;t und ich &#x017F;chon ge&#x017F;agt habe. Es i&#x017F;t<lb/>
ein Ort von lithaui&#x017F;chem Schlage, mit ho&#x0364;lzer-<lb/>
nen Ha&#x0364;u&#x017F;ern, krummen Ga&#x017F;&#x017F;en und viel<lb/>
Schmutz auf die&#x017F;en Ga&#x017F;&#x017F;en. Aber folgenden<lb/>
Zug wird man, wenn ich nicht irre, echt pol-<lb/>
ni&#x017F;ch finden. Die Stadt hat drey Kirchen, die<lb/>
alle den Ein&#x017F;turz drohen, obgleich die eine &#x2014;<lb/>
noch nicht fertig i&#x017F;t. Die beyden er&#x017F;tern, die<lb/>
ganz verfallen waren, gaben die Veranla&#x017F;&#x017F;ung<lb/>
zur Erbauung der dritten. Die&#x017F;e Dritte ward<lb/>
bis auf das Dach vollendet. Das Baugeru&#x0364;&#x017F;t<lb/>
&#x017F;teht noch um &#x017F;ie her, aber es fault; man<lb/>
gab der Kirche ein Nothdach, und es fault.<lb/>
Solcherge&#x017F;talt ver&#x017F;ammlen &#x017F;ich die chri&#x017F;tlichen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[198/0208] verſtanden.“ — Nach dieſer naiven Erklaͤ- rung von ſeiner Seite blieb mir nichts weiter uͤbrig, als ihn um die Gefaͤlligkeit zu bitten, daß er mir einen Juden verſchaffen moͤchte. Erſt dieſer riß mich, als er kam, aus der Ver- legenheit, und ich erhielt, was ich begehrte. Von Rawa weiß ich uͤbrigens in der That nicht mehr zu ſagen, als was davon zu ſagen iſt und ich ſchon geſagt habe. Es iſt ein Ort von lithauiſchem Schlage, mit hoͤlzer- nen Haͤuſern, krummen Gaſſen und viel Schmutz auf dieſen Gaſſen. Aber folgenden Zug wird man, wenn ich nicht irre, echt pol- niſch finden. Die Stadt hat drey Kirchen, die alle den Einſturz drohen, obgleich die eine — noch nicht fertig iſt. Die beyden erſtern, die ganz verfallen waren, gaben die Veranlaſſung zur Erbauung der dritten. Dieſe Dritte ward bis auf das Dach vollendet. Das Baugeruͤſt ſteht noch um ſie her, aber es fault; man gab der Kirche ein Nothdach, und es fault. Solchergeſtalt verſammlen ſich die chriſtlichen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0202_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0202_1795/208
Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, H. 4. Berlin, 1795, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0202_1795/208>, abgerufen am 22.12.2024.