Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, H. 4. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

Mitglieder sind Böhmen, Mährer, Bayern
und Oesterreicher, das verrathen ihre Mund-
arten, und ihre Stücke, in Kasperls Geschmack,
verrathen es noch mehr. Jndessen fehlt es
ihnen nicht an Zuschauern, und die guten
Deutschen, die in Warschau wohnen, ergetzen
sich im Ernste recht königlich vor ihrer Büh-
ne, weil es ihnen seit langer Zeit nicht so gut
geworden ist, in ihrer eigenen Sprache platte
Späße zu hören.

Zum Schlusse dieses Abschnittes erlaube
man mir noch einige Bemerkungen über den
Zustand der Religions-Aufklärung in Polen.

Wenn man sich an die Erziehungsart unter
den höhern Ständen erinnert, so wird man
finden, daß in Absicht einer vernünftigen Auf-
klärung in der Religion sehr wenig für die
Jugend derselben gethan werden könne. Bloß
die gemeinsten Gebräuche des römisch- katho-
lischen Gottesdienstes lernt sie mechanisch nach-
machen, so wie die Rosenkränze, Meßandach-
ten, Segen u. dergl. ohne Gedanken nachbe-

Mitglieder ſind Boͤhmen, Maͤhrer, Bayern
und Oeſterreicher, das verrathen ihre Mund-
arten, und ihre Stuͤcke, in Kaſperls Geſchmack,
verrathen es noch mehr. Jndeſſen fehlt es
ihnen nicht an Zuſchauern, und die guten
Deutſchen, die in Warſchau wohnen, ergetzen
ſich im Ernſte recht koͤniglich vor ihrer Buͤh-
ne, weil es ihnen ſeit langer Zeit nicht ſo gut
geworden iſt, in ihrer eigenen Sprache platte
Spaͤße zu hoͤren.

Zum Schluſſe dieſes Abſchnittes erlaube
man mir noch einige Bemerkungen uͤber den
Zuſtand der Religions-Aufklaͤrung in Polen.

Wenn man ſich an die Erziehungsart unter
den hoͤhern Staͤnden erinnert, ſo wird man
finden, daß in Abſicht einer vernuͤnftigen Auf-
klaͤrung in der Religion ſehr wenig fuͤr die
Jugend derſelben gethan werden koͤnne. Bloß
die gemeinſten Gebraͤuche des roͤmiſch- katho-
liſchen Gottesdienſtes lernt ſie mechaniſch nach-
machen, ſo wie die Roſenkraͤnze, Meßandach-
ten, Segen u. dergl. ohne Gedanken nachbe-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0087" n="77"/>
Mitglieder &#x017F;ind Bo&#x0364;hmen, Ma&#x0364;hrer, Bayern<lb/>
und Oe&#x017F;terreicher, das verrathen ihre Mund-<lb/>
arten, und ihre Stu&#x0364;cke, in Ka&#x017F;perls Ge&#x017F;chmack,<lb/>
verrathen es noch mehr. Jnde&#x017F;&#x017F;en fehlt es<lb/>
ihnen nicht an Zu&#x017F;chauern, und die guten<lb/>
Deut&#x017F;chen, die in War&#x017F;chau wohnen, ergetzen<lb/>
&#x017F;ich im Ern&#x017F;te recht ko&#x0364;niglich vor ihrer Bu&#x0364;h-<lb/>
ne, weil es ihnen &#x017F;eit langer Zeit nicht &#x017F;o gut<lb/>
geworden i&#x017F;t, in ihrer eigenen Sprache platte<lb/>
Spa&#x0364;ße zu ho&#x0364;ren.</p><lb/>
        <p>Zum Schlu&#x017F;&#x017F;e die&#x017F;es Ab&#x017F;chnittes erlaube<lb/>
man mir noch einige Bemerkungen u&#x0364;ber den<lb/>
Zu&#x017F;tand der Religions-Aufkla&#x0364;rung in Polen.</p><lb/>
        <p>Wenn man &#x017F;ich an die Erziehungsart unter<lb/>
den ho&#x0364;hern Sta&#x0364;nden erinnert, &#x017F;o wird man<lb/>
finden, daß in Ab&#x017F;icht einer vernu&#x0364;nftigen Auf-<lb/>
kla&#x0364;rung in der Religion &#x017F;ehr wenig fu&#x0364;r die<lb/>
Jugend der&#x017F;elben gethan werden ko&#x0364;nne. Bloß<lb/>
die gemein&#x017F;ten Gebra&#x0364;uche des ro&#x0364;mi&#x017F;ch- katho-<lb/>
li&#x017F;chen Gottesdien&#x017F;tes lernt &#x017F;ie mechani&#x017F;ch nach-<lb/>
machen, &#x017F;o wie die Ro&#x017F;enkra&#x0364;nze, Meßandach-<lb/>
ten, Segen u. dergl. ohne Gedanken nachbe-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[77/0087] Mitglieder ſind Boͤhmen, Maͤhrer, Bayern und Oeſterreicher, das verrathen ihre Mund- arten, und ihre Stuͤcke, in Kaſperls Geſchmack, verrathen es noch mehr. Jndeſſen fehlt es ihnen nicht an Zuſchauern, und die guten Deutſchen, die in Warſchau wohnen, ergetzen ſich im Ernſte recht koͤniglich vor ihrer Buͤh- ne, weil es ihnen ſeit langer Zeit nicht ſo gut geworden iſt, in ihrer eigenen Sprache platte Spaͤße zu hoͤren. Zum Schluſſe dieſes Abſchnittes erlaube man mir noch einige Bemerkungen uͤber den Zuſtand der Religions-Aufklaͤrung in Polen. Wenn man ſich an die Erziehungsart unter den hoͤhern Staͤnden erinnert, ſo wird man finden, daß in Abſicht einer vernuͤnftigen Auf- klaͤrung in der Religion ſehr wenig fuͤr die Jugend derſelben gethan werden koͤnne. Bloß die gemeinſten Gebraͤuche des roͤmiſch- katho- liſchen Gottesdienſtes lernt ſie mechaniſch nach- machen, ſo wie die Roſenkraͤnze, Meßandach- ten, Segen u. dergl. ohne Gedanken nachbe-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0202_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0202_1795/87
Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, H. 4. Berlin, 1795, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0202_1795/87>, abgerufen am 22.12.2024.